Samstag, September 28

Manuel Akanji und Granit Xhaka sind überragend, der Torschütze Dan Ndoye steht vor einer grossen Zukunft. Die Schweizer Spieler hinter der starken Leistung vom Sonntagabend.

Die Schweizer Nationalmannschaft hat den Gruppensieg an der Fussball-EM nur knapp verpasst. Dan Ndoyes Führungstor gegen Deutschland nach knapp einer halben Stunde Spielzeit reicht nicht zum Sieg, weil die Deutschen in der 92. Minute durch Niclas Füllkrug noch zum Ausgleich kommen. Diese fünf Schweizer Nationalspieler sind beim 1:1 gegen Deutschland besonders aufgefallen.

Yann Sommer: An dieser EM noch nicht in bester Verfassung

Es ist vielleicht die höchste Form der Anerkennung für den starken Schweizer Auftritt am Sonntagabend in Frankfurt gegen Deutschland: Der Torhüter hat nicht einmal einen aussergewöhnlichen Auftritt. Yann Sommer ist da, wenn es ihn braucht, aber es braucht ihn trotz klarer optischer deutscher Überlegenheit gar nicht so oft. Er leistet sich sogar erneut zwei, drei Unsauberkeiten mit dem Fuss und strahlt nicht die Souveränität aus, die ein Schweizer Goalie ausstrahlen muss, wenn das Nationalteam an der EM gegen den Gastgeber Deutschland bestehen will.

Es ist sogar so, dass sich Yann Sommer einen groben Schnitzer leistet. Sein Glück ist es, dass der VAR eingreift, weil er ein Foulspiel von Jamal Musiala an Michel Aebischer erkannt hat. Den Schuss Robert Andrichs zum vermeintlichen 1:0 Deutschlands nach etwas mehr als einer Viertelstunde müsste Sommer parieren. Das gibt er auch unumwunden zu. Der 35-Jährige hat an dieser Euro ganz allgemein Steigerungspotenzial. Das ist positiv für die Schweiz, weil es ab den Achtelfinals noch stärker auf den Torhüter ankommen wird – beispielsweise in einem Elfmeterschiessen. Wie vor drei Jahren an der EM gegen Frankreich, als Yann Sommer den letzten Elfmeter Kylian Mbappés mirakulös hielt.

Manuel Akanji: Der starke Abwehrchef

Die Schweizer kämpfen gegen Deutschland solidarisch, sie sind aggressiv, entschlossen, robust. Ihr bester Zweikämpfer ist Manuel Akanji, der sich kaum eine Blösse leistet und mit geschicktem Stellungsspiel und vorbildlichem Einsatz überzeugt. Akanji ist an dieser Europameisterschaft ein ausgezeichneter Abwehrchef und einer der besten Verteidiger. Das mag nicht erstaunen, schliesslich spielt er bei Manchester City, einem der grössten Klubs der Welt. Und doch ist es bemerkenswert, wie vielseitig, intelligent und abgeklärt Akanji auftritt. Wäre er ein Italiener, würde man vermutlich von einem Weltklasseverteidiger à la Fabio Cannavaro oder Alessandro Nesta sprechen.

Silvan Widmer: Wie wird er im EM-Achtelfinal ersetzt?

Die Schweizer haben seit einigen Jahren personelle Probleme auf den defensiven Aussenpositionen, weil diese nicht so stark und vor allem breit besetzt sind wie andere Positionen in der Mannschaft. Rechts ist Silvan Widmer eigentlich ein solider Wert. Doch nach einer schwierigen Saison bei Mainz präsentiert sich der Routinier an dieser EM bisher nicht von seiner besten Seite. Widmer ist nicht so präsent wie gewohnt, leistet sich Fehler, ist in der Offensive kein entscheidender Faktor. Und doch ist er im Grunde genommen unersetzlich. Auf der Position des rechten Aussenspielers gibt es keinen anderen Schweizer mit so viel Erfahrung in dieser Rolle.

Blöderweise ist Silvan Widmer nun im Achtelfinal am nächsten Samstag wegen zweier Verwarnungen gesperrt. Das zwingt den Nationaltrainer Murat Yakin erneut zu Umstellungen. Yakin hat an dieser Europameisterschaft taktisch bisher teilweise brillante Experimente angestellt. Ob er aber Widmer tatsächlich mit dem gelernten Innenverteidiger Leonidas Stergiou ersetzen wird, darf bezweifelt werden. Es wäre ziemlich verwegen, Stergiou in einem EM-Achtelfinal erstmals in seiner Profikarriere rechts im Aufbau in die Startformation zu setzen.

Alternativen? Vielleicht rückt Michel Aebischer auf die andere Seite, vielleicht kann Nico Elvedi dort spielen oder Fabian Rieder, womöglich Dan Ndoye oder Renato Steffen – perfekte Kandidaten für diese Position sind sie alle nicht. Bereits bei der WM 2022 in Katar fiel der damals kranke Widmer im Achtelfinal gegen Portugal aus. Beim 1:6 setzte Yakin auf Edimilson Fernandes, der zuvor nie in seiner Karriere hinten rechts gespielt hatte. Und nun fehlt dem Nationaltrainer erneut eine logische Alternative für Widmer, weil er zum Beispiel Kevin Mbabu nicht aufgeboten hat.

Granit Xhaka: Nahe an der Weltklasse

Der bisher beste EM-Spieler? Warum nicht Granit Xhaka. Gegen Deutschland wird er bereits zum zweiten Mal zum «Man of the Match» gewählt. Xhaka präsentiert sich wie im Startspiel gegen Ungarn (3:1) in teilweise bestechender Form. Er ist prägend, zweikampfstark und jederzeit der Chef im Mittelfeld. Das Duell mit dem deutschen Strategen Toni Kroos gewinnt der Schweizer Captain jedenfalls deutlich.

Xhaka bedauert wie seine Mitspieler nach dem späten Gegentor durch Niclas Füllkrug in der 92. Minute, dass es nicht zum Coup gereicht hat. «Wir haben Deutschland einen grossen Kampf geliefert, leider fehlten am Ende ein paar Minuten zum Sieg», sagt Xhaka. Er selbst beweist, in welch grandioser Verfassung er in dieser Saison spielen kann. Einzig gegen Schottland, als ihn Scott McTominay in enger Manndeckung beschattete, war der 31-Jährige nicht herausragend.

Aber die wirklich bedeutenden Begegnungen kommen für den ambitionierten Xhaka ja erst. Die Schweizer können nur dann erfolgreich sein, wenn er weiterhin derart überzeugend spielt. Wäre Xhaka ein spanischer Mittelfeldspieler und würde – was er in dieser starken Form ohne weiteres tun könnte – bei Real Madrid spielen, würde man von einem der weltbesten Fussballer sprechen.

Dan Ndoye: So schnell, so vielversprechend, so unpräzis

Wäre Dan Ndoye Engländer und würde, zum Beispiel, bei Brighton spielen, würde ihn mindestens die Hälfte aller Premier-League-Topklubs umwerben. Er hätte auf dem verrückten Transfermarkt ein Preisschild umgehängt bekommen, das weit über der 50-Millionen-Franken-Marke liegen würde. Doch Ndoye ist Schweizer, 23 Jahre alt, spielt in Italien und war dort mit Bologna so erfolgreich, dass sich der Klub erstmals für die Champions League qualifiziert hat. Es wäre für Ndoyes Entwicklung durchaus sinnvoll, die nächste Saison noch bei Bologna zu absolvieren – doch nicht nur der italienische Champion Inter Mailand ist auf den vielseitigen und vor allem unfassbar schnellen Flügelspieler aufmerksam geworden.

Gegen Deutschland gelingt Ndoye das erste Länderspieltor. Es ist keine schlechte Bühne dafür. Noch fast eindrucksvoller ist allerdings eine Szene ein paar Minuten später, als er Real Madrids Abwehrorganisator Antonio Rüdiger locker davonläuft und seinen Schuss nur knapp neben das Tor setzt. Ndoye ist nicht nur flink, sondern auch kräftig und ausdauernd, seine Tempoläufe sind eine Herausforderung für die weltbesten Abwehrkräfte.

Allerdings streut Ndoye auch immer wieder unpräzise Pässe in sein Spiel ein, er trifft falsche Entscheidungen, ist zu wenig konkret in seinen Aktionen und Abschlüssen. Es sind Kritiken auf hohem Niveau – aber alles andere wäre bei diesem hoffnungsvollen Fussballer auch nicht richtig. Ndoye hat andere Schweizer Offensivspieler wie Zeki Amdouni und Noah Okafor rasant überholt und ist gegen Deutschland auch besser als Breel Embolo.

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