In seiner Inaugurationsrede beschwört der neue US-Präsident die nationale Einheit und den Pioniergeist – kündigt aber auch einen radikalen Kurswechsel an.
Vor vier Jahren gingen ganz andere Bilder aus der Rotunde des Capitols um die Welt. Wütende Anhänger von Donald Trump zogen am 6. Januar 2021 durch den Raum unter der grossen Kuppel des Parlamentsgebäudes auf der Suche nach Abgeordneten, die den Wahlsieg von Joe Biden zertifizieren wollten. An gleicher Stelle legte Trump, der zum Sturm auf das Capitol angestachelt hatte, am Montag nun den Eid für seine zweite Amtszeit ab.
In seiner Inaugurationsrede versuchte Trump auch versöhnliche Passagen einzustreuen. So erinnerte er daran, dass die USA am Montag auch den jährlichen Gedenktag für den Anführer der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Martin Luther King, begingen. «Wir werden seinen Traum wahr machen. Die nationale Einheit kehrt jetzt zurück nach Amerika.» Er selbst wolle in die Geschichte als «Friedensstifter und Einiger» eingehen.
Auf einer göttlichen Mission
Gleichzeitig blieb Trump aber auch Trump. In seiner ersten Inaugurationsrede vor acht Jahren hatte er ein düsteres Bild der USA skizziert. Zu viele Mütter und Kinder würden in Armut leben, zerfallende Fabriken zeichneten wie Grabsteine die Landschaft, und in den Strassen trieben kriminelle Gangs ihr Unwesen. «Dieses amerikanische Blutbad ist jetzt zu Ende», versprach Trump damals. Ähnlich sprach er auch jetzt von einem Land im «Niedergang», das er nun in eine «goldene Ära» führen werde. Die USA würden unter ihm «grossartiger, stärker und aussergewöhnlicher als je zuvor» sein.
Gleichzeitig griff Trump die Biden-Regierung scharf an, ohne jedoch Namen zu nennen. Über viele Jahre habe ein «radikales und korruptes Establishment» die Bürger um ihren Wohlstand gebracht. Zudem bezeichnete er die Anklagen gegen ihn als eine «bösartige Instrumentalisierung der Justiz». Die Gegner seiner Sache hätten versucht, ihm seine Freiheit und gar sein Leben zu nehmen. Aber nach dem Attentat gegen ihn sei er überzeugt: «Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder grossartig zu machen.»
Er werde aus den USA wieder eine «wachsende Nation» machen, die ihren Wohlstand und ihr Territorium erweitere, versprach Trump. Unter anderem bekräftigte er seinen Anspruch auf den Panama-Kanal: «Wir werden ihn zurückholen.» Grönland erwähnte er hingegen nicht. Der angehende Präsident beschwor dabei den amerikanischen Pioniergeist: «Wir werden unsere Flagge auf dem Mars aufstellen.» Ambitionen seien das Lebenselixier einer grossen Nation.
Regieren mit Notrecht
Trump machte klar, dass er eine radikale Kehrtwende weg von der Politik seines Amtsvorgängers vollziehen wird. Als er vor acht Jahren überraschend die Präsidentschaftswahl gewann, kam er völlig unvorbereitet an die Macht. Am Tag seiner Inauguration unterzeichnete er damals bloss eine einzige Verordnung. Dieses Mal wird Trump in den ersten Amtstagen angeblich rund hundert «executive orders» signieren.
In seiner Rede skizzierte er am Montag die wichtigsten Massnahmen. Einerseits verkündete er einen Notstand an der Südgrenze zu Mexiko und die Entsendung von Truppen dorthin. «Alle illegalen Grenzübertritte werden sofort gestoppt.» Zudem beginne seine Regierung damit, «Millionen von kriminellen Ausländern» auszuschaffen. Die ausländischen Drogenkartelle erklärte der Präsident zu Terrororganisationen. Zudem würden die USA zur «Bleibt in Mexiko»-Politik zurückkehren. Wie in seiner ersten Amtszeit werden Schutzsuchende künftig wieder in Mexiko auf ihren Asylentscheid warten müssen.
Die Ausrufung eines Notstands kündigte Trump auch in der Energieversorgung an. Damit will er vermutlich Umweltvorschriften umgehen, um die Erdöl- und Gasförderung anzukurbeln. «Die USA werden wieder eine reiche Nation sein, und dieses flüssige Gold unter unseren Füssen wird uns dabei helfen.»
Im Gegensatz zu seinem Wahlkampf schien der neue amerikanische Präsident sich hingegen von der Idee eines juristischen Rachefeldzugs gegen seine politischen Gegner zu distanzieren. Er werde für eine faire und unparteiische Justiz sorgen, versprach Trump. «Nie wieder wird die immense Macht des Staates instrumentalisiert, um politische Gegner zu verfolgen.» Diesem Versprechen scheint Joe Biden hingegen nicht zu vertrauen. Als eine seiner letzten Amtshandlungen begnadigte er am Montag mehrere Personen präventiv. Unter anderem handelt es sich hierbei um die Abgeordneten, die sich an der parlamentarischen Untersuchung zum Sturm auf das Capitol beteiligt hatten. Trump hatte kürzlich in einem Interview für alle Beteiligten eine Gefängnisstrafe gefordert. Biden begnadigte zugleich nach seinem Sohn Hunter Biden auch weitere Mitglieder seiner Familie.
Mit den Tech-Milliardären beim Gottesdienst
Wegen eines Kälteeinbruchs fand die Amtseinsetzung erstmals seit vierzig Jahren nicht unter freiem Himmel an der Westseite des Capitols statt. Auch die Parade entlang der Pennsylvania Avenue zum Weissen Haus fiel dem Wetter zum Opfer. Ungewöhnlich war ebenfalls die Anwesenheit ausländischer Würdenträger bei der Zeremonie. Zu den prominentesten Persönlichkeiten gehörten Chinas Vizepräsident Han Zheng, der argentinische Präsident Javier Milei und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
In der Gästeliste manifestierte sich zudem die veränderte Position der Tech-Milliardäre zu Trump. Sympathisierte das Silicon Valley früher mit den Demokraten, spendeten einige von Amerikas reichsten Unternehmern nun viel Geld für Trumps Inauguration. Der Tesla-Gründer Elon Musk, der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der Amazon-Gründer Jeff Bezos und der Apple-Chef Tim Cook begleiteten die Familie Trump deshalb bereits beim Gottesdienst am frühen Morgen in der kleinen Kapelle gegenüber dem Weissen Haus.
Die namhafteste Abwesende war die frühere First Lady Michelle Obama. Sie blieb der Zeremonie ohne die Angabe von Gründen fern. Sonst allerdings schien Amerika äusserlich zu seiner Tradition eines friedlichen und versöhnlichen Machtwechsels zurückzukehren. Im Gegensatz zu Trump vor vier Jahren empfing Biden seinen Nachfolger im Weissen Haus am Montagmorgen zu Tee und Kaffee. Er begrüsste ihn mit den Worten: «Willkommen zu Hause.» Von dort fuhren die beiden Rivalen später in einer Limousine gemeinsam zum Capitol. Auch die früheren Präsidenten George W. Bush und Bill Clinton erwiesen Trump mit ihren Ehefrauen die Ehre. Bemerkenswert war auch die Präsenz seines ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence. Dieser weigerte sich 2020, das Wahlresultat umzudrehen, und stimmte im November nicht für Trump.