Mittwoch, März 19

Die zweite Woche in Roland-Garros findet ohne Schweizer Beteiligung statt. Stricker, der grösste Hoffnungsträger, verliert bei seinem Comeback nach sechs Monaten Verletzungspause in Surbiton 6:7, 3:6 gegen Leandro Riedi. Trotzdem bleibt Wimbledon sein Ziel.

Es ist so etwas wie eine Tradition, dass Swiss Tennis und sein Präsident René Stammbach die Schweizer Medienvertreter am Ende der ersten Turnierwoche von Roland-Garros zum Meinungsaustausch und gemeinsamen Abendessen einladen. Doch die Lücken an den Tischen im Pariser Ausgehviertel Quartier Latin sind grösser geworden. Seit Roger Federer zurückgetreten ist und Stan Wawrinka seinen Tritt verloren hat, hat das mediale Interesse am Tennissport in der Schweiz spürbar nachgelassen.

Wie schon im vergangenen Jahr waren ab der dritten Runde des Pariser Hauptturniers keine Schweizerin und kein Schweizer mehr im Teilnehmerfeld. Viktorija Golubic scheiterte in der zweiten Runde an der ehemaligen Siegerin Barbora Krejcikova (WTA 26). Für Stan Wawrinka waren die Lichter in der Ville Lumière bereits in der Nacht zuvor gegen den Russen Pawel Kotow (ATP 56) ausgegangen.

Zahlen und Statistiken aus einer anderen Ära

Noch bis vor kurzem war die Schweizer Beteiligung in der zweiten Woche der Major-Turniere gewissermassen garantiert gewesen. Roger Federer erreichte seit seinem ersten Major-Titel im Juli 2003 in Wimbledon bei 64 Grand-Slam-Teilnahmen nur dreimal nicht zumindest die zweite Turnierwoche. Das sind Zahlen und Statistiken aus einer anderen Ära. Federers fast schon übermenschliche Konstanz ist eine Erinnerung an eine längst vergangene Zeit.

Seither sorgte einzig Dominic Stricker in der Schweiz für so etwas wie eine kleine Tennis-Euphorie. Im vergangenen August erreichte er am US Open als Qualifikant die vierte Runde, dort scheiterte er am Amerikaner Taylor Fritz (ATP 9). Für Schlagzeilen sorgte aber vor allem sein Sieg in der zweiten Runde gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas (7). Die Bilder, wie Stricker beim Seitenwechsel vor dem entscheidenden Aufschlagsspiel auf der Bank sass und Witney Houstons «I Will Dance with Somebody» mitsang, gingen um die Welt und sorgten für einen Popularitätsschub für den 21-jährigen Berner.

Doch das Singen ist Stricker mittlerweile vergangen. Nach dem US Open absolvierte er noch dreizehn Partien und verlor neun davon. An den Swiss Indoors in Basel gelang ihm gegen den Norweger Caspar Ruud (8) der zweite Sieg gegen einen Top-Ten-Spieler. Doch bereits da behinderten Stricker diffuse Rückenprobleme. An den Next-Gen-Finals in Jeddah zog er sich dann gegen den Serben Hamad Medjedovic (110) zurück. Seither hat er nicht mehr wettkampfmässig Tennis gespielt.

Am Montagmorgen versandte Alessandro Greco, der Leistungssportchef von Swiss Tennis, eine SMS. Unter dem Titel «grundsätzlich eine positive Woche aus Schweizer Sicht» resümierte er die Aktivitäten der Schweizer Athleten in den letzten sieben Tagen. Darunter zu finden: Susan Bandecchi spielt immer besser (Finalniederlage in einem 40 000er-Turnier). Leonie Küng wieder unter den Top 300 des WTA-Rankings. Valentina Ryser als 235 WTA in der Wimbledon-Qualifikation. Henry Bernet qualifiziert sich für das Hauptfeld des Junioren-Turniers in Roland-Garros. Und ganz am Schluss: Stricker gibt in Surbiton sein Comeback.

Comeback gegen den Tennis-Zwilling

Das Turnier im Südwesten Londons gehört zur Challenger-Tour, der zweithöchsten Turnierserie der ATP. Es bildet den Auftakt zur kurzen Rasen-Saison, die Anfang Juli mit den All England Lawn Tennis Championships von Wimbledon endet. Sie sind das grosse Ziel von Dominic Stricker. Bis dann hofft er den Tritt wieder gefunden zu haben.

Beim ersten Match seit einem halben Jahr traf Stricker ausgerechnet auf Leandro Riedi. Der Zürcher ist so etwas wie der Tennis-Zwilling von Stricker. Die Karrieren der beiden entwickelten sich im Gleichschritt und gipfelten vor mittlerweile vier Jahren im Junioren-Final von Roland-Garros, den Stricker gewann. Es war das erste Mal, dass Riedi ein breiteres Publikum auf sich aufmerksam machte. Damit weckte er die Hoffnung, dass es im Schweizer Tennis auch nach dem Ende von Federers und Wawrinkas Karriere Leben geben wird.

Noch haben die beiden Nachwuchshoffnungen die hohen Erwartungen nicht erfüllen können. Der Zürcher Riedi ist die Nummer 151 im Ranking, Stricker noch die 143. Stricker war die lange Pause anzumerken. Er verlor das Bruder-Duell in 1:26 Stunden 6:7, 3:6. Doch bleibt ihm noch etwas Zeit. Wegen seiner Verletzung profitiert er in den kommenden Monaten von einem geschützten Ranking, das ihm den Zugang zu grösseren Turnieren öffnet. Nun wird er sein Comeback in Nottingham fortsetzen.

Doch viel Zeit bleibt Stricker nicht, das geschützte Ranking gilt für neun Turniere. Schon am US Open muss er die 205 Weltranglisten-Punkte verteidigen, die ihm der Rausch des vergangenen Herbsts beschert hat. Kann er die nicht möglichst bald bestätigen, wird er im Ranking weit zurückfallen. Es ist keine einfache Zeit für das Schweizer Tennis und seine Hoffnungsträger.

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