Montag, Oktober 7


Tipps der Redaktion

Ob Klassiker oder neu, ob Pink Floyd oder Pashanim, ob Hyper-Pop oder kosovarische Volksmusik: Diese Lieder spielen wir derzeit auf und ab.

1. «Give It Up For Love» von Gossip

Wer hätte das gedacht: Die Band The Gossip gibt es nun schon seit 25 Jahren! Diesen März ist nach elfjähriger Pause endlich wieder ein neues Album erschienen: «Real Power». Zusammen mit dem Erfolgsproduzenten Rick Rubin, der schon für das Gossip-Album «Music For Men» von 2009 verantwortlich war, klingt der neue Sound von der Frontfrau Beth Ditto, dem Gitarristen Nathan Howdeshell und der Schlagzeugerin Hannah Blilie so, wie wir Fans ihn erwartet haben: kraftvoll und mitreissend.

Das neue Album bietet für mich den idealen Soundtrack für diesen Sommer: von fast lieblich-harmlosen Pop-Songs – wie der ersten Single-Auskopplung «Crazy Again» oder den Songs «Edge Of The Sun» oder der sanft-lüpfigen Ballade «Turn The Card Slowly» – bis hin zum typisch energetischen Eröffnungstrack des Albums, «Act of God».

Ideale Gute-Stimmung-Power-Tracks für den Sommer sind aber «Real Power» und «Give It Up For Love». Vor allem in Letzterem wird eine clevere Mischung aus für Gossip typischen Gitarrenriffs und der starken Stimme von Beth Ditto zu einem eingängigen Pop-Funk-Rock-Soul-Groove, der an die Qualitäten von Blondie-Songs wie «Heart of Glass» anknüpft.

Tipp von Kim Dang

2. «Grantchester Meadows» von Pink Floyd

Dieser Song von Pink Floyd ist der sonnige, unbeschwerte und vor allem unhysterische Soundteppich schon vieler meiner Sommerferien gewesen. In den Ferien will ich nur in der Natur sein, den Wolken nachschauen, mich im Klang der Grillen oder Vögel verlieren und den vermüllten Kopf leeren.

Herrlich an «Grantchester Meadows» ist das Gezwitscher der Vögel, das Geschnatter der Enten, das Plätschern des Wassers und die wahnsinnig sanfte Stimme von Roger Waters – alles wie ein Streicheln. Und dann das Ende! Lassen Sie sich überraschen.

Der Song erschien 1968 auf Pink Floyds vierter Platte namens «Ummagumma», ein Doppelalbum. Was ich so liebe an diesem Song? Er ist bescheiden – wie eben das Sein in einer Hütte, die umgeben von Wiesen ist und wo das krasse Rauschen von «Ich muss, ich soll, ich kann, ich will» komplett verschwindet und man wahnsinnig Lust bekommt auf Schmusen, Wassermelonen und das ewig gleiche Sommershirt.

Tipp von Ulrike Hug

3. «Esperar pra Ver» von Evinha

Seit ich zurück bin von meinen Sommerferien, versuche ich immer wieder, gedanklich in diesen Ferienmodus zu gelangen, um die Leichtigkeit dieser Wochen möglichst lange im Alltag beizubehalten. Dabei hilft mir die Playlist, die wir auf unserer fünfwöchigen Reise erstellt haben. Jedes Mal, wenn in einem Restaurant, am Strand oder im Café ein Lied lief, das uns gefiel, identifizierte meine Begleitung mit der Musikerkennungs-App Shazam den Songtitel und erstellte aus all den Liedern eine Playlist. Wieder zu Hause, höre ich diese Songs jedes Mal dann, wenn ich erschöpft oder schlecht gelaunt bin.

Dieses Lied aus dem Jahr 1971 der brasilianischen Sängerin Evinha versetzt mich augenblicklich zurück in den Beach Club in Comporta, Portugal, wo an diesem bedeckten Dienstagnachmittag eine Gruppe portugiesischer Rentnerinnen und Rentner im Restaurant drinnen zu «Esperar pra Ver» tanzte und das Leben feierte.

Tipp von Lea Hagmann

4. «Sommergewitter» von Pashanim

Zugegeben, auf diesen Song bin ich nicht allein gekommen. Er wurde von der Boombox meines Teenie-Sohnes an mich herangetragen. Bereits letzten Sommer schallten aus seinem Zimmer nonstop die Zeilen «Ich will Butterfly Doors und ein Panoramadach – meine Gegend meine Stadt, hör den Regen ganze Nacht – meine Augen werden schwer, weil ich war zu lange wach». Seither kleben mir von poppigen Beats untermalte Verse vom Deutschrapper Pashanim im Gehörgang fest.

Der 24-jährige Berliner mit kurdisch-türkischen Wurzeln ist bekannt für seine melancholischen Ansätze. In seinen Songs – soeben ist sein Album «2000» als Hommage an sein Geburtsjahr erschienen – thematisiert er nicht nur seine Struggles, wie es ist, sich als Jugendlicher mit Migrationshintergrund in Berlin Kreuzberg durchzuschlagen (Drogen ticken, Prada Fakes, Porsche Cayennes, Kusengs und Probleme mit der Polizei ) – sondern eben auch über die Liebe und das Dilemma, sich nicht richtig committen zu können.

Alles etwas kitschig, ich weiss – aber «Sommergewitter» ist für mich auch der perfekte Soundtrack für nächtliche Velofahrten durch meine Stadt. Oder für die Fahrt ans Mittelmeer.

Tipp von Andrea Bornhauser

5. «Low sun» von Hermanos Gutiérrez

Was für ein Privileg, dass man in der Schweiz die Natur oft ganz nah hat – selbst wenn man in der Stadt wohnt. Wenn die Zeit also nicht reicht für einen grösseren Ausflug oder die Ferien noch etwas zu weit entfernt sind, schnappe ich mir ein Tuch und spaziere oder fahre mit dem Velo ins Grüne, wo es möglichst menschenleer ist. Das kann die Villa Patumbah im Seefeld (eine kleine Oase in der Stadt), mein Lieblingsspot an der Limmat oder hoch über der Stadt in Friesenberg/Albisrieden sein, wo ich mich in die Wiese lege und die verzerrten, elektrischen Gitarrenklänge der Hermanos Gutiérrez höre.

Die Brüder Estevan und Alejandro Gutiérrez mit schweizerisch-ecuadorianischen Wurzeln gehören zu den international erfolgreichsten Schweizer Musikern und erreichen mit ihren sanften Klängen ein Millionenpublikum («Cerca de Ti» wurde auf Spotify über 52 Millionen Mal gestreamt), sind gerade auf Tournee, spielten am Coachella und haben Mitte Juni ihr drittes Album «Sonido Cósmico» veröffentlicht.

Ich mag die Musik des Duos, weil sie für eine Gefühlskollision sorgt. Sie beruhigt mich, gibt mir das schwerelose Gefühl, alles ausser dem jetzigen Moment sei weit entfernt (wie «Low Sun»). Fast so, als wäre man in einem Hohlraum, abgeschottet von der Aussenwelt, ohne Ziel, ohne Verpflichtung. Nur liegen und sein. Dann wiederum hat die Musik, die komplett ohne Gesang auskommt, aber auch etwas Schwelgerisches, teilweise Schwermütiges bis hin zum Aufbrecherischen, das mich dann wieder behutsam und motiviert in den Alltag zurückholt wie etwa «It’s all in your mind».

Tipp von Jocelyne Iten

6. «Tejano Blue» von Cigarettes After Sex

Vor einigen Jahren habe ich Cigarettes After Sex live gesehen, das war zum Einschlafen langweilig. Mit hundert anderen diese sinnliche, intime Musik in minimalistischen Klangwelten zu geniessen, funktioniert für mich nicht. Zigaretten nach dem Sex ist zwar ein banaler, aber wohl begründeter Name für das Trio aus El Paso in Texas: Seit der Gründung 2008 will die Band das tiefe Entspannen postkoital in Tönen einfangen. Schleichend-wunderschön und irgendwie hypnotisch ist das Resultat. Wie ein langer, ruhiger Fluss an Musik. Es geht immer weiter. Und doch kann Cigarettes After Sex die Zeit anhalten. Oder zumindest verlangsamen.

Ob nach dem berühmten «Danach», im verregneten Sommerhaus oder unter den im Wind tänzelnden Palmenblättern, dies schafft auch das dritte, eben erschienene Album «X’s» (mein Lieblingssong: «Tejano Blue»). Greg Gonzalez verarbeitet in seinen Liedern ein Beziehungsende. Er haucht die Texte mit seiner androgynen Gesangsstimme ins Mikrofon und versprüht Ruhe. Auch wenn die Texte manchmal sehr explizit sind.

Tipp von Sonja Siegenthaler

7. «Ditari» von Remzie Osmani & Nexhat Osmani

Ein Song vom letzten Sommer ist geblieben: «Ditari» von Remzie Osmani & Nexhat Osmani. Ich habe ihn auf einer Busfahrt von Tirana nach Berat im Radio gehört und via Shazam gefunden. Die Melodie ist eingängig, macht gute Laune, und die Zeile «Shok, shok jena» hat bei mir für einen Ohrwurm gesorgt. Dabei verstehe ich kein Wort Albanisch.

Also habe ich die Lyrics gegoogelt. Es handelt sich um ein schnulziges Liebeslied. Remzie Osmani ist eine albanische Volksmusikerin aus Kosovo, die mit ihrem Bruder Nexhat zusammenarbeitet. Ein Schlager also, was mir gezeigt hat, dass ich dieses Genere vor allem dann gerne mag, wenn ich den Text nicht verstehe.

Tipp von Hannah Hitz

8. «Apple» von Charli XCX

Auf Social Media schreien seit Wochen fast alle von einem «Brat Summer», und ausnahmsweise stimme ich zu. Das hat nichts mit Bratwürsten zu tun oder einem mysteriösen meteorologischen Phänomen, sondern mit dem grellgrün leuchtenden, sehr erfolgreichen sechsten Album von Charli XCX, das im Juni erschien. «Brat» ist alles, was man von der britischen (Hyper-)Pop-Prinzessin möchte, und mehr: laut, schnoddrig, kunstvoll wirr, gespickt mit Referenzen und schonungslos ehrlich. «Unsicherheiten beseitigende Hymnen» nannte der «Guardian» die Songs auf dem Album, und als manchmal sehr unsichere Person kann ich das unterschreiben.

Das trifft auch auf «Apple» zu, das mein aktueller Favorit ist und die schwüle Verzweiflung verkörpert, die einen im Sommer manchmal überkommt – dieser Drang, einfach nur wegzufahren, am besten zum Flughafen, weil nichts mehr so richtig Sinn ergeben will.

Natürlich gibt es dazu bereits einen Tiktok-Tanz. Doch das ganze Album ist auch dann sehr gut, wenn man die zahlreichen Überlieferungen aus dem Internet dazu nicht kennt – wenn man nicht weiss, dass es in «Sympathy is a knife» wahrscheinlich um Taylor Swift geht, und wenn man nicht ungeduldig auf den makellosen «Girl, so confusing»-Remix mit Lorde gewartet hat und nun vom eigenen Gehirn periodisch den Satz «Girl, you walk like a bitch» gebrüllt bekommt. Wenn man sich dann doch interessiert, ist genug Material da, um sich den ganzen Sommer damit zu beschäftigen.

Tipp von Jana Schibli

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