Der künftige US-Präsident will Güter aus den beiden Nachbarstaaten mit einer Importabgabe von 25 Prozent belasten – und würde so das bestehende Freihandelsabkommen in der Luft zerreissen.
«Im Grunde denke ich, dass er am Ende des Tages ein Freihändler ist»: Das sagte Scott Bessent, der nächste amerikanische Finanzminister, vor einem Monat in der «Financial Times» über seinen Chef Donald Trump. Er eskaliere, um zu deeskalieren, fügte Bessent an.
Den ersten Teil seiner Aussage zweifelten viele Beobachter schon damals an. Mit der Eskalation legt Trump jetzt aber frühzeitig los. Am Montagabend kündigte er in einem Post auf seiner eigenen Nachrichtenplattform «Truth Social» an, gleich an seinem ersten Amtstag am 20. Januar einen Zoll von 25 Prozent auf alle Güter aus Mexiko und Kanada zu erheben. Damit würde Trump das Freihandelsabkommen mit den beiden wichtigen Verbündeten aufheben, das unter seiner ersten Präsidentschaft neu ausgehandelt und modernisiert wurde.
Die Zölle würden in Kraft bleiben, bis keine illegalen Einwanderer und keine Drogen mehr ins Land kämen, insbesondere kein Fentanyl mehr, schrieb Trump. Kanada und Mexiko hätten es in der Hand, das schon lange köchelnde Problem zu lösen. Er kündigt auch zusätzliche Zölle von 10 Prozent auf alle Güter aus China an – bis es aufhöre, Fentanyl über Mexiko in die USA zu schleusen.
Trump geht über den Wahlkampf hinaus
Trumps Aussagen sind ein erster Hinweis darauf, dass die Drohungen mit Zöllen, die er in den vergangenen Monaten ausgesprochen hatte, mehr als nur Wahlkampfgetöse waren. Mexiko und Kanada sind, zusammen mit der gesamten EU und noch vor China, die beiden wichtigsten Handelspartner der Vereinigten Staaten.
Seit 30 Jahren besteht ein Freihandelsabkommen zwischen den drei Staaten, von dem zahlreiche Unternehmen profitiert haben. Entsprechend sind die Lieferketten mancher Industrien, vor allem der Autoindustrie, über die Landesgrenzen hinaus eng miteinander verzahnt. Auch die deutschen Autobauer produzieren im grossen Stil in Mexiko.
Zölle von 25 Prozent würden diese Lieferketten gefährden. Würden die Abgaben tatsächlich eingeführt, ginge das Handelsvolumen deutlich zurück und es käme zu spürbaren Preiserhöhungen in den USA. Man muss bedenken, dass Trump mit seiner Drohung über die 10 bis 20 Prozent an Zöllen gegenüber dem Rest der Welt hinausgehen würde, die er im Wahlkampf versprochen hatte; einzig gegenüber China hat Trump noch höhere Zölle von 60 bis 100 Prozent angedroht.
Das Wirtschaftsanalyseunternehmen Oxford Economics hat kürzlich untersucht, wie sehr neue Zölle die amerikanische Inflation anheizen würden, und kam auf Werte zwischen 0 und 1,8 Prozentpunkten. Für das einschneidendste Szenario rechneten die Experten mit allgemeinen Zöllen von 45 Prozent auf Waren aus China sowie von 15 Prozent auf Importen aus dem Rest der Welt.
Solche Modellrechnungen sind immer mit einer Unschärfe verbunden, doch sie zeigen deutlich: Zölle von 25 Prozent gegenüber zwei sehr wichtigen Handelspartnern würden nicht spurlos an den amerikanischen Konsumenten vorbeigehen. Dabei erholen sie sich noch immer vom Teuerungsschock der vergangenen drei Jahre; ein Schock, den sie den regierenden Demokraten anlasten und der Kamala Harris womöglich die Präsidentschaft gekostet hat.
Nur ein harmloser Eröffnungszug?
Das Vorgehen des 45. und 47. Präsidenten der USA entspricht durchaus der Art, wie er Verhandlungen anzugehen pflegt: Mit einer aggressiven Drohung versucht Trump jeweils, das Gegenüber zu überrumpeln und eine neue Ausgangslage zu schaffen, die fortan als neue Verhandlungsbasis dienen soll.
Es ist denkbar, dass sich Trumps jüngste Drohung im Rückblick nur als Eröffnungszug in der nächsten Verhandlungsrunde herausstellt, die zu einem neuen «Deal» mit Mexiko und Kanada führt. Sie lässt sich aber auch als Antwort an jene interpretieren, welche am Wochenende noch die Wahl von Scott Bessent als Finanzminister als Zeichen feierten, dass Trump eine einigermassen orthodoxe, konservative Wirtschaftspolitik verfolgen wird. Also dass sich der Republikaner vor allem für einen schlanken Staat und weniger Regulierung einsetzen würde.
Bessent ist ein erfahrener Vertreter der Wall Street, dem vom Markt zugetraut wird, mässigend auf Trumps protektionistische Impulse einzuwirken. Der amerikanische Aktienmarkt haussierte am Montag, während die Renditen auf zehnjährige US-Staatsanleihen sanken. Letzteres lässt sich als Vertrauensbeweis der Investoren gegenüber dem neuen amerikanischen Kassenwart interpretieren.
Die Ankündigung von Montagabend zeigt Donald Trump dagegen wieder in alter Form; er eskaliert. Ob er anschliessend auch deeskaliert, wie das Scott Bessent prognostiziert hat? Das wird sich frühestens am 20. Januar zeigen, wenn Trump erneut ins Weisse Haus einzieht. Kanada, Mexiko und der amerikanischen Börse stehen jedenfalls unruhige Monate bevor.