Der Europameister über 10 000 Meter betont immer wieder, er wolle der erste Flüchtling sein, der eine Olympiamedaille gewinne. In Paris erhält der 25-Jährige die Chance dazu.

Die Schweiz werde er in Paris im Herzen tragen, sagt Dominic Lobalu. Auf dem Leibchen wird seine neue Heimat fehlen. Lobalu, 25 Jahre alt, hat sich entschieden, die Einladung des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) anzunehmen und für das Flüchtlingsteam an den Sommerspielen teilzunehmen.

Die Einladung dazu sprach das IOK vor zwei Wochen aus, einen Tag nachdem Lobalu an den EM in Rom Gold über 10 000 Meter gewonnen hatte – für die Schweiz. Anders als der Leichtathletik-Weltverband World Athletics erlaubte das IOK Lobalu einen Start unter Schweizer Flagge nicht. Das IOK begründete den Entscheid so: «Jeder Wettkämpfer bei Olympischen Spielen muss Staatsangehöriger des Landes sein, das ihn meldet.» Lobalu könnte frühestens 2031 Schweizer Bürger werden.

Die Geschichte des im heutigen Südsudan geborenen Läufers ist kompliziert. Als Kind flüchtete er nach Kenya, dort schaffte er es dank seinem Talent ins internationale Refugee-Team, doch wurde er mehr ausgebeutet als gefördert. 2019 setzte er sich an einem Wettkampf in Genf ab, über Umwege landete er in St. Gallen, wo er in Markus Hagmann einen Trainer, Mentor und Freund fand. Dort wurde er zum Weltklasse-Läufer.

Ist die Causa Lobalu eine Retourkutsche an World Athletics?

Seit vergangenem Mai ist Lobalu für die Schweiz an Grossanlässen startberechtigt, für die Olympischen Spiele gilt das nach dem IOK-Entscheid jedoch nicht. Swiss Athletics war über das Verdikt zunächst unglücklich, weil normalerweise die Fachverbände die Nominationen vornehmen.

Obendrein vermutete der Schweizer Verband, dass die Causa Lobalu vom IOK als Retourkutsche an World Athletics benutzt wurde. Das IOK lässt in Paris Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Weissrussland unter neutraler Flagge starten. In der Leichtathletik sind sie jedoch nicht startberechtigt, weil der Fachverband diese Länder wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen hat.

Der Entscheid, für das Flüchtlingsteam zu starten, kam bei Lobalu nach Verhandlungen und Absprachen mit dem IOK zustande. Es ging darum, die besten sportlichen Voraussetzungen zu schaffen. Für Lobalu und sein Umfeld war wichtig, dass er in Paris von Hagmann betreut wird.

Ausserdem kann er auf den Support des Swiss-Athletics-Staff zählen, zum Beispiel in der Physiotherapie. Ein Diskussionspunkt war auch, ob Lobalu in Paris mit den Schuhen seines Ausrüsters laufen darf; das Flüchtlingsteam wird von einer anderen Marke ausgestattet. Aus dem Umfeld von Lobalu war am Freitag zu vernehmen, ein Start im Flüchtlingsteam sei zwar nur die zweitbeste, aber immer noch eine gute Lösung.

Hagmann darf Lobalu in Paris betreuen

Lobalu muss die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele nicht mit dem Flüchtlingsteam absolvieren, sondern darf zusammen mit dem Trainer Hagmann weiterarbeiten. An diesem Wochenende startet er an den Schweizer Meisterschaften in Winterthur über 1500 m. Danach stehen ein Höhentrainingslager im Engadin sowie mindestens noch ein Renneinsatz, am 20. Juli in der Diamond League in London, auf dem Programm.

Lobalu wird in Paris über 5000 m an den Start gehen; in Rom hat er über diese Strecke die Bronzemedaille gewonnen. Über 10 000 m ist er Stand jetzt nicht qualifiziert. Lobalu sagte am Freitag: «Ich wäre gerne für meine neue Heimat gelaufen. Trotzdem geht für mich ein Traum in Erfüllung.» Er hat nie verhehlt, dass es sein grosses Ziel ist, als erster Flüchtling eine Olympiamedaille zu gewinnen.

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