Der Republikaner wird am Montag als neuer Präsident vereidigt. Besorgte Forscher, grün gesinnte Politiker und Aktivisten schlagen Alarm. Sie warnen vor einer neuen Ära der klimafeindlichen Politik. Aber auch ohne aktivistische Hyperbel sind die klimapolitischen Aussichten der USA mindestens bewölkt.
Die amerikanische Klimapolitik steht auf dem Prüfstand: Donald Trump hat angekündigt, wieder aus dem Pariser Klimavertrag auszusteigen, zentrale Klimaprogramme sowie Emissionsrichtlinien aufzuheben, den Ausbau erneuerbarer Energien zu bremsen und die Ölindustrie weiter zu stärken. Gleichzeitig ist die Klimabilanz nach vier Jahren unter dem Demokraten Joe Biden bestenfalls gemischt.
Was kommt in der Klimapolitik auf uns zu? Die NZZ hat sich mit drei Aspekten auseinandergesetzt.
Die USA sind bei weitem nicht auf Kurs darin, ihre selbstgesetzten Klimaziele zu erreichen
Heute sind die USA nach China der zweitgrösste Verschmutzer der Welt, stossen pro Kopf mehr Emissionen aus als die meisten Regionen der Erde und haben im Laufe der Geschichte mehr Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre geblasen als jedes andere Land.
Seit rund 20 Jahren fielen die Emissionen zwar, der Trend sei aber holprig, schrieben Analysten der Rhodium Group vergangene Woche.
So fielen die Emissionen im vergangenen Jahr mit 0,2 Prozent so gut wie gar nicht im Vergleich zu 2023. Der Grund: Während Emissionen in der Industrie sowie im Öl- und Gassektor zurückgingen, stiegen sie im Flug- und Strassenverkehr sowie im Stromsektor an.
Bis 2030 sollen die Emissionen bis zu 52 Prozent fallen. Dazu hatte sich Joe Biden verpflichtet, als er die USA im Jahr 2021 wieder in das Pariser Klimaabkommen einführte. Nach den Trump-Jahren wurde seine Entscheidung von Aktivisten gefeiert. Aber noch sind die USA nicht auf Kurs damit, ihr Ziel zu erreichen – trotz den milliardenschweren Klimaprogrammen im Rahmen der Inflation Reduction Act und neuer Emissionsauflagen, die Joe Biden eingeführt hat.
Im Gegenteil: Die USA müssten während der kommenden fünf Jahre die Emissionen jährlich um 7,6 Prozent reduzieren – ein Niveau, das sie in der jüngeren Vergangenheit ausserhalb einer Rezession nicht erreicht hätten, so Analysten der Rhodium Group. Auf Basis der derzeitigen Politik sind die USA laut den jüngsten Daten gerade einmal auf dem Weg, ihre Emissionen bis 2035 um 38 bis 56 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken.
Eine Präsidentschaft Donald Trumps wird das Erreichen der Klimaziele nur weiter erschweren – sowohl innerhalb der USA wie auch weltweit. Die Analysten der Rhodium Group rechnen mit Reduktionen von höchstens 40 Prozent bis 2030 gegenüber 2005. Der Grund? Trump plant, unter anderem Emissionsauflagen für den Energiesektor und für Autos sowie Steueranreize für saubere Technologien aufzuheben. Die Folge laut der Analyse? Erhebliche Kohlekapazitäten bleiben im Netz. Der Ausbau erneuerbarer Energien verlangsamt sich. Und der Anteil von Erdgas nimmt dagegen stark zu.
International gilt schon lange: Die USA sind kein zuverlässiger Partner, wenn es um Emissionsreduktionen geht. Es ist nicht das erste Mal, dass die Amerikaner Umweltverträgen den Rücken kehren, die sie selbst auf den Weg gebracht haben. Der Ausstieg aus dem Pariser Vertrag wird klimapolitischen Nachzüglern weltweit Rückendeckung geben. Gleichzeitig, so hoffen jedenfalls Aktivisten, wird es Raum für andere geopolitische Akteure schaffen, allen voran China, um eine Führungsrolle zu übernehmen.
Die USA sind der grösste Öl- und Gasproduzent – das soll so bleiben
Die Öl- und Gasindustrie verspricht sich derweil Grosses von einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps. Sie feiert seinen Wahlsieg als ihren Sieg. Dabei kann sie schon auf goldene Jahre zurückblicken. Die USA sind 2023 zum weltgrössten Exporteur von Flüssigerdgas geworden. Und kein Land produziert mehr Erdöl.
Gleichzeitig verschärfte sich die Rhetorik von Joe Biden gegenüber der Industrie zunehmend während der letzten Monate seiner Präsidentschaft. So verkündete er im vergangenen Jahr, neue Exportlizenzen für Erdgas zu pausieren. Und er verbot erst vor wenigen Wochen neue Bohrungen im Meer (dabei ist das Verbot vor allem symbolischer Natur. Viele Küstenstaaten, darunter auch konservative Gliedstaaten wie Florida, wollen gar keine neuen Bohrplattformen zulassen, und ergiebige Standorte sind nicht betroffen).
«Die Biden-Regierung hat versucht, beide Seiten zu bedienen», sagte Neil Chatterjee neulich in einem Podcast. Der Republikaner leitete während Trumps erster Amtszeit die Federal Energy Regulatory Commission (Ferc), die Energiebehörde. Denn anfangs galten LNG-Exporte noch als geopolitisch wertvoll. Sie verhalfen europäischen Verbündeten dazu, sich von russischem Gas zu befreien, und schafften Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in den USA.
«Aber dann haben sie auf Druck einer anderen Wählergruppe die Vergabe von Exportlizenzen ausgesetzt. Und das hat eine verwirrende Botschaft an unsere Verbündeten gesendet» und habe so die Verlässlichkeit der USA infrage gestellt, meinte Chatterjee. Diese Einschätzung geben auch andere Energieexperten wieder, darunter Jason Bordoff von der Columbia University in New York, ein ehemaliger Berater von Barack Obama.
Trump plant derweil, Bidens jüngste Entscheidungen zurückzudrehen und der Erdöl- und Gasproduktion weiteren Schub zu geben. Das ebnet nicht nur den Weg für Genehmigungen neuer LNG-Terminals und Bohrungen im Meer, sondern auch auf Land, das dem Bundesstaat gehört. «Das amerikanische Volk kann sich darauf verlassen, dass Präsident Trump seine Exekutivgewalt vom ersten Tag an nutzen wird, um die Versprechen einzulösen», sagte Trump-Sprecherin Karoline Leavitt gegenüber dem «Wall Street Journal» am Dienstag. Trotz den Ankündigungen sind die Abschaffung von Bidens neuen Regeln keine Selbstläufer. Dafür wird womöglich auch der Kongress gebraucht.
Für Chatterjee steht derweil fest: Trumps Botschaften sind darauf ausgerichtet, klare Signale an Industrievertreter zu senden – auch wenn vorerst kaum Details genannt werden. «Das ist positiv für LNG und die Gasindustrie.»
Erneuerbare Energien sind Mainstream – und unter Druck
Trumps Energieagenda mag der Erdöl-Lobby Sicherheit vermitteln, für grüne Technologien gilt das vorerst nicht. Denn Trump hat angekündigt, das Klimapaket der Inflation Reduction Act – des bedeutendsten Gesetzespakets aus Joe Bidens Amtszeit und des grössten Klimaprogramms in der Geschichte der USA – aufzuheben. Steuervorteile von rund 300 Milliarden Dollar für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Herstellung grüner Technologien sind in der Schusslinie und könnten vom Congress gekippt werden.
«Einige der Steuergutschriften sind sicherlich in Gefahr», sagt Chatterjee. Das betreffe insbesondere Gutschriften für Elektroautos, womöglich auch diejenigen für die Offshore-Windkraft. Viele der Gutschriften könnten dennoch überparteiliche Unterstützung bekommen – und trotz Trumps Kritik an Bidens Klimaprogrammen überleben.
Das hat einen praktischen Grund: Von mehr als der Hälfte der angekündigten grünen Energieprojekte profitieren rote, also republikanische Gliedstaaten. Gleichzeitig ist die republikanische Mehrheit im Kongress so knapp, dass die Demokraten in einer Abstimmung nicht viele republikanische Stimmen brauchten.
«Es braucht keine Mehrheit der Republikaner, um sich für einige dieser IRA-Anreize einzusetzen. Es wird nur eine Handvoll brauchen», so Chatterjee. «Und ich denke, es wird eine Handvoll republikanischer Senatoren und Abgeordneter geben, die nachrechnen und erkennen, dass ihre Wähler von einigen dieser Anreize profitieren und dass die Aufhebung dieser Anreize die Energiekosten in ihren Bezirken und in ihren Staaten tatsächlich erhöhen könnte.»
Gleichzeitig arbeiten Vertreter der erneuerbaren Energien an Botschaften, die sich mit Trumps Energieagenda vertragen. Die explodierende Nachfrage nach Strom mache es nötig, dass saubere Technologien eine Rolle spielen, sagen sie – allein, um das weitere Wirtschaftswachstum anzutreiben. Schon heute machen die Erneuerbaren einen Stromanteil von rund 21 Prozent aus.
«Es ist kein Nullsummenspiel mehr: Wir brauchen jedes Elektron, das wir bekommen können», so JC Sandberg von der American Clean Power Association.
Grüne Investitionen haben dank der Einführung dreier klimarelevanter Gesetzespakete unter Biden geboomt. Investitionen in saubere Technologien und industrielle Dekarbonisierungsprojekte beliefen sich seit Ende 2022 auf 264 Milliarden Dollar. Das errechnete der Clean Investment Monitor der Rhodium Group und des Center for Energy and Environmental Policy Research des MIT. Investitionen in Höhe von 435 Milliarden Dollar wurden derweil angekündigt, aber noch nicht ausgegeben.
Die USA wollen sich im industriellen Wettstreit mit China bewähren. Das gilt für die Agenda Trumps wie auch die des scheidenden Demokraten Joe Biden. Die Unsicherheiten rund um das IRA-Programm könnten nun Investitionsentscheidungen verlangsamen oder einfrieren, meinen Beobachter warnend – und anderen Ländern die Möglichkeit geben, im globalen Wettrennen um neue grüne Märkte und Technologien mitzumischen.
«Für die meisten Investoren geht es nicht um die Dollar, die sie in den Boden gesteckt haben, sondern darum, was sie in den nächsten fünf Jahren zu tun gedenken», sagt Tim Sahay vom Net Zero Policy Lab der Johns-Hopkins-Universität. Bis Klarheit herrsche, könnten Investitionen auf Eis gelegt werden. In der Zwischenzeit aber ginge die Energiewende weltweit weiter. «Die USA werden vielleicht keine Investitionen mehr tätigen, aber andere Länder springen ein.»