Freitag, Oktober 18

Ohne die hohen Wassertemperaturen im Golf von Mexiko hätten die Wirbelstürme weniger Wind und weniger Regen hervorgebracht.
Die kostspieligen Schäden haben aber auch noch ganz andere Gründe.

Dieses Jahr haben bereits zwei starke Hurrikane den Südosten der USA heimgesucht. Erst kam «Helene», und kaum war der Wirbelsturm abgezogen, rauschte bereits «Milton» heran.

«Helene» hatte besonders katastrophale Folgen: Zahlreiche kleine Flüsse in North Carolina, South Carolina, Tennessee und Georgia traten wegen der enormen Regenfälle über die Ufer und rissen Strassen, Brücken und Häuser weg. Mehr als 230 Menschen verloren ihr Leben. «Helene» war damit der tropische Wirbelsturm mit den meisten Todesopfern in den USA seit «Katrina» im Jahr 2005.

Nach Wetterextremen beschäftigt die Öffentlichkeit regelmässig die Frage, ob der Klimawandel einen Einfluss darauf gehabt hat. In den vergangenen Jahren hat es sich darum eingebürgert, dass Wissenschafter innerhalb weniger Tage aktiv werden, um die Frage provisorisch zu beantworten. Ihre Antwort fällt diesmal noch deutlicher aus als nach früheren Hurrikanen: Der Klimawandel hat die beiden Wirbelstürme verstärkt, und das lässt sich besonders gut am Wind und am Regen erkennen.

Fachleute versuchen die Rolle des Klimawandels zu klären

Bekannt für die Ursachenforschung nach Wetterextremen ist vor allem ein loser Zusammenschluss von Fachleuten namens «World Weather Attribution» (WWA). Auch andere Expertenteams geben in raschem Tempo verfasste Einschätzungen heraus. Solchen Schnellschuss-Analysen fehlt zwar das Gütesiegel der fachlichen Begutachtung, aber die Forscher nutzen immerhin Methoden, die sich bewährt haben.

«Helene» haben sich die Wissenschafter der WWA bereits etwas genauer angesehen. Der menschengemachte Klimawandel habe die Regenfälle um ungefähr 10 Prozent stärker gemacht, schreibt das internationale Autorenteam. Der Wind habe an der Küste von Florida um ungefähr 21 Kilometer pro Stunde heftiger geweht als ohne Erderwärmung. Die hohen Wassertemperaturen im Golf von Mexiko, die den Hurrikan angetrieben hätten, seien heute 200 bis 500 Mal so wahrscheinlich wie früher.

Die Forscher untersuchten den Einfluss des Klimawandels auf die Regenfälle der tropischen Wirbelstürme mit Computermodellen: Sie berechneten damit zahlreiche Wetterereignisse – einmal für die Zeit vor der Erderwärmung und einmal für die Gegenwart, mit ungefähr 1,3 Grad Celsius höheren Temperaturen. Sie untersuchten dabei Regionen, in denen die meisten Todesfälle zu beklagen waren: eine Region in den südlichen Appalachen und eine Region an der Nordgrenze von Florida.

Für die Analyse des Winds nutzten die Wissenschafter das sogenannte «Imperial College Storm Model»: Mit diesem Rechenmodell des Imperial College London können Hurrikane detaillierter simuliert werden als mit gewöhnlichen Modellen zur Wettervorhersage.

Je wärmer es wird, desto stärker kann der Regen werden

Hurrikanforscher, die nicht an der Analyse beteiligt waren, halten die Resultate der WWA für plausibel. «Wir gehen davon aus, dass Niederschläge für jedes Grad Erwärmung um 7 Prozent zunehmen», sagt Theodore Shepherd von der University of Reading. Da sich die Erde seit vorindustrieller Zeit um 1,3 Grad Celsius erwärmt habe, bedeute das bei jedem heftigen Ereignis ungefähr 9 Prozent mehr Niederschlag.

Doch nicht nur der Niederschlag, sondern auch die Wirbelstürme selbst könnten intensiver werden, also mehr Energie freisetzen. Das würde die Wirkung, welche der Klimawandel auf den Niederschlag ausübt, noch verstärken, meint der Wissenschafter.

Michael Wehner vom Lawrence Berkeley National Laboratory teilt Shepherds Auffassung. Der Effekt des Klimawandels sei womöglich noch grösser als von der WWA beschrieben. Die erhöhte Energie bedeute stärkere Aufwinde – dadurch könne ein Wirbelsturm die verfügbare Feuchtigkeit effektiver in Regenfälle umwandeln.

Thomas Knutson von der amerikanischen Klimabehörde Noaa stimmt dem zu. Er gibt allerdings auch zu bedenken, dass bis anhin ein Indiz fehlt: Es ist noch nicht gelungen, formal anhand von Messdaten nachzuweisen, dass die Niederschlagsrate in tropischen Wirbelstürmen zugenommen hat.

Eine ähnlich ausführliche Analyse wie zu «Helene» hat die WWA-Gruppe für «Milton» derzeit noch nicht veröffentlicht. Sie gab aber eine vorläufige Einschätzung ab. Demnach ist in Florida wegen des Wirbelsturms an einem Tag 20 bis 30 Prozent mehr Regen gefallen, als das in einer Welt ohne Klimawandel der Fall gewesen wäre. Als «Milton» die Küste erreichte, zählte er zur Kategorie 3 – ohne die Erderwärmung wäre er nur ein Hurrikan der Kategorie 2 gewesen. Ob diese Aussagen der genaueren Analyse standhalten, wird sich noch zeigen.

In gebirgigen Regionen ist die Erfahrung mit Hurrikanen gering

Die meisten Opfer forderte «Helene» laut der WWA-Analyse in gebirgigen Regionen weitab vom Meer. Dort sei die Handy- und Internetversorgung lückenhaft, man habe nur wenig Erfahrung mit Hurrikanen und eine begrenzte Fähigkeit, Evakuierungen durchzuführen, heisst es in dem Text.

«Milton», der quer über Florida zog und andere Gliedstaaten verschonte, erwies sich im Vergleich zu «Helene» als weniger tödlich, man zählte nur 23 Todesopfer. Florida ist Hurrikane allerdings auch viel mehr gewohnt und war darum besser vorbereitet als die nördlich angrenzenden Staaten, welche durch «Helene» so stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren.

Die Rating-Agentur Moody’s schätzt, dass die beiden Hurrikane in den USA zusammen einen versicherten Schaden von 35 bis 55 Milliarden Dollar angerichtet haben, es gibt aber auch noch höhere Schätzungen.

Verschwörungstheorien breiten sich aus

Die Trümmer sind noch nicht alle beseitigt, da machen schon Verschwörungstheorien und andere übertriebene Aussagen die Runde. In sozialen Netzwerken verbreitet sich zum Beispiel die Behauptung, die Hurrikane seien nur durch technische Manipulation so stark geworden. Anderswo heisst es, die Zahl kräftiger Hurrikane habe extrem zugenommen.

Doch für diese beiden Behauptungen gibt es überhaupt keine Belege. Für eine technische Manipulation sind Hurrikane viel zu riesig, und die Zahl kräftiger Hurrikane hat allenfalls leicht zugenommen, aber sicher nicht extrem. Trotzdem verbreiten sich die Behauptungen rasch, was vermutlich auch dem Präsidentschaftswahlkampf geschuldet ist, der zurzeit in den USA tobt.

Gute Belege gibt es hingegen für die Faktoren, welche die Hurrikane tatsächlich stärker gemacht haben, als sie früher geworden wären – nämlich hohe Wassertemperaturen. Der Golf von Mexiko ist derzeit so warm, wie er zu dieser Jahreszeit bis anhin nur in sehr wenigen Jahren war. «Helene» und «Milton» zogen über rund 30 Grad Celsius warmes Wasser. Beide Wirbelstürme haben sich auf ihrer Zugbahn explosionsartig verstärkt.

Die Kosten steigen, weil Floridas Bevölkerung wächst

Oft wird über den Einfluss des Klimawandels auf Wirbelstürme gesprochen, und dabei kommt ein anderer Effekt, der die Schäden in die Höhe treibt, viel zu kurz. Dass die Kosten durch Hurrikane im Laufe der Jahre immer weiter gestiegen sind, schreiben Fachleute nämlich weniger der Erderwärmung zu als einem gesellschaftlichen Faktor: Immer mehr Menschen siedeln sich in Gebieten an, in denen tropische Wirbelstürme auftreten. Ausserdem wird dort immer mehr teure Infrastruktur errichtet, die durch Wind, Sturmflut und Regen beschädigt werden kann.

Noch ist keine Trendwende dieser Entwicklung in Sicht. Das gilt ganz besonders für Florida, den Sonnenstaat der USA: Der Zuzug ist seit Jahrzehnten konstant. Allein zwischen 2012 und 2022 wuchs die Bevölkerung von 19,3 auf 22,2 Millionen – das ist ein Zuwachs von 15 Prozent. Noch deutet nichts darauf hin, dass ein Umdenken eingesetzt hätte. Da mögen die Hurrikane so heftig toben, wie sie wollen.

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