Mittwoch, Oktober 2

Überdurchschnittliche Qualität und relativ billig zu haben? Solche Titel gibt es, auch in Deutschland. Ein Quartett starker Unternehmen ragt derzeit besonders hervor.

Qualitätsprodukte haben ihren Preis. Das gilt beim Shopping wie bei der Geldanlage. Entsprechend sollten Unternehmen mit überdurchschnittlich hoher Kapitalrendite und stärkerer Bilanz Anlegern auch einen Aufpreis wert sein. Doch mitunter verkennt der Markt die Qualität mancher Gesellschaften, sodass es sie günstig zu kaufen gibt: eben Qualität zu einem vernünftigen Preis.

The Market durchsiebt regelmässig die Aktienmärkte in Europa und den USA nach solchen günstigen Qualitätsaktien.

Vier Kriterien von The Market für günstige Qualitätsaktien

  • Kapitalrendite, definiert als Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC)
  • Bilanzsolidität: Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (Ebitda)
  • Bewertung: Unternehmenswert in Relation zum Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit)
  • Operativer Trend: Momentum der Gewinnprognosen (bei europäischen Unternehmen)

Die jüngste Analyse hat für Deutschland vier Treffer angezeigt. Diese Gesellschaften sind deshalb einen tiefergehenden Blick wert.

Knorr-Bremse: von wegen Bremsklotz

Das Geschäft von Knorr-Bremse ist das Verzögern – mit Bremssystemen für Nutzfahrzeuge und Züge. Auf der sprichwörtlichen Bremse stehen die Münchner aber beileibe nicht, im Gegenteil.

Der Ebitda für das abgelaufene Geschäftsjahr liegt bei 1,1 Mrd. €, damit erwirtschaftete das Unternehmen eine Marge von über 13%. 2026 soll diese Kenngrösse auf fast 18% wachsen. «Solide» nennen die Analysten des US-Brokerhauses Stifel das erste Quartal des Jahres. Dabei hilft es, dass das Unternehmen eine starke Marktposition hat und damit gute Chancen darauf, seine Marge zu verteidigen.

Der 2021 verstorbene Eigentümer Heinz Hermann Thiele hatte den Münchner Spezialisten für Bremssysteme zu einem der erfolgreichsten deutschen Technologiekonzerne geformt. Ein Risikofaktor für das Unternehmen ist der Streit der Erben: Witwe Nadia Thiele und Tochter Julia Thiele-Schürhoff ringen bis heute im Hintergrund um die Macht.

Für Anleger auf der Suche nach Qualitätsaktien wichtig: Die Kapitalrendite (ROIC) beträgt mehr als 11%. Die Gesellschaft erwirtschaftet also einigen Gewinn aus jedem investierten Euro. Ein Bauteil davon dürfte das Strategieprogramm «Boost 2026» sein. Damit will das Unternehmen gemäss eigenen Aussagen über die kommenden Jahre nachhaltiges und profitables Wachstum sichern.

Die Gesellschaft überprüft dabei auch ihr Geschäftsportfolio. Für CEO Marc Llistosella ist klar: «Wir konnten nicht nur in finanzieller Hinsicht punkten, sondern haben auch erste wichtige Meilensteine unseres Strategieprogramms (…) erreicht.» Dazu gehört zum Beispiel auch, sich von Kiepe Electric getrennt zu haben.

Kiepe ist ein Unternehmen mit Fokus auf der Elektrifizierung des städtischen Strassen- und Schienenverkehrs, bietet zum Beispiel Ladesysteme. Freilich ist die Elektromobilität ein Zukunftsmarkt. Doch so eine Gesellschaft muss auch in die Gesamtstrategie von Knorr passen. Und das war für Knorr-Bremse offenbar nicht der Fall. «Insgesamt liessen sich (…) nur geringe Synergien zwischen Kiepe Electric und der Division erzielen», sagte Nicolas Lange, Mitglied des Vorstands von Knorr-Bremse.

Andererseits hat Lange im April die Übernahme des US-Geschäfts mit Bahnsignaltechnik von Alstom für 630 Mio. € angekündigt. Die Qualität eines Unternehmens kann auch darin liegen, bei der Führung auf das eigene Profil zu achten und es gegebenenfalls auch zu schärfen.

Gea: eine für (fast) alles

Bei Gea dreht sich alles um eine Paradedisziplin deutscher Unternehmen: den Anlagenbau. Genauer: um Anlagen für die Nahrungsmittel-, die Getränke- und die Pharmaindustrie. Gea errichtet etwa Brausysteme oder Gefriertunnel für die Nahrungsmittelherstellung, für Bier und tiefgefrorene Bratwurst. Dazu kommen weitere Facetten wie zum Beispiel Prozesstechnik und umfassende Servicedienstleistungen.

Dabei auch klar im Fokus des Unternehmens: das neue Geschäftsfeld New Food, Teil der 2021 vorgestellten Strategie «Mission 26». Als New Food gelten Nahrungsmittel vor allem auf Basis etwa von Pflanzen oder Pilzen. In diesem Segment will Gea ihre Position ausbauen und strebt eine marktführende Stellung an. Die Strategie soll das profitable Wachstum treiben, heisst es bei Gea.

Bis 2026 rechnet das Unternehmen mit einem jährlichen Auftragseingang von 400 Mio. € für neu entwickelte, aber auch für bestehende Maschinen aus diesem Segment. Beispielsweise für die dänische Novozymes hat es eine Anlage gebaut, mit der pflanzenbasierte Proteine hergestellt werden können. Die wiederum sind ein Baustein für die Herstellung pflanzenbasierter Nahrungsmittel.

Der operative Gewinn auf Stufe Ebitda ist in der Dekade bis 2023 um fast 39% auf 597 Mio. € gestiegen. Und für die Folgejahre soll es weiter aufwärtsgehen, so die Analystenschätzungen. Ein weiterer Pluspunkt: In Relation zum Gewinn ist die Verschuldung sehr niedrig. Das spricht für ein gerüttelt Mass an Freiheit für die Gesellschaft, etwa im Geschäftsfeld New Food weiter voranzukommen. Die aus dem Ebitda abgeleitete Marge liegt derzeit bei 11%. Für 2026 gehen die Schätzungen von etwas mehr als 15% aus. Das und die starke Marktposition dürften dem Unternehmen gleichfalls helfen, Themen wie New Food voranzutreiben, aber auch etwa über Zukäufe nachzudenken.

Die Gesellschaft ist also mit Blick auf die eigene Börsenhistorie günstig zu haben. Das geschätzte Verhältnis von Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) zu Ebitda liegt mit 14,5 deutlich unter dem Zehnjahresschnitt von mehr als 18. Auch auf Basis weiterer Kennzahlen ist Gea historisch betrachtet günstig bewertet.

Angesichts dessen rechnen die Analysten von Warburg Research für die Aktien von Gea mit einem Kurspotenzial von über 20% auf einen Kurs von 45 €. Derzeit gilt aus Sicht der Anleger: Für das abgelaufene Jahr will das Unternehmen eine Dividende von 1 € zahlen, was einer Dividendenrendite von 2,7% entspricht.

Fuchs: aus Tradition geschmeidig

Geht es dagegen nicht um den Maschinenbau, sondern um Schmierstoffe, dürfte früher oder später der Name Fuchs fallen, einst als Fuchs Petrolub bekannt. Immerhin ist das Mannheimer Unternehmen bereits seit bald hundert Jahren am Markt mit Schmiermitteln, sei es für Automotoren oder Maschinen in der Landwirtschaft, aber auch für Anlagen etwa in der Lebensmittelherstellung. Es liegt auf der Hand, dass dort keine herkömmlichen Öle oder Fette genutzt werden können.

Ein Qualitätswert ist die Aktie unter anderem wegen der Kapitalrendite von über 14%.

Eine Stossrichtung, in die das Unternehmen geschmeidig investiert, sind Schmierstoffe für Elektromobilität. Unter dem Label Fuchs BlueEV bündelt es seit 2020 alle Aktivitäten in dieser Richtung und diversifiziert das Produktportfolio auch für den Grosstrend E-Mobilität.

Aus dieser Stossrichtung ergibt sich allerdings eine Frage: Wenn Elektroautos die Zukunft sind, dafür aber weniger Bauteile gebraucht werden – haben spezielle Schmierstoffe dann noch eine Perspektive? In aller Kürze: haben sie.

Zwar geht es dann nicht mehr um Motoröle, bekannt vom klassischen Ölwechsel. Doch Bremsflüssigkeiten, Getriebeöle oder Batteriekühlmittel wird es weiterhin geben, zumindest nach aktuellem Stand der Technik. Sie müssen den speziellen Anforderungen der Elektroautos genügen. Der wachsende Markt der E-Mobilität verändert also den Markt der Öle und Schmiermittel, dürfte aber die Geschäftsaussichten von Unternehmen wie Fuchs nicht nur verdüstern, sondern auch eine Chance sein. Ausserdem bedient die Gesellschaft daneben weiter die globale Nachfrage nach klassischen Schmierstoffen.

In Zahlen: Rund 45% des Konzernumsatzes werden mit automotiven Schmierstoffen erwirtschaftet, bestätigt Fuchs auf Nachfrage. Davon entfällt gut die Hälfte auf den Heavy-Duty-Bereich wie etwa Lastwagen, die andere Hälfte auf Autos. Dort geht das Unternehmen langfristig von einer Verschiebung der Nachfrage aus, von Motorölen hin zu Produkten wie Kühlmitteln für Batterien oder «Electric Driveline Fluids» für Batteriefahrzeuge. Der Umsatz des Unternehmens damit liegt derzeit etwa bei 10% des Gruppenumsatzes. Mit anderen Worten: Fuchs hat sich früh aufgemacht, sich auf diesem Wachstumsfeld zu positionieren und so den Wegfall alter Verbrennergeschäfte zu kompensieren.

Fuchs hat kaum Schulden. Das gibt Spielraum für Investitionen in neue Produkte.

Das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19 ist günstig im Vergleich zum Zehnjahresschnitt von mehr als 21. Andere Kennziffern wie das EV-Ebitda-Verhältnis stützen auch hier den Befund.

CTS Eventim: auf der grossen Bühne

Wenn es um Konzertkarten geht, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Musikfreunde ihren Weg zu Alicia Keys oder Alli Neumann über das Ticketing-System von CTS Eventim finden. Online, mobil und natürlich auch stationär.

Der Online-Tickethandel ist hoch rentabel. Die Kapitalrendite liegt bei 21,6%. Das zeigt, dass die Unternehmensleitung um CEO Klaus-Peter Schulenberg ein Auge für den profitablen Einsatz des Kapitals hat. Die Ebitda-Marge lag 2023 bei 17,5% und soll gemäss Analystenschätzungen schon 2024 auf mehr als 20% klettern.

Das Unternehmen hat kaum Schulden und verfügte per Ende 2023 über eine Netto-Cash-Position von 1,5 Mrd. €. Die Dividende (geschätzte Ausschüttungsrendite für 2024: 1,7%) wirkt gut abgesichert und steigerungsfähig.

Und der Preis? Eine aktuelle Analyse des Unternehmens von The Market zeigt: Die Aktie wird mit dem 26-Fachen des für 2025 erwarteten Gewinns bewertet. Doch in den vergangenen zehn Jahren kostete sie durchschnittlich das 34-Fache des geschätzten Gewinns. Dazu hat sie viel Momentum: Sie enteilt über sechs und zwölf Monate sogar vielen der dynamischen Tech-Titel aus dem Nasdaq-100-Index.

Es gibt sie also, die Aktien, die Qualität zu einem vernünftigen Preis bieten. Auch in Deutschland.

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