Freitag, Oktober 18

Kurz vor der Wahl wirkt Donald Trumps Kampagne zunehmend bizarr: Er hetzt wie ein Autokrat, tanzt für seine Fans und redet wirres Zeug. Trotzdem zeigen seine Umfragewerte nach oben. Deshalb verschärft auch Kamala Harris ihre Rhetorik. Der Showdown wird heiss.

Nach dem Attentat auf Donald Trump im Juli gab sich der ehemalige Präsident zunächst geläutert. Er wolle das Land einen und versöhnen, gelobte er. Doch diese guten Vorsätze warf er schnell über Bord. Zunächst verschärfte er seine Rhetorik gegen Migranten. Trump und sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance verbreiteten etwa Lügen über Haitianer, die angeblich die Haustiere der Einheimischen aufessen würden. Kamala Harris habe Tausende von verurteilten Mördern ins Land gelassen, behauptete der republikanische Präsidentschaftskandidat kürzlich an einem Wahlkampfauftritt: «Sie lassen unsere Kriminellen wie Babys aussehen. Das sind kaltblütige Mörder. Sie kommen in eure Küche und schneiden euch die Kehle durch.»

Am Freitag besuchte Trump die Stadt Aurora in Colorado – ein Vorort von Denver. Seit Wochen hatte sich das unbestätigte Gerücht verbreitet, dass eine venezolanische Gang die Kontrolle über die Ortschaft übernommen habe. Trump versprach, hart gegen kriminelle Migranten vorzugehen. Er behauptete indes, dass diese ganz Amerika besetzen würden. «Wir sind besetzt von einer kriminellen Kraft.» Aber der Wahltag am 5. November werde ein «Befreiungstag» sein. Er werde alle amerikanischen Städte, die von illegalen Migranten «erobert» worden seien, befreien. Über Harris meinte er: «Sie ist eine Kriminelle.»

Mit dem Militär gegen die «inneren Feinde»

Noch schlimmer als die Migranten seien «die Leute im Inneren», sagte Trump am Wochenende in einem Interview mit dem konservativen Fernsehsender Fox News. Er wurde danach gefragt, ob er nach der Wahl mit chaotischen Zuständen oder Gewalt rechne. Nicht durch die eigenen Anhänger, antwortete Trump. Aber es gebe «einige kranke Leute, radikale linke Wahnsinnige», die Probleme bereiten könnten. Aber diese sollten von der Nationalgarde oder «falls notwendig» durch das Militär in die Schranken gewiesen werden.

Zu den «Wahnsinnigen» zählte Trump allerdings nicht nur linke Demonstranten, sondern etwa auch einflussreiche Politiker wie den demokratischen Kongressabgeordneten Adam Schiff. Dieser sass in der Untersuchungskommission zum Sturm auf das Capitol und kritisiert Trump scharf für seine Rolle am 6. Januar 2021. Die USA hätten innere und äussere Feinde, sagte der republikanische Präsidentschaftskandidat. «Meiner Meinung nach sind die inneren Feinde gefährlicher als China, Russland und alle anderen Länder.»

Während sich Trump mit seiner verschärften Rhetorik als resoluter Anführer empfiehlt, sorgt er indes auch immer wieder mit seltsamen Auftritten für Schlagzeilen. Besonders bizarr endete eine Fragestunde mit Anhängern in Pennsylvania am Montag. Weil die Luft in dem Gebäude stickig war, brach zunächst eine Person im Raum zusammen und brauchte eine medizinische Versorgung. Um die Zeit zu überbrücken, sangen die Trump-Anhänger eines der liebsten Lieder ihres Idols: die Country-Hymne «God bless America». Als später eine zweite Person im Publikum ihr Bewusstsein verlor, schlug Trump vor: «Lasst uns ein Musikfest daraus machen.»

Der republikanische Präsidentschaftskandidat wies seine Mitarbeiter an, seine liebste Statistik gross einzublenden: ein Diagramm, das aufzeigt, wie stark die Migration über die Südgrenze zu Mexiko nach dem Amtsantritt von Joe Biden zugenommen hat. Dann meinte Trump: «Spielt das ‹Ave Maria› von Pavarotti. Spielt es laut.» Nun wollte er nicht mehr zu den Fragen zurückkehren. «Lasst uns einfach Musik hören.»

Über eine halbe Stunde lang wippte und schaukelte der 78-Jährige zu seinen Lieblingsliedern: «It’s a man’s world» von James Brown, «Time to say goodbye» von Andrea Bocelli gesungen oder «Y. M. C. A» von den Village People. Die meisten Zuschauer im Saal blieben und machten mit. Auch die Gouverneurin von South Dakota, die den Anlass eigentlich moderieren sollte, versuchte mit der Musik mitzugehen.

Eine Strategie der «widerlichen» Rhetorik

Kamala Harris nutzte die Gelegenheit, um Trumps psychische Gesundheit infrage zu stellen. «Ich hoffe, er ist in Ordnung», schrieb die Demokratin auf X. «Es war seltsam», kommentierte die Journalistin Maggie Haberman auf CNN. Sie berichtet für die «New York Times» seit längerem über Trump. «Er macht solche seltsamen Dinge. Aber gewöhnlich macht er sie im Privaten oder auf der Terrasse in Mar-a-Lago, wenn er auf einem iPad den DJ spielt.»

Allerdings fällt auch auf, dass Trump bei seinen Wahlkampfreden oder auch in Interviews vermehrt in zusammenhangslose Sequenzen abdriftet. So sagte er kürzlich vor Wirtschaftsleuten in Detroit: «Wir sind das Sparschwein, das alle wollen. Eines Tages werden wir den Weg weiter gehen. Es war ein wundervoller Weg. Es war eine schwierige Zeit. Fast die vergangenen vier Jahre werden wir sein. Ich sage euch, wenn ich gewählt werde, werden wir ein stärkeres Sparschwein als je zuvor sein. Wir werden kein Idiot mehr sein.»

Bisher haben Trump jedoch weder seine autoritäre Rhetorik noch seine seltsamen Auftritte geschadet. In den Umfragen konnte er in den vergangenen Wochen gegenüber Harris eher wieder leicht zulegen, auch wenn es ein Kopf-an-Kopf-Rennen bleibt. Der konservative Kolumnist Jonah Goldberg sieht in Trumps zunehmend «widerlicher» Tonlage gar eine bewusste Strategie, um die eigenen Wähler zu mobilisieren. Solche, die für Trump stimmen würden, aber nicht sonderlich motiviert seien, zur Urne zu gehen. Diese möchte der Republikaner in Bewegung bringen.

Harris hingegen hat sich bisher stark auf die unentschlossenen Wähler in der Mitte konzentriert. Jene, die wählen wollen, aber nicht sicher sind, für wen sie stimmen möchten. Nun verschärft auch sie ihre Tonart. Bei einer Rally in Pennsylvania zeigte sie ihren Anhängern einen Video-Clip in dem Trump von den «inneren Feinden» spricht, um die sich das Militär kümmern sollte. Harris meinte über ihren Rivalen: «Er wird jeden als Feind unseres Landes sehen, der ihn nicht unterstützt oder sich seinem Willen nicht beugt.» In Anspielung auf seine psychische Verfassung fügte die Vizepräsidentin hinzu: «Donald Trump ist zunehmend unstabil und verrückt, und er strebt nach unbegrenzter Macht.»

Das Attentat im Juli hat nichts geändert. Die Wahl im November wird zum erwartet heissen Showdown. Und es ist fraglich, ob sie so vergnüglich enden kann wie Trumps Discoabend auf der Wahlkampfbühne.

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