Mittwoch, Januar 8

Der Eigentümer des sozialen Netzwerkes X kommentiert die europäische Politik auf teilweise grobe Weise. Politiker möchten, dass die EU dem Treiben ein Ende setzt. Doch diese will es sich mit Musk nicht verscherzen, auch wegen Trump.

Elon Musk ist zwar überaus reich, letztlich aber nur ein Unternehmer, etwa als Mitbesitzer des Autoherstellers Tesla und Eigentümer des sozialen Netzwerkes X. Nicht alle sehen das jedoch so. Für die EU ist Musk auch eine höchst politische Figur, und der richtige Umgang mit ihm hat gleichsam eine geostrategische Bedeutung.

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X verstösst möglicherweise gegen das Gesetzeswerk Digital Service Act (DSA), mit dem die EU Auswüchse in sozialen Netzwerken bekämpft. Konkret verdächtigt die Kommission X, zu lasch zu sein, wenn Nutzer verbotene Aussagen tätigen oder irreführende Nachrichten verbreiten. Eine Untersuchung der EU dazu läuft seit Dezember 2023. Irgendwann wird die Kommission den Entscheid fällen müssen, ob X die DSA verletzt und eine Busse fällig wird. Ein solcher Beschluss birgt allerdings Sprengkraft.

Denn Musk ist auch ein Kumpel des nächsten US-Präsidenten Donald Trump und soll dessen Effizienzbeauftragter werden. Brummt die EU Musk eine Busse auf, erregte das wohl Trumps Zorn. Und das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen den Verbündeten USA und EU verschlechterte sich weiter.

Wie Trump milde stimmen?

In Brüssel ist die Nervosität deswegen spürbar. Die Kommission wolle sich Trump momentan unter keinen Umständen zum Feind machen, sagen Personen aus dem Umfeld des Gremiums. Dessen Drohungen, Güter aus Europa mit Zöllen von 10 bis 20 Prozent zu belegen, haben die Kommission und die Staatschefs der Mitgliedsländer bereits aufgeschreckt.

Nun zerbrechen sich diese den Kopf darüber, wie man den künftigen Präsidenten milde stimmen könnte. Eine Busse für Musk würde wohl alle Bemühungen zunichtemachen. Zumal die Strafe hoch ausfallen kann. Bis zu 6 Prozent des Umsatzes, den der Provider erzielt, sind gemäss DSA möglich.

Die Busse kann X treffen oder Musk direkt, darüber entscheidet die Kommission. Muss die Firma eine allfällige Busse bezahlen, fiele diese eher niedrig aus. Ganz anders sähe es aus, wenn der Milliardär Musk von der EU zur Kasse gebeten würde.

Musk sieht in der AfD die Retterin Deutschlands

Musk hat jüngst in einigen europäischen Hauptstädten für viel Aufregung gesorgt. Am grössten war die Aufwallung jedoch in Deutschland.

Der Wirtschaftsminister und grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck hat Musk vor einer Woche davor gewarnt, den Wahlkampf in Deutschland zu beeinflussen. «Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk!», sagte er gegenüber dem Magazin «Spiegel» auf die Frage, ob der Unternehmer eine Gefahr für Deutschland sei. Musk meldete sich darauf auf X: «Habeck ist ein Verräter am deutschen Volk», schrieb er.

Musk hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz als Narren bezeichnet, als dieser die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner beantragte und damit die Ampelkoalition beendete.

Musks beinahe obsessive Beschäftigung mit der deutschen Politik wird diesen Donnerstag einen Höhepunkt erreichen. Dann soll ein Gespräch mit Alice Weidel, der Co-Chefin der AfD, auf X publiziert werden. Musk sieht in der rechtspopulistischen Partei die Retterin Deutschlands. Die Emotionen dürften erneut hochkochen.

Die EU betont die Meinungsfreiheit

Derweil bemüht sich die Kommission offensichtlich darum, die Situation zu entschärfen. Vertreter des Gremiums sind jüngst in Brüssel immer wieder darauf angesprochen worden, ob der Milliardär Musk seinen Einfluss bei X missbrauche, um sich in europäische Wahlkämpfe einzumischen.

Kommissionssprecher haben jeweils abgewiegelt. Mit der DSA wolle man keinesfalls Aussagen von Individuen unterdrücken, betonten sie. Musks Beschimpfungen von Scholz und Habeck dürften daher keine Verletzung der DSA darstellen. Sie mögen grob sein, sind aber Meinungsäusserungen und geniessen daher Schutz.

Auch das Gespräch von Weidel und Musk stellt an sich kein Problem dar. Für die EU würde es allerdings eines, wenn X die Diskussion mit viel Nachdruck und der Hilfe eines Algorithmus verbreitete, und die Nutzer keine Möglichkeiten hätten, die Veranstaltung aus ihrem Feed zu entfernen («opt out»). Dann würde man das Gespräch genauer unter die Lupe nehmen, heisst es in Brüssel. Etwa weil es dann ein Risiko für faire Wahlen in Deutschland wäre.

Aber auch an einer solchen Verschärfung des Streits dürfte die EU kein Interesse haben. Deeskalation ist seit einiger Zeit die Strategie des Staatenbundes im Umgang mit Musk, auch wenn Mitglieder der Kommission sich wiederholt mit dem Milliardär angelegt haben. Im vergangenen Sommer hatte sich beispielsweise der französische EU-Kommissar Thierry Breton mit Musk auf X ein heftiges Wortgefecht geliefert. Die beiden Alphatiere mochten sich offensichtlich nicht.

Der Konflikt kulminierte, als Musk mit dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump auf X ein Interview führte. Vor dem Gespräch schickte Breton dem Unternehmer einen Brief, in dem er ihn leicht bevormundend dazu aufforderte, die Regeln der DSA einzuhalten. Man habe ein Auge auf X und Musks Aktivitäten, schrieb Breton.

Damit zog der Kommissar allerdings Musks Zorn auf sich. Breton solle sich um seinen eigenen Kram kümmern, teilte dieser dem Kommissar sinngemäss in grober Sprache auf X mit.

Schon damals war in Brüssel ein Unbehagen über den Konflikt zwischen einem EU-Kommissar und Musk spürbar. Bretons Brief war nicht mit der Kommission abgesprochen, auch die Präsidentin Ursula von der Leyen wusste nicht Bescheid.

Breton gehört der neuen Kommission nicht mehr an, obwohl er den prestigeträchtigen Posten gerne behalten hätte. Aus Kreisen der EU ist zu vernehmen, dass der Streit mit Musk Breton den Job gekostet habe, weil von der Leyen den Konflikt genutzt habe, um den machtbewussten Franzosen loszuwerden.

Staatschefs spielen auf X Pingpong

Trotz allen Konflikten nutzt auch die EU X weiterhin als Kommunikationskanal. Die Kommission bucht zwar auf dem Netzwerk seit dem Oktober 2023 keine bezahlten Inhalte mehr. Damit reagierte sie auf Hass-Tweets und terroristische Desinformation, die Nutzer nach dem Angriff der Hamas auf Israel auf X absonderten. Aber das Netzwerk hat nach wie vor eine zu grosse Reichweite, als dass die EU es ignorieren könnte.

Zudem stellt es eine diplomatische Gepflogenheit dar, dass Staatschefs und Minister auf X antworten, wenn sie auf diesem Kanal von ihren politischen «Counterparts» angesprochen werden. Das hielten auch Bundesrat Ignazio Cassis und der für die Schweiz zuständige Kommissar Maros Sefcovic so, als die Schweiz und die EU im vergangenen Jahr den neuen bilateralen Vertrag aushandelten. Äusserte sich der eine zum Fortgang der Gespräche, dauerte es nicht lange, bis sich der andere ebenfalls zu Wort meldete.

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