Freitag, Februar 7

Eines zumindest kann man den rund zwanzig parteilosen Kandidaten für den Bundesrat nicht absprechen, im Gegensatz zu all den Mitte-Politikern, die abgesagt haben: die Lust aufs Amt.

Mitte Januar fuhr Ebby Guirao wie so oft Auto, hörte Radio wie immer, und wieder einmal kam diese Meldung: Ein Mitte-Politiker hat abgesagt für den Bundesrat. Die Frau Anfang vierzig aus dem Kanton Freiburg konnte es kaum glauben: Will denn niemand regieren?

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Also informierte Ebby Guirao sich, wie man Bundesrat wird. Auf dem Online-Portal der Schweizer Regierung las sie dies: «Um in den Bundesrat gewählt zu werden, genügt es, die Schweizer Staatsbürgerschaft und das Stimmrecht zu haben.» Guirao hat beides. Und kandidiert nun für den Bundesrat.

Ein Polizeisprecher und eine erfolglose Thurgauerin

Damit ist die Kleinunternehmerin nicht die einzige parteilose, also «wilde» Kandidatin, die Ende März nach dem Rücktritt von Viola Amherd das Verteidigungsdepartement übernehmen will. Auch der Sprecher der Genfer Kantonspolizei bewirbt sich, ausserdem eine seit vier Jahrzehnten notorisch erfolglose Kandidatin aus dem Thurgau.

Insgesamt haben sich zur Bundesratswahl am 12. März bis Mittwochabend 22 Bürger beworben, wie die Parlamentsdienste mitteilen. Ihre Namen werden eher zufällig durch Medienberichte bekannt – die Verwaltung kommuniziert sie nicht.

Ebby Guirao aus dem Dorf Vuissens bei Yverdon-les-Bains war eine der ersten Kandidatinnen. Sie schickte ihre Bewerbung am 21. Januar an den Bund, noch bevor die Mitte-Partei nach lauter Absagen ihren ersten Kandidaten – Markus Ritter – für die Amherd-Nachfolge hatte und lange bevor sich in Martin Pfister zumindest noch ein zweiter Mitte-Mann fand. Eine Frau fand die Partei trotz allen Anstrengungen bis zuletzt nicht.

«Ich bin zutiefst motiviert vom Wunsch, für das Gemeinwohl zu agieren und die Interessen unseres Volkes zu vertreten», schrieb Guirao in ihrer Bewerbung. Dazu verschickte sie ihren Lebenslauf, ein Empfehlungsschreiben und eine Arbeitsbestätigung als Gebäudemalerin, ihr gelernter Beruf.

Guirao, die mittlerweile einen Ein-Frau-Betrieb für Glasfolien hat, sah im Zaudern der Mitte-Politiker eine Chance für Leute wie sie. «Wenn sich niemand bewerben will, ist das vielleicht eine Möglichkeit, zu zeigen, dass auch wir dazu fähig sind.»

«Wir», das ist für Guirao «die Bevölkerung», es sind Leute ohne Parteimitgliedschaft und aktive politische Erfahrung. Alle Politiker hätten einmal angefangen wie sie, sagt sie, als Unternehmerin, mit einer anderen Arbeit oder einem Studium. Auch wenn natürlich noch niemand seine politische Karriere im höchsten Amt des Landes begonnen habe.

Mehr Arbeiter statt Anwälte im Parlament

Was genau treibt die wilden Kandidaten an? «Ich mache das nicht nur zum Spass», versichert Guirao. Sie wolle zeigen, dass es Alternativen gebe. Sie fände es gut, wenn im Parlament nicht nur Bauern und Anwälte sässen, sondern auch Handwerker und Arbeiter besser vertreten wären. Das würde andere Perspektiven ins Parlament bringen, glaubt Guirao, die etwa für die 13. AHV-Rente stimmte.

Ähnlich äusserte sich der Genfer Kandidat Alexandre Brahier in der «Tribune de Genève». Er wolle neue Energie in die Regierung einbringen, sagte er. Die Erfahrungen eines jeden Einzelnen würden zählen, auch wenn man vorher keinerlei Politik gemacht habe. Brahiers Arbeitgeber zeigte sich wenig begeistert von der Kandidatur – er will abklären, ob sie mit seiner Funktion als Polizeisprecher vereinbar ist.

Dieses Problem hat Ebby Guirao mit ihrer Kleinfirma nicht. Sie beteuert, dass sie mit ihrer Kandidatur nicht für ihre Firma werben wolle. Im Gegenteil, sie fürchte sogar negative Konsequenzen. «Sie beschämen die Freiburger», schrieb ein anonymer E-Mail-Schreiber, der sich nur als ehemaliger Mediziner am Waffenplatz Freiburg vorstellte.

Die Parlamentsdienste führen keine Statistik

Seit der Gründung der modernen Schweiz 1848 kandidieren immer wieder Bürger für den Bundesrat. Wer, wie viele, mit welcher Motivation – all das ist praktisch unbekannt, weil die Parlamentsdienste die Kandidaturen nicht systematisch erfassen. Am Wahltag werden die Unterlagen der Bürger-Kandidaten in der Bundesversammlung in Bern ausgelegt, das war’s. Gewählt wurde noch keiner von ihnen.

Ebby Guirao wird die Wahl am 12. März zu Hause am Fernsehen verfolgen. Denn die wilden Kandidaten dürfen am Wahltag nicht ins Parlament. «Was soll ich nach Bern fahren, um vor einer verschlossenen Tür zu stehen?», sagt Guirao. Sie will jedoch nicht von vorneherein die Wahl abhaken: «So winzig meine Chance auch ist, sie ist da.»

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