Mittwoch, Oktober 2

Das Verhältnis zwischen dem früheren Präsidenten Donald Trump und seinem Notenbankchef war angespannt. Nun nimmt der 77-Jährige nicht nur Anlauf für eine erneute Präsidentschaft. Donald Trump könnte auch die Kontrolle über die Notenbank anpeilen.

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Republikanische Senatoren waren mit Trumps ursprünglicher Liste möglicher Kandidaten für den Posten des Fed Chair nicht einverstanden. Mit Jerome Powell konnte 2018 schliesslich ein Kompromiss in der eigenen Partei gefunden werden.

Einen Punkt, der Trump wichtig zu sein schien, erfüllte Powell: Er sah aus, wie man sich einen Notenbanker vorstellt. Die Vorgängerin, Janet Yellen, soll Donald Trump mit ihren 1,60 Metern schlicht als zu klein für ein so wichtiges Amt betrachtet haben.

Jerome Powell hatte Erfahrung in der Finanzindustrie. «Er war respektiert. Er war kein theoretischer Ökonom und hatte keine Ideologie», beschreibt Robert Brusca einige Beweggründe für die damalige Wahl. Brusca, der heute seine eigene Consultingfirma in Manhattan betreibt, war selbst jahrelang beratend für die Notenbank tätig. Eine Zeitlang arbeitete er als Chief of the International Financial Markets Division bei der Federal Reserve Bank in New York.

Harsche Kritik

Trotz öffentlicher Kritik an Powells Geldpolitik kam es letztlich nicht zum Eklat. Zwar sagte Donald Trump 2019, dass Jerome Powell möglicherweise schädigender für die Vereinigten Staaten sei als der chinesische Präsident Xi Jinping. Aber die Berater des Präsidenten warnten davor, den Notenbankchef abzusetzen.

Nur die wenigsten hatten 2016 mit einem Wahlsieg von Donald Trump gerechnet. «Ich würde sogar sagen, er selbst nicht», sagt Bob Brusca. Entsprechend unvorbereitet startete der damals 70-Jährige in seine erste Amtszeit. Er habe sich mit verhältnismässig etablierten Kabinettsmitgliedern umgeben. Das sei jetzt anders. «Er rechnet mit seinem eigenen Erfolg», glaubt Brusca. «Entsprechend würde er seine zweite Amtszeit ganz anders vorbereiten und angehen.»

Brisante Enthüllungen

Diese Vorstellung sorgt in Teilen der Finanzindustrie für ein gewisses Unbehagen. Das «Wall Street Journal» hat Zugang zu Entwürfen bekommen, die von Trumps Verbündeten stammen. Dabei geht es um Pläne, die Unabhängigkeit der Notenbank anzugreifen.

Wie konkret diese Pläne umgesetzt werden sollen, was rechtlich möglich ist und wie radikal die Vorstösse letztlich ausfallen könnten, ist noch offen. Es ist auch nicht ganz ersichtlich, wie stark Trump persönlich zum jetzigen Zeitpunkt involviert ist. Mit dem Wahlkampf und den unterschiedlichsten Prozessen dürfte er derzeit andere Prioritäten haben.

Doch die Vorstellungen seiner Verbündeten sind zum Teil gravierend. So solle der Fed-Chef künftig Rücksprache mit dem Präsidenten halten, wenn Entscheidungen über die Zinspolitik anstehen. Es geht aber auch um die Aufsicht des amerikanischen Bankensektors. Und das Finanzministerium, das eine politische Institution ist, soll stärker von der Notenbank konsultiert werden.

Eigentlich kein politisches Amt

Die amerikanische Notenbank ist ein von der Regierung unabhängiges Organ. Der Präsident nominiert den Notenbankchef oder die Notenbankchefin. Der Präsident kann auch die sieben Fed-Gouverneure nominieren. Der Amtszeit beläuft sich auf jeweils 14 Jahre. Damit soll eine gewisse politische Unabhängigkeit gewährleistet werden.

In den nächsten vier Jahren gibt es hier nur zwei Vakanzen. Üblicherweise ist auch die Wahl des Fed Chair eher unpolitisch. So hatte Barack Obama weiter auf Ben Bernanke gesetzt, der von George W. Bush nominiert worden war. Oder Biden hielt an Powell fest.

Der Präsident nominiert, aber es bedarf jeweils der Bestätigung des Senats. Einen amtierenden Notenbankchef zu entlassen, setzt grobe Vorstösse voraus. «Es müssten klar disruptive Auswirkungen auf die Wirtschaft nachgewiesen werden», so Brusca. «Und diese wird man nicht finden.» Deshalb werde Trump den Notenbankchef Powell nicht so einfach los.

Die derzeitige Amtszeit von Jerome Powell endet im Frühjahr 2026. Und selbst wenn Biden die Wahl im Herbst gewinnen sollte, könnte auch er auf eine erneute Amtszeit von Powell verzichten. Unumstritten ist die Geldpolitik in den USA der vergangenen Jahre nicht.

Vor allem die Einschätzung der Inflation wird häufig kritisiert. Lange Zeit sprachen Powell und seine Kollegen von «transitory». Die Teuerung sei ein vorübergehender Effekt. Als sich zeigte, dass der Preisdruck viel stärker und nachhaltiger war als eingeschätzt, musste die Notenbank umso radikaler die Zinsen erhöhen. 2022 startete das Fed die aggressivsten Zinserhöhungen seit rund vierzig Jahren. Das führte unter anderem zu der Krise der amerikanischen Regionalbanken.

Die USA erlebten aber auch eine Krise am Immobilienmarkt, sagt Cristina Bodea. Sie arbeitet als Professorin für International Relations and Comparative Politics an der Michigan State University. Von 2007 bis 2009 arbeitete sie als Ökonomin bei der EZB in Frankfurt. Ihrer Meinung nach ist es nicht einfach gewesen, einzuschätzen, wie vorübergehend die Faktoren der Inflation gewesen sind.

Doch sie sei durchaus besorgt über die derzeitige Situation am Immobilienmarkt, bei der die erhöhten Zinsen eine gewisse Rolle spielten. Zudem stelle sie bei ihren Absolventen fest, dass diese auf einen schwierigen Arbeitsmarkt stiessen. Und das in einer Zeit, in der sich die Kosten für einen College- oder Hochschulabschluss in den vergangenen zwanzig Jahren verdreifacht haben. Diese werden häufig über Kredite abbezahlt, die im Umfeld höherer Zinsen zusätzlich verschärft werden.

Droht eine Absetzung?

Ob Donald Trump tatsächlich bei einem Wahlsieg versuchen könnte, Powell vor Ende seiner Amtszeit zu feuern, ist schwer zu sagen. Rechtlich wäre das ein bisher einmaliger Vorstoss in der Geschichte der USA. An den Finanzmärkten wird vor allem ein potenzieller Eingriff in die Unabhängigkeit der Notenbank als riskant betrachtet.

Die Finanzmärkte könnten irritiert und verunsichert reagieren. Das dürfte eigentlich nicht im Sinne eines Präsidenten sein, der sich in der Vergangenheit auch über die Performance der Aktienmärkte definiert hat. Daher stammte auch seine Kritik an Jerome Powell, der zunächst den Kurs kleiner Zinserhöhungen seiner Vorgängerin Janet Yellen fortführte. Mit Ausbruch der Pandemie erfolgte dann ein radikaler Wechsel der Geldpolitik – erst nach unten und dann nach oben.

Cristina Bodea versteht zum einen die Aufregung um die Debatte der Unabhängigkeit der Notenbank. Sie ist derzeit mit einer Kollegin auch dabei, ein Papier zu diesem Thema zu veröffentlichen. Speziell bezogen auf Donald Trump scheint sie jedoch noch nicht zu besorgt zu sein. Es sei derzeit doch noch alles spekulativ. «Und wer weiss, im Falle eines Wahlsiegs verliert er eventuell das Interesse an der Notenbank.» Er sei nicht bekannt dafür, besonders konsequent zu sein. Die Wall Street zumindest dürfte sich mit der Aussicht auf potenzielle Steuersenkungen unter Donald Trump anfreunden, aber einen politischen Wachhund für das Fed wünscht sie sich nicht.

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