Dienstag, Dezember 24

Das Kabinett der syrischen Übergangsregierung nimmt Form an: Der Rebellenführer Ahmed al-Sharaa vergibt wichtige Posten an Loyalisten. Gleichzeitig übt er sich im Aufbau internationaler Beziehungen – und darf sich über ein Geschenk aus den USA freuen.

Hunderte Männer haben sich am Sonntag in langen Schlangen vor einem Verwaltungsgebäude in Damaskus aufgereiht, manche tragen Sturmgewehre. Szenen wie diese spielen sich seit einigen Tagen in ganz Syrien ab. Bei den Männern handelt es sich um ehemalige Soldaten der Armee des gestürzten Asad-Regimes. Nun wollen sie sich ihre Generalamnestie bestätigen lassen, die ihnen von der syrischen Übergangsregierung versprochen wurde. Wer sich in den Registrierungszentren meldet und seine Waffe abgibt, erhält im Gegenzug eine Karte, die ihn vor Strafverfolgung und Verhaftung schützt.

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Laut offiziellen Angaben haben sich bereits 35 000 Ex-Soldaten registrieren lassen – und es dürften noch mehr werden. Dieser sogenannte Versöhnungsprozess zeigt, dass die neuen Machthaber in Syrien nach dem Umsturz schnell für Ruhe und Ordnung sorgen und ihre Macht festigen wollen. Dazu gehört auch der Plan, die zahlreichen Rebellenmilizen aufzulösen und in eine neue syrische Armee zu integrieren.

Seit dem Wochenende ist auch klar, wer diesen Prozess beaufsichtigen soll. Am Samstag hat der Rebellenführer Ahmed al-Sharaa, der seinen Kampfnamen Abu Mohammed al-Julani inzwischen abgelegt hat, Murhaf Abu Kasra zum Verteidigungsminister ernannt. Wie Sharaa gehört Kasra zur Führungsriege der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) aus Idlib, die den Aufstand gegen Asad angeführt hatte. Kasra soll in den vergangenen Jahren mehrere militärische Operationen befehligt haben.

Kopfgeld auf Sharaa wird aufgehoben

Neben der inneren Sicherheit scheinen vor allem die Aussenpolitik und die Diplomatie weit oben auf der Prioritätenliste der Rebellenregierung zu stehen: So wurde mit Asaad Hassan al-Shaibani am Samstag ein neuer Aussenminister ernannt. Zuvor hatte Shaibani die Abteilung für politische Angelegenheiten in der sogenannten Syrischen Heilsregierung geleitet, die seit 2017 das von der HTS kontrollierte Gebiet in Idlib verwaltete. In dieser Rolle arbeitete der 37-Jährige etwa mit der Uno und anderen internationalen Organisationen zusammen.

Vorderhand ist es aber immer noch der HTS-Chef Ahmed al-Sharaa, der als Gesicht des neuen Syrien auftritt. Der ehemalige Kaida-Kämpfer hat sein Khakihemd inzwischen gegen Anzug und Krawatte eingetauscht und empfängt dieser Tage Diplomaten am laufenden Band. Am Montag war der jordanische Aussenminister zu Besuch in Damaskus, am Sonntag der libanesische Drusenführer Walid Jumblatt. Sharaa ist dieser Tage offensichtlich sehr darum bemüht, Sympathien auf dem internationalen Parkett einzuholen.

Ebenfalls am Sonntag traf Sharaa den türkischen Aussenminister Hakan Fidan, der Hilfe beim Wiederaufbau versprach und gemeinsam mit dem Rebellenführer dafür plädierte, dass alle internationalen Sanktionen gegen Syrien aufzuheben seien. Fidan und Sharaa dürften nicht zuletzt über die Lage im Nordosten Syriens gesprochen haben, wo von der Türkei unterstützte Milizen nach wie vor versuchen, die kurdischen Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zurückzudrängen.

Während die Türkei offiziell das Ziel verfolgt, die SDF zu eliminieren, will Sharaa diese entwaffnen und ebenfalls in die neue syrische Armee integrieren. Klar ist: Dem kurdischen Autonomieprojekt in Syrien stehen unsichere Zeiten bevor. Am Wochenende haben die SDF signalisiert, dass sie zu Verhandlungen bereit seien – allerdings nur im Fall eines Waffenstillstands mit den protürkischen Milizen.

Über einen Besuch dürfte sich Sharaa derweil ganz besonders gefreut haben: Am Freitag bestätigte die Nahostbeauftragte des Weissen Hauses, Barbara Leaf, nach dem Treffen mit dem Rebellenführer, dass die USA das auf ihn ausgesetzte Kopfgeld von 10 Millionen Dollar aufgehoben hätten. Sharaa sei «pragmatisch» und habe versprochen, dass Terrorgruppen in Syrien keine Gefahr für die USA und ihre Partner darstellen würden, sagte Leaf. Sharaas HTS wird allerdings von Washington, der EU und der Uno nach wie vor als Terrororganisation eingestuft.

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