Astronomen löschten den im All entdeckten «2018 CN41» wieder aus den Datenbanken. Selbst Astronomen verlieren den Überblick über die Vielzahl an nicht registrierten Objekte im Weltall. Welche Konsequenzen dies für die Astronomie haben könnte.
Peinlich peinlich, dürfte man sich nicht nur in Astronomenkreisen gesagt haben. Anfang Januar kündigte das Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik in Cambridge, Massachusetts die Entdeckung eines ungewöhnlichen Asteroiden an. Er war von einem türkischen Hobby-Astronomen erkannt worden, und dies rund 240 000 Kilometer von der Erde entfernt. Damit war er der Erde nähergekommen als der Mond und wichtig genug, ihn im Hinblick auf eine Kollision mit der Erde weiter zu beobachten.
Doch nicht einmal 17 Stunden später strichen die Wissenschafter in Harvard die Neuentdeckung wieder von der Liste – 2018 CN41 gab es nicht mehr. Oder besser: es hatte ihn nie gegeben, denn das seltsame Objekt war kein Asteroid, sondern ein Auto.
Denn das Objekt bewegte sich auf der gleichen Umlaufbahn wie der Tesla Roadster von Tesla-Chef Elon Musk , den seine Weltraumfirma Space-X am 6. Februar 2018 mit einer Rakete des Typs Falcon Heavy ins All hatte katapultieren lassen. An Bord des Cabrios sass eine Schaufensterpuppe namens Starman, ausgerüstet mit einem Raumanzug und einem Soundsystem.
Das Fahrzeug war auf einer Raketenstufe montiert worden und diente damals als Testladung für den Erstflug der Falcon Heavy. Nicht nur für Musk, sondern die gesamte Gemeinschaft der Tesla-Fans war dies ein Riesenspass, der zeigen sollte, dass die Elektroautos der Firma für die Ewigkeit gebaut waren.
Tatsächlich kam der Tesla Roadster 2010 mit dem Ziel auf den Markt, der Welt zu beweisen, dass Elektroautos nicht bloss unförmige Kästen ohne Spasspotenzial sein müssen. Das zweisitzige Cabriolet war beim britischen Sportwagenbauer Lotus ohne Motor, Auspuff und Tank gefertigt worden und wurde in der ersten Tesla-Fabrik in Menlo Park, Kalifornien mit gut 6800 Laptop-Akkus und einem Elektromotor ausgestattet.
Der Wagen mit seinen 215 Kilowatt Leistung und einem Gewicht von nur 1200 Kilogramm sorgte mit seinem enormen Kraftpotenzial rasch für Aufsehen und zog Pioniere der E-Mobilität magisch an. Nach einer Kleinserie von insgesamt 2450 Exemplaren beendete Tesla die Produktion und konzentrierte sich auf die Limousine Model S.
Vom Gebrauchtwagen zum Kultobjekt hochstilisiert
Nun müsste ein allein vor sich hin im Weltall kreisender Tesla Roadster kein weltbewegendes Objekt sein. Doch der fälschlicherweise für einen erdnahen Asteroiden gehaltene Elektrowagen ruft auf diese Weise seine ungewöhnlichen Eigenschaften als Raumgleiter in Erinnerung. Wie die für das Flugobjekt ins Leben gerufene Webseite whereisspaceman.com auflistet, handelt es sich um das Elektroauto mit der höchsten Laufleistung – allerdings ohne drehende Räder.
Sieben Jahre nach seinem Start in den Weltraum entfernt sich Starman in seinem Tesla Roadster mit einer Geschwindigkeit von 6433 km/h wieder von der Nähe der Erde weg, das sind 1,8 Kilometer pro Sekunde. Seine Werksgarantie, ausgelegt auf 36 000 Meilen (57 600 km) Laufleistung, hat der Wagen mit einer Gesamtdistanz von derzeit rund 5,6 Milliarden Kilometern überschritten.
So kommt das Fahrzeug nicht in den Genuss einer Gratisreparatur der mittlerweile nicht mehr funktionstüchtigen Batterie oder der zahlreichen Glasschäden an der Frontscheibe, die durch winzige Objekte im All entstanden sein dürften. Aktuelle Bilder des Roadster auf seiner Reise gibt es auch auf absehbare Zeit hin nicht.
Auch mit der im Wagen programmierten akustischen Unterhaltung für Starman ist es seit Jahren vorbei. Hätte sich die Antriebsbatterie nicht längst vollständig entleert, wäre Starman auf seinen fast fünf Umlaufbahnen um die Sonne knapp 700 000-mal in den Genuss des Songs Space Oddity von David Bowie gekommen. Das Hörbuch «Per Anhalter durch die Galaxie» von Douglas Adams wäre Starman hinter dem Steuer des Wagens nach bisher knapp 10500-maligem Abspielen vielleicht verleidet.
Immer mehr undefinierter Weltraumschrott sorgt für Irrtümer
Der Irrtum der Astronomen entzündet seither eine Diskussion über ein wachsendes Problem. Es herrscht keine Transparenz rund um die von öffentlichen Institutionen und privaten Firmen betriebenen Aktivitäten im Weltall, wenn man einmal von den Umlaufbahnen der meisten Satelliten absieht. Diese werden etwa von der U.S. Space Force überwacht. Der Weltraum ist jedoch fernab der Erde ein ungeregelter Bereich.
Astro-Wissenschafter warnen vor der wachsenden Zahl nicht registrierter Objekte. Diese könnten die Bemühungen behindern, die Erde von potenziell gefährlichen Asteroiden zu schützen. Und auf den Irrtum mit dem Tesla im All angesprochen, sagt Harvard-Astrophysiker Jonathan McDowell an einer Informationsveranstaltung in Maryland: «Im schlimmsten Fall kostet eine Raumsonde zur Erforschung eines Asteroiden eine Milliarde, nur um festzustellen, dass es sich gar nicht um einen Asteroiden handelt.»
Irrtümer gab es im Weltall schon früher, etwa 2007. Damals musste das Harvard-Smithsonian Center den Asteroiden namens 2007 VN84 wieder von der Liste streichen. Er entpuppte sich als die Raumsonde Rosetta der ESA, die auf ihrem Weg zum Kometen Tschurjumow-Gerassimenko im Schwerefeld der Erde Schwung aufgenommen hatte.
Astrophysiker McDowell gehört zu den Warnern der amerikanischen astronomischen Gesellschaft (AAS) vor immer mehr nicht registrierten Körpern im All. Die AAS fordert nun alle Teilnehmer von Weltraumprogrammen auf, ihre Aktivitäten zentral registrieren zu lassen. Das Register solle öffentlich zugänglich sein.
Für den türkischen Hobby-Astronomen, der anonym bleiben möchte, käme ein solches Zentralregister ungelegen. Er beschäftigt sich auch weiterhin mit kleineren Objekten im Weltraum, die bisher nicht identifiziert wurden.
«Ich bin immer noch etwas enttäuscht, dass es sich bei 2018 CN41 nicht um einen Asteroiden gehandelt hat», sagte er gegenüber dem Internetportal Astronomy. «Aber es war zumindest eine interessante Erfahrung. So konnten wir wenigstens wieder einen kleinen Körper aus der Datenbank eliminieren.»
Putzaktion im All geplant
Einen anderen Ansatz als das blosse Registrieren von Weltraumobjekten verfolgt das Projekt Clearspace-1 der europäischen Weltraumbehörde ESA. Sie beauftragte das deutsche Unternehmen OHB und die Schweizer Firma Clearspace mit einer Raumfahrtmission, die ein Verfahren zur Beseitigung von Weltraumschrott erproben soll.
Dabei soll ein Raumschlepper mit vier Greifarmen in einem ersten Versuch einen ausgedienten Satelliten zurück in die Erdatmosphäre befördern. Die Mission ist für das Jahr 2028 geplant. Die ESA finanziert das Projekt mit 90 Millionen Franken, weitere 30 Millionen sollen Privatinvestoren beisteuern.
Doch ausgerechnet ein anderes Stück Weltraummüll durchkreuzte im August 2023 die ursprünglichen Pläne. Das zunächst ausgewählte Objekt wurde von einem anderen Objekt getroffen, wodurch mehrere neue, kleinere Müllteile in seiner Umgebung entstanden. Clearspace-1 konzentriert sich nun auf einen anderen Satelliten als neues Versuchsobjekt. Ob dereinst auch Spaceman mit seinem Tesla per Greifarm eingefangen werden soll, ist jedoch nicht bekannt. Space-X äussert sich nicht zur Affäre 2018 CN41.