Trump: «Der Panamakanal! Hat hier schon einmal jemand vom Panamakanal gehört?»
US-Präsident Donald Trump will den Panamakanal zurück.
Trump: «Wir werden am Panamakanal abgezockt, wie wir auch sonst überall abgezockt werden.»
Für ihn ist klar: Die USA werden über den Tisch gezogen. Und sowieso: China kontrolliert den Kanal.
Trump: «China betreibt den Panamakanal. Und wir haben ihn nicht China geschenkt, sondern Panama. Und wir holen ihn zurück.»
Stimmt das wirklich? In diesem Video schauen wir uns an, warum es den Panamakanal ohne die USA so gar nicht gäbe. Ja wahrscheinlich nicht einmal das Land Panama. Wir zeigen mit Satellitenbildern, warum die USA sich von China bedroht fühlen. Und warum ein fast 50 Jahre alter Vertrag Trump vielleicht sogar recht geben könnte.
Zuerst müssen wir uns mal anschauen, welche entscheidende Rolle die USA bei der Entstehung des Panamakanals spielen. Dazu müssen wir zurück ins Jahr 1903. Damals gehört das heutige Panama noch zu Kolumbien. Die USA wollen mit Kolumbien einen Vertrag abschliessen. Ihr Ziel: Sie wollen hier einen Kanal durch kolumbianisches Gebiet bauen. Einen Kanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Doch das kolumbianische Parlament lehnt ab. Begründung: Die USA würden dafür zu wenig bezahlen.
Doch die USA haben einen Plan B: Sie helfen einfach panamaischen Separatisten, einen eigenen Staat zu gründen. Kurz darauf erklärt Panama seine Unabhängigkeit. Und die USA erkennen die neue Republik sofort an – als erstes Land weltweit. Wenige Tage später unterschreiben die beiden Länder einen Staatsvertrag. Dieser erlaubt den USA, mitten durch Panama einen Kanal zu bauen.
Besonders brisant: Der Mann, der den Vertrag für Panama unterzeichnet, ist eigentlich ein französischer Investor. Er unterschreibt ohne formelle Zustimmung der Regierung Panamas.
Kurz darauf beginnen die USA mit dem Bau des Kanals. Und das Prinzip dahinter ist ziemlich clever: Die Amerikaner errichten hier einen Staudamm und stauen einen Fluss. Dadurch entsteht ein riesiger künstlicher See – der Gatúnsee. Er liegt rund 26 Meter über dem Meeresspiegel. Zwischen dem künstlichen See und den beiden Ozeanen errichten die Amerikaner ein Schleusensystem. Man kann es sich wie eine Reihe von Aufzügen vorstellen, die die Schiffe heben und senken. Das Projekt ist gigantisch: Etwa 375 Millionen US-Dollar kostet der Bau damals. Heute wären das rund 12 Milliarden Dollar.
Im Jahr 1914 wird der Kanal dann endlich eröffnet. Aber hier endet das Engagement der USA noch nicht. Denn noch etwas haben die beiden Länder damals vereinbart. Der Kanal und das darum liegende Gebiet werden zur Panamakanalzone ernannt. Die USA verwalten es wie ein eigenes Land mit eigenen Gesetzen und Behörden.
Werner J. Marti: «Das war eigentlich von Beginn weg in Panama nicht sehr gerne gesehen. Und da gab von Beginn weg Spannungen und auch Bestrebungen, diesen Vertrag wieder zu ändern zugunsten von Panama.»
Panama selbst profitiert wirtschaftlich kaum vom Kanal. Und ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehen viele die Kanalzone als Symbol eines US-Kolonialismus.
Marti: «Panama hat einfach immer mehr Druck gemacht. Es hat auch damit gedroht, dass es das dann vor die UNO bringen werde. Es gab auch Demonstrationen im Land selbst.»
1977 handeln Panama und die USA schliesslich einen neuen Deal aus. Der demokratische US-Präsident Jimmy Carter unterzeichnet zwei Abkommen: Das erste sieht vor, dass die amerikanisch kontrollierte Kanalzone aufgelöst wird. Und dass die USA die Kontrolle über den Kanal an Panama abgeben – und zwar im Jahr 1999.
Marti: «Es gab natürlich schon konservative Kreise in den USA, denen das nicht passte und die den Kanal behalten wollten. Die konnten sich aber dann nicht durchsetzen. Im Senat gab es mehr als eine Zweidrittelmehrheit, die dann da zugestimmt haben.»
Und es gibt einen zweiten Vertrag: Dieser besagt, dass der Kanal fortan neutral bleiben muss. Dass also alle Länder den Kanal benutzen dürfen – auch in Kriegszeiten. Und jetzt wird es besonders spannend: Der Vertrag besagt auch, dass die USA militärisch eingreifen dürfen, falls die Neutralität des Kanals bedroht sein sollte.
Und tatsächlich machen die USA schon bald von diesem Recht Gebrauch. 1989 marschieren sie in Panama ein, um Diktator Manuel Noriega zu entmachten. Einer der Gründe: Aus Sicht der USA bedroht er die Neutralität des Kanals. Noriega soll nämlich in Drogenhandel und Geldwäsche verwickelt sein und Kontakte zur Sowjetunion pflegen.
Bei der Invasion sterben mehrere hundert Menschen. Doch eine klare Mehrheit der panamischen Bevölkerung unterstützt die Absetzung des unbeliebten Diktators.
1999 ist es dann so weit: Das letzte US-Personal verlässt den Kanal. Panama übernimmt die volle Kontrolle. Seither wird der Kanal verwaltet von der Autoridad del Canal de Panamá – kurz ACP. Das ist eine Behörde der panamaischen Regierung. Und die macht ihren Job ziemlich erfolgreich. Nach der Übergabe steigt die Menge an Fracht, die durch den Kanal transportiert wird, weiter an. So stark sogar, dass Panama irgendwann handeln muss.
Marti: «Die Schleusen, die wurden einfach zu klein für die ganz grossen Containerschiffe. Und dann hat Panama zwischen 2007 und 2016 massiv investiert, um eine neue grosse Schleusenlinie zu bauen in beide Richtungen.»
Satellitenbilder von damals zeigen: Parallel zu den alten Anlagen, baut Panama neue, grössere Schleusen. Zudem verbreitert und vertieft es die bestehenden Kanalanlagen. Neu passen also deutlich grössere Schiffe durch den Kanal. Dadurch steigt die transportierte Frachtmenge nochmals stark an. Man kann also sagen: Der Kanal, den die USA einst gebaut haben, ist längst nicht mehr derselbe.
Insgesamt investiert Panama über 5 Milliarden Dollar in die Modernisierungen. Und die Rechnung geht auf: Die Einnahmen steigen jährlich und erreichen 2024 knapp 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Heute ist der Panamakanal für das Land nicht mehr wegzudenken.
Marti: «Von den Kanalgebühren nimmt Panama so viel ein, dass es etwa ein Viertel des panamaischen Budgets ausmacht. Und die ganzen Häfen, die dort sind für die Umlagerungen, die sind natürlich auch noch mal ein sehr wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Also man kann fast sagen, das ist die Lebensader von Panama.»
Und was ist nun mit Trumps Behauptung?
Trump: «Wir werden am Panamakanal abgezockt!»
Tatsächlich sind die Preise in den letzten Jahren gestiegen. Diesen Anstieg genau zu beziffern, ist gar nicht so einfach. Die ACP veröffentlicht auf ihrer Homepage detaillierte Preislisten. So bestimmen unter anderem die Schiffsgrösse, der Schiffstyp und die Art der Ladung den Preis.
Ein weiterer Faktor: das Klima. Denn Schiffe durch die Schleusen des Kanals zu heben, braucht enorm viel Wasser. Wasser, das aus dem gestauten Gatúnsee kommt. Doch durch den Klimawandel gibt es in Panama immer mehr Dürren. Das wirkt sich auf den Wasserstand des Gatúnsees aus. Die graue Fläche zeigt, in welchem Bereich sich der Wasserstand zwischen 1965 und 2022 bewegt. Ende 2023 führt der See rekordmässig wenig Wasser – wie auch 2024.
Darum muss die Anzahl der Durchfahrten zeitweise reduziert werden – von ursprünglich 36 auf 22 Durchfahrten pro Tag. Es kommt zu langen Wartezeiten am Kanal. Um das Problem zu entschärfen, führt die Kanalbehörde für einen Teil der Durchfahrten ein Auktionssystem ein. Reedereien können für schnellere Durchfahrten Geld bieten, anstatt auf eine regulär gebuchte Durchfahrt zu warten. Das treibt die Preise logischerweise in die Höhe.
Während eine Durchfahrt im Jahr 2018 durchschnittlich 215 000 Dollar kostet, steigt dieser Preis bis ins Jahr 2023 auf 341 000 Dollar. Das ist eine Erhöhung von fast 60 Prozent.
Marti: «Aber das gilt für alle Länder, nicht nur für die USA. Und ich glaube, man kann auch nicht sagen, dass Panama da irgendwie extrem davon profitiert und das ausnutzt.»
Dennoch sind die USA mit Abstand der grösste Kunde des Panamakanals. Das bedeutet: Die USA sind von den Preiserhöhungen besonders stark betroffen.
Und was ist jetzt mit Trumps Behauptung, China würde den Kanal betreiben?
Trump: «China betreibt den Panamakanal!»
Panama und China sind sich in den letzten Jahren tatsächlich nähergekommen. Deutlich wird das im Jahr 2017: Da bricht Panama seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab – und nimmt stattdessen Beziehungen zu China auf. Kurz danach tritt Panama als erstes lateinamerikanisches Land der «Neuen Seidenstrasse» bei. Das ist eine chinesische Infrastrukturinitiative, die weltweit neue Strassen, Eisenbahnen und Häfen baut. Ziel? Den Handel mit China fördern.
Und auch am Panamakanal wächst der chinesische Einfluss. Schauen wir uns zum Beispiel mal die Pazifikseite des Kanals an. Hier gibt es zwei verschiedene Hafenterminals, wo Schiffe beladen und entladen werden. Das grössere der beiden Terminals wird betrieben von Hutchison Ports. Das ist ein privates Unternehmen mit Sitz in Hongkong. Es ist einer der grössten Hafenbetreiber weltweit – unter anderem mit Terminals in London und Rotterdam. Auch an der Atlantikseite des Kanals betreibt Hutchison ein weiteres Terminal.
Die US-Regierung unter Trump sieht das kritisch. Sie befürchtet, dass China über ein neues Sicherheitsgesetz Einfluss auf Hutchison ausüben könnte.
Marti: «Also ganz konkret kann die chinesische Regierung diesen Unternehmen in Hongkong Befehle geben. Also sie könnte theoretisch sagen: Ihr dürft die amerikanischen Schiffe in euren Häfen nicht mehr abfertigen. Und diese Hafengesellschaften müssten das eigentlich ausführen, sonst verstossen sie dann gegen chinesisches Recht.»
Dazu kommt, dass Hutchison an der Pazifikseite das einzige Terminal mit direktem Eisenbahnanschluss betreibt. Und die Eisenbahn wird wegen des Klimawandels immer wichtiger. Denn wenn der Gatúnsee wenig Wasser führt, müssen Schiffe Fracht abladen, um nicht auf Grund zu laufen. Diese Container werden dann per Zug ans andere Ende des Kanals transportiert und dort wieder auf die Schiffe verladen.
Dazu kommt eine ganze Reihe von anderen Bauprojekten, an denen China ebenfalls beteiligt ist: Zum Beispiel hier beim südlichen Eingang des Panamakanals. Ein Kongresszentrum und ein Hafen für Kreuzfahrtschiffe – beide in den letzten Jahren gebaut von chinesischen Staatsunternehmen. Und auch eine neue Brücke über den Kanal sorgt für Diskussionen. Sie wird von einem Konsortium unter chinesischer Leitung errichtet.
Ted Cruz, republikanischer US-Senator: «Chinesische Unternehmen bauen eine Brücke über den Kanal. In einem langsamen Tempo, damit es fast ein Jahrzehnt dauert.»
Tatsächlich wurde der Baubeginn seit 2018 mehrmals verschoben. Doch Satellitenbilder zeigen: Ab Herbst 2024 schreitet der Bau voran.
Cruz: «Die teilweise fertiggestellte Brücke gibt China die Möglichkeit, den Kanal ohne Vorwarnung zu blockieren.»
Diese Beispiele zeigen: Der chinesische Einfluss am Panamakanal wächst. Viele sehen das als Sicherheitsrisiko.
China weigert sich zudem, ein internationales Abkommen zu unterzeichnen, das den freien Zugang aller Staaten zum Kanal garantiert.
Marti: «Ich glaube, im jetzigen Moment ist das eigentlich nicht so ein Problem. Aber die Amerikaner schauen natürlich immer auf einen möglichen Konflikt mit China und dann weiss man natürlich schon nicht, was dann passieren würde.»
Wenn Donald Trump also sagt, China betreibe den Panamakanal, stimmt das so nicht. Eine panamaische Behörde verwaltet ihn. Doch Chinas Einfluss hat in den letzten Jahren zugenommen.
Und auch die Behauptung, die USA würden am Panamakanal über den Tisch gezogen, lässt sich so nicht belegen. Ja, die Gebühren sind gestiegen – aber für alle. Und Panama hat Milliarden in den Ausbau investiert.
In Panama weist man Trumps Vorwürfe klar zurück.
Trotzdem scheint der Druck zu wirken: So verkündet zum Beispiel der panamaische Präsident im Februar 2025 den Ausstieg Panamas aus der chinesischen «Neue Seidenstrasse»-Initiative.
Marti: «Für Panama selber ist es natürlich eine existenzielle Bedrohung, wenn die Amerikaner sagen, sie holen den Kanal zurück.»
Und in Panama weiss man: Wenn Trump wirklich wollte, hätte er leichtes Spiel.
Marti: «Also militärisch wäre das für die Amerikaner kein Problem, weil Panama hat damals nach 1989 sogar seine Armee abgeschafft. Also die könnten da keinen grossen Widerstand leisten.»
Wie ernst Trump das wirklich meint mit seinen Drohungen gegen Panama – das wird sich zeigen.