Sonntag, Oktober 27

Die Zürcher Stadt zählt fast 30 000 Einwohner, aber vielleicht schon bald keinen einzigen Halt eines Fernverkehrszugs mehr.

Der Bahnhof Dietikon ist eine Schlüsselstelle im Schweizer Eisenbahnnetz.

Alle überregionalen Züge von Zürich nach Basel, Bern, Lausanne und Genf sowie selbst der TGV nach Paris, der ICE nach Berlin und der Nachtzug nach Amsterdam verkehren über die Stadt. Dazu kommen viele Güterzüge. Dietikon teilt sich mit dem Aargauer Nachbarn Spreitenbach den grössten Rangierbahnhof der Schweiz.

Obwohl Dietikon also bestens erschlossen ist, ist es nur sehr beschränkt möglich, von dort mit dem öV, ohne umzusteigen, in die Ferne zu gelangen. Praktisch alle Schnellzüge rauschen ohne Halt durch. Nur ein Interregio, der IR36 zwischen Basel und Zürich Flughafen, hält in Dietikon. Dabei zählt die Stadt immerhin 28 000 Einwohner.

Die Dietiker befürchten nun, auch noch ihren letzten überregionalen Zug zu verlieren. Die SBB und der Bund planen eine umfassende Erweiterung des Netzes, doch in diesem Masterplan, dem «Ausbauschritt 2035», könnte es für Schnellzugshalte in Dietikon keinen Platz mehr geben. Dies heisst es in einer Anfrage, die im Zürcher Kantonalparlament eingereicht worden ist.

Ihr Autor ist der FDP-Kantonsrat Philipp Müller. Müller ist auch Stadtrat von Dietikon. Die Abkoppelung sei ein riesiges Thema in der Stadt, sagt er. «Wir wissen, dass letztlich der Bund und die SBB entscheiden werden. Aber wir müssen alles unternehmen, damit unsere Verbindungen nicht verschlechtert werden.» Der Stadtrat habe sogar Bundesrat Albert Rösti angeschrieben.

Aarau ist besser erschlossen

Auch die Grünliberale Sonja Gehrig aus Urdorf hat die Anfrage im Kantonsrat unterzeichnet. «Im Umkreis von 3 Kilometern um Dietikon leben 95 000 Menschen», sagt sie. «Bis 2050 soll die Einwohnerzahl um weitere 30 Prozent ansteigen.»

Das Limmattal sei als Wachstumsregion im Zürcher Richtplan eingetragen, ausserdem wolle der Kanton Zürich den Verkehr vom Auto auf Züge, Busse und Trams umlagern. «Wenn man diese beiden Ziele ernsthaft verfolgt, dann müssen wir zwingend die Anbindung an die Infrastruktur sicherstellen», sagt Gehrig.

Die SP-Kantonsrätin Rosmarie Joss ergänzt, es gehe um eine ungleiche Behandlung der regionalen Zentren. «Es ist offensichtlich kein Problem, dass Fernverkehrszüge an Bahnhöfen wie Baden, Brugg, Rheinfelden, Aarau, Langenthal oder Burgdorf halten», sagt die Dietikerin. «Aber bei uns fahren bis auf einen alle durch, und jetzt soll auch dieser noch gestrichen werden.»

Allerdings ist Dietikon mit der S-Bahn sehr gut erschlossen. Bis zum Zürcher Hauptbahnhof sind es nur 11 Minuten, und von dort gibt es beste Verbindungen in alle Himmelsrichtungen. Für Joss ist das aber kein Grund, Dietikon aus dem Fernverkehrsnetz zu streichen. «Thalwil liegt auch nicht weit entfernt vom HB, trotzdem halten dort Fernverkehrszüge.»

Bei Dietikon komme hinzu, dass die Gemeinde sehr vielen Emissionen der SBB ausgesetzt sei, wegen des Rangierbahnhofs, aber auch wegen der Schnellzüge. «Es gibt eine riesige Infrastruktur auf unserem Gemeindegebiet, aber wir haben davon fast nichts», sagt Joss. Eigentlich sei das gegenüber den Dietikerinnen und Dietikern ein Affront.

Philipp Müller, der Dietiker Stadt- und Kantonsrat, sagt, er kenne einige Dietiker, die in Basel arbeiteten und dazu den Direktzug nähmen. «Um künftig nach Basel zu gelangen, müssten sie zuerst 11 Minuten mit der S-Bahn in die entgegengesetzte Richtung zum HB fahren und dort in einen Zug einsteigen, der dann ohne Halt wieder an Dietikon vorbeifährt. Das kann es nicht sein.» Das Risiko bestehe, dass diese Pendler künftig auf das Auto umsteigen würden.

Mit ihrer Anfrage, so hoffen die Kantonsparlamentarier, soll der Regierungsrat auf die Problematik aufmerksam gemacht werden.

Offenbleiben muss vorerst, wie die SBB auf die Bedenken der Dietiker reagieren. Ein Sprecher schreibt auf Anfrage der NZZ, man nehme zum jetzigen Zeitpunkt zu einzelnen Angeboten oder Planungen keine Stellung.

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