Donnerstag, Oktober 10
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Überraschung

Viele renommierte Lokale in Deutschland verkündeten jüngst die Schliessung. Der «Guide Michelin» indes schüttet eine Rekordzahl von Sternen aus. Diese Adressen sollten Sie sich merken.

Eine Fülle an neuen Sternerestaurants existiert seit vergangener Woche in Deutschland – und das kann man als Zeichen dafür deuten, dass die deutsche Gastronomie noch längst nicht abzuschreiben ist. Dies trotz der Tatsache, dass in den letzten Monaten viel von Krise geredet worden ist und ein paar etablierte Gourmetlokale die Schliessung angekündigt hatten.

Nun gibt es sage und schreibe 32 neue Restaurants mit einem Stern und immerhin 3 neue Zwei-Sterner. Und man denke nur nicht, dass alle Neuen ultrateuer wären. Trotz Mehrwertsteuererhöhung zu Beginn des Jahres kann man zwischen Weil am Rhein und Heringsdorf an der Ostsee häufig ziemlich preiswert essen.

Ein einziges neues Drei-Sterne-Restaurant

Leider stimmt nicht alles beim «Guide Michelin» des Jahres 2024. Dass mit Edip Sigl nur ein einziger Koch den dritten Stern neu verliehen bekam und insgesamt nun 10 Betriebe mit der Höchstnote ausgezeichnet werden, anerkennt nicht die tatsächlichen Spitzenleistungen der Gastronomie Deutschlands. Es wird dort nämlich mitnichten schlechter gekocht als in Spanien – wo man 15 Drei-Sterne-Restaurants findet – oder in Italien (13). Und in Frankreich fallen mir gleich mehrere unter den 30 Drei-Sterne-Lokalen ein, die mitnichten auf dem Niveau dieser Auszeichnung arbeiten.

Warum der «Michelin» die deutsche Spitze so kleinhält, ist rätselhaft. Ob Deutschland im Werbegeschäft nicht wichtig genug oder das Budget zu knapp ist, um sich die herausragenden Zwei-Sterner genau anzuschauen, bleibt offen. Zumindest «Vendôme» in der Nähe von Köln, das Hamburger «Haerlin» und «Etz» in Nürnberg hätten die Hochstufung im internationalen Vergleich verdient, vermutlich auch «Coda» in Berlin, das Münchner «Tantris» und «Esplanade» in Saarbrücken.

Verdiente Zwei-Sterne-Leistungen

Wenig Kritik gibt’s bei den 3 neuen Zwei-Sterne-Lokalen. Das Restaurant SEO Küchenhandwerk in Langenargen ist erstens von der Schweiz aus schnell erreichbar und bietet zweitens unter der Küchenleitung von Roland Piebers eine sehr eigenständige, in der Region verwurzelte, aber auch neugierige Küche (Wagyu mit Salzzitrone!). Auch beim Restaurant Pur im Kempinski-Hotel Berchtesgaden gibt es keine Diskussionen: Hummer mit Fenchel und Estragon verdient zwei Sterne.

Der dritte Koch im Reigen der neuen Zwei-Sterne-Betriebe Deutschlands ist ein alter Bekannter. Dass Christoph Kunz herausragend kochen kann, hatte er schon zuvor bewiesen, nun zeigt er es im neuen Restaurant Komu in München.

Die Flut der Ein-Stern-Restaurants

Mehr mit einem Stern ausgezeichnete Lokale gab es in Deutschland nie – und wirkliche Fehler kann man dem «Michelin» bei den ausgewählten Betrieben kaum vorwerfen. Nicht alle Betriebe kenne ich, aber die Leistungen von «Mittermeier» in Franken, «Irori» in Ranschbach sowie «St. Laurentiushof» in der Pfalz sind bemerkenswert.

Dass auch der «Meisenheimer Hof» in Meisenheim mit seinem im Ort verwurzelten Konzept einen Stern erhalten hat, ist gar nicht genug zu loben. Und für das coole Freiburger «Jacobi» oder das Düsseldorfer «Jae» mit seiner koreanisch inspirierten Küche gilt Selbiges. Dass auch «The Lisbeth» erstmals einen Stern bekommen konnte, der kochende Winzer (das Restaurant Winzerhof Stahl in Simmershofen) und Nils Henkels Sylter Dépendance namens «Tipken’s», ist gleichfalls sehr erfreulich.

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