Dienstag, November 5

Die Wirtschaft an der Westküste und in Florida wuchs in den letzten fünf Jahren am stärksten. Bei der Arbeitslosenquote und den Investitionen liegen andere Staaten vorne. Die wichtigsten Daten im Überblick.

Am 5. November steht in Amerika auch Joe Bidens Wirtschaftspolitik zur Abstimmung. Die Amerikaner und Amerikanerinnen werden Kamala Harris, die Biden bislang als Vizepräsidentin zur Seite stand, auch an der wirtschaftlichen Bilanz der bisherigen Regierung messen. Auf der anderen Seite ist Donald Trumps Politik den Wählern und Wählerinnen bereits von seiner Präsidentschaft von 2017 bis 2021 bekannt.

Für jeden zweiten amerikanischen Wähler ist die Wirtschaft gemäss einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup ein wahlentscheidender Faktor.

In den meisten Gliedstaaten der USA steht bereits fest, welcher Kandidat wahrscheinlich gewinnen wird. Die Wahl wird daher in sieben Swing States entschieden: In Wisconsin, Michigan und Pennsylvania, die zur Industrieregion «Rust Belt» im Nordosten der USA gehören, zudem in Arizona und Nevada im Südwesten sowie Georgia und North Carolina im Südosten.

Wie hat sich die Wirtschaft in den Gliedstaaten und insbesondere in den umkämpften Swing States entwickelt? Die NZZ hat die wichtigsten Daten ausgewertet.

1. Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosenquote ist ein wichtiger Gradmesser. Denn den Zustand der Wirtschaft messen die meisten Amerikaner zunächst daran, ob sie selbst einen guten Job haben oder nicht. Auf Bundesebene entwickelt sich der amerikanische Arbeitsmarkt seit mehr als zwei Jahren positiv. Im Frühjahr 2023 sank die Arbeitslosenquote auf 3,5 Prozent, ähnlich tief wie vor dem Ausbruch der Corona-Krise. Seither ist sie nur leicht angestiegen auf zuletzt 4,1 Prozent.

Auf Ebene der Gliedstaaten gibt es aber Unterschiede: Nevada, Kalifornien und Illinois liegen mit einer Arbeitslosenquote von über fünf Prozent deutlich über dem Bundesschnitt. Die geringsten Arbeitslosenquoten haben die bevölkerungsarmen Staaten North und South Dakota im Mittleren Westen sowie Vermont im Nordosten mit nur zwei Prozent.

Einige Staaten verzeichnen zudem relativ starke Zunahmen. Im republikanisch geprägten South Carolina sprang die Quote von 2,5 Prozent im August 2019 auf 4,3 Prozent im August 2024. In Illinois, das von den Demokraten regiert wird, nahm die Arbeitslosenquote von 3,7 auf 5,3 Prozent zu. In den südlichen Staaten Mississippi und Arizona ging die Arbeitslosigkeit hingegen deutlich zurück.

Mit Ausnahme von Nevada und Michigan liegen die Arbeitslosenquoten in den Swing States unter dem Bundesschnitt. In Wisconsin beträgt die Arbeitslosenquote nur 2,9 Prozent, in Pennsylvania und Arizona liegt sie bei 3,4 Prozent. In Nevada nahm die Arbeitslosenquote seit August 2019 jedoch um 1,4 Prozentpunkte zu. Die Glücksspielindustrie in Las Vegas und Reno erlitt in der Pandemie einen Einbruch und hat sich bis heute nicht komplett erholt. Ausserdem leiden die Menschen in Nevada unter der enormen Teuerung.

Eine Tabelle mit den vollständigen Daten für alle Gliedstaaten finden Sie am Ende des Artikels.

2. Wirtschaftswachstum

Ein weiteres wichtiges Mass für die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft ist das Wachstum des Bruttoinlandprodukts, da es die Basis für höhere Einkommen und mehr Wohlstand ist. Das Wirtschaftswachstum entwickelt sich in den USA sehr robust. Im Jahr 2023 wuchs die Wirtschaft um 2,5 Prozent, im zweiten Quartal 2024 betrug das Wachstum auf das Jahr gerechnet sogar drei Prozent.

Die USA sind im Schnitt ein sehr reiches Land. Das Bruttoinlandprodukt pro Kopf liegt derzeit bei 86 000 Dollar. Zum Vergleich: In Deutschland lag es Ende 2023 bei 53 000 Dollar, in der Euro-Zone nur bei 44 000. Innerhalb der USA zeigen sich jedoch deutliche Gegensätze. Die Nordost- und Nordwestküste sowie Kalifornien sind deutlich wohlhabender als die Staaten im Landesinneren, die wiederum eher republikanisch wählen.

Der Staat New York steht, wenn man vom Regierungsbezirk District of Columbia absieht, mit 117 000 US-Dollar an erster Stelle. Das ist mehr als doppelt so viel wie beim Schlusslicht Mississippi. Auf New York folgen Massachusetts, Washington und Kalifornien mit einer Wirtschaftsleistung pro Kopf von rund 110 000 Dollar.

Das grösste Wachstum verzeichnete seit 2019 der Gliedstaat Washington im Nordwesten des Landes. Dort legte das reale BIP pro Einwohner innert fünf Jahren um über 16 Prozent zu. Es folgen Kalifornien, Utah und Florida mit einem Wachstum von jeweils 15 Prozent. Die Schlusslichter sind North Dakota und Delaware, wo der Wohlstand des Einzelnen leicht abnahm oder stagnierte.

Die Swing States liegen beim BIP pro Kopf im unteren Mittelfeld. Pennsylvania und Georgia sind mit 78 000 US-Dollar pro Kopf noch vergleichsweise wohlhabend. Arizona und Michigan fallen hingegen deutlicher ab. In Pennsylvania und Wisconsin legte die Wirtschaft gegenüber 2019 auch nur um 6 beziehungsweise 5 Prozent zu. Die Swing States im Süden wachsen mit 10 bis 14 Prozent hingegen deutlich stärker.

Eine Tabelle mit den vollständigen Daten für alle Gliedstaaten finden Sie am Ende des Artikels.

3. Bevölkerungswachstum

Die Attraktivität der USA zeigt sich auch in der Zuwanderung – und folglich auch in der Zahl der Einwohner. Die US-Bevölkerung wuchs bereits in Trumps Amtszeit um sechs Millionen. Die Corona-Krise konnte die Dynamik nur kurzzeitig bremsen. Seit Anfang 2021 ist die Zahl der Bevölkerung um weitere fünf Millionen auf über 336 Millionen Einwohner angestiegen.

Das Bevölkerungswachstum ist über die Staaten extrem ungleichmässig verteilt. Neben der Zuwanderung spielt die Binnenmigration eine wichtige Rolle. So hat Kalifornien seit 2019 1,6 Prozent seiner Einwohner verloren. Ein wichtiges Motiv für den Wegzug aus wirtschaftsstarken Regionen sind die explodierenden Wohnkosten. In anderen Staaten war der Rückgang jedoch weitaus höher: In New York beträgt er 3,6 Prozent. Auch in Illinois nahm die Bevölkerung um fast 3 Prozent ab.

Die Amerikaner und Amerikanerinnen zieht es vermehrt in die südlichen Staaten South Carolina, Florida und Texas, die jeweils 7 Prozent mehr Einwohner gewinnen konnten. Am stärksten wuchs jedoch Idaho im Norden, wo die Bevölkerung um mehr als 10 Prozent zulegte –vor allem durch Menschen, die von Staaten an der Westküste herzogen.

Bei den Swing States zeigt sich ebenfalls eine Zweiteilung. Während North Carolina, Arizona und Georgia kräftig wuchsen, stagniert die Bevölkerung in den Swing States im Nordosten.

Eine Tabelle mit den vollständigen Daten für alle Gliedstaaten finden Sie am Ende des Artikels.

4. Investitionen

Sowohl Trump als auch Biden versprachen den Wählern und Wählerinnen, Industriejobs in die USA zurückzubringen. Trump erliess Strafzölle gegen amerikanische Handelspartner und senkte den Steuersatz für Unternehmen. Biden setzte hingegen vor allem auf Subventionen und Steueranreize. Im Rahmen seiner Inflation Reduction Act gibt es zum Beispiel Steuerabzüge auf Elektroautos, wenn die Endmontage der Autos in Nordamerika erfolgt. Die Folge ist ein regelrechter Investitionsboom in der verarbeitenden Industrie. Die USA ziehen ausserdem so viele ausländische Direktinvestitionen wie kein anderes Land an.

Ein Grossteil der zusätzlichen Investitionen fliesst in republikanisch geprägte Gebiete und in Swing States. Bei ausländischen Direktinvestitionen in neue Fabriken sowie bei Investitionen in die Fertigung von grünen Technologien liegen die Staaten im Südosten vorne. So wurden in Georgia, North und South Carolina beispielsweise neue Fabriken zur Herstellung von Elektroautos und Solarpanels eröffnet.

Die Analyse der Daten zeigt ausserdem, dass sich die Wirtschaft der Staaten im Nordosten im Vergleich zum Südosten schlechter entwickelt hat. Insbesondere die Stimmen aus Pennsylvania könnten am Ende aber wahlentscheidend sein. Ob sich die wirtschaftliche Entwicklung am Wahltag für die Demokraten auszahlt oder Bidens Wirtschaftspolitik von einem möglichen Präsidenten Trump vielleicht sogar rückgängig gemacht werden könnte, ist derzeit völlig offen.


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