Der Schliesstechnikkonzern überrascht für einmal positiv – nicht nur mit Blick aufs operative Geschäft. Ausserdem: Was die Google-Suchtrends über Richemont und Lindt verraten, wie es um Geberit steht, was die Aktienplatzierung für Galderma bedeutet und ein Wort zu Hochdorf.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Dormakaba ist auf Kurs. Mit den vorgelegten Zahlen für das Ende Juni abgeschlossene Geschäftsjahr 2023/24 hat der Schliesstechnikkonzern die Markterwartungen übertroffen und gezeigt, dass die Transformation voranschreitet. Das zweite Halbjahr sei trotz der weiterhin schleppenden Neubautätigkeit mit Blick auf die Umsatz- und Margenentwicklung besser verlaufen als das erste, sagte CEO Till Reuter an der Medien- und Analystenkonferenz. Der starke Cashflow ermöglicht einen weiteren Schuldenabbau, und auch Übernahmen werden zum Thema.
Der Aktienkurs hat sich schon in den Tagen vor der Publikation deutlich nach oben bewegt. Die Titel notieren auf dem höchsten Stand seit Anfang 2022.
Für viele der Zuhörenden dürfte die Kommunikation vom Dienstag ein ziemlich neues Gefühl auslösen; in der Vergangenheit hat Dormakaba wiederholt enttäuscht. «Overpromising – underdelivering» wurde dem alten Management vorgeworfen. Wachstum und Profitabilität blieben regelmässig hinter den eigenen Ambitionen und vor allem hinter der Konkurrenz zurück. Die Unternehmenskultur und die Produktpalette waren zu wenig leistungsorientiert, Struktur, IT und Beschaffung zu komplex.
Unter dem Management von CEO Reuter, der das Unternehmen seit rund sieben Monaten führt, zeigen sich nun Anzeichen der Besserung, die eingeleiteten Massnahmen beginnen zu greifen. Sowohl das Wachstum von 4,7% mit einem starken Plus bei den verkauften Volumen, als auch die adjustierte Ebitda-Marge mit 14,7% überraschte positiv. Gemäss René Peter, CFO ad interim, konnte das Unternehmen insbesondere in der Beschaffung Kosten einsparen und die Effizienz in der Produktion dank der Optimierung und der Verlagerung von Standorten steigern.
Dormakaba ist dem Ziel, künftig aus eigener Kraft jährlich 3 bis 5% zu wachsen und bis zum Geschäftsjahr 2025/26 Kosten in der Höhe von 170 Mio. Fr. einzusparen einen grossen Schritt nähergekommen. Damit sollen mittelfristig eine bereinigte Ebitda-Marge von 16 bis 18% und eine Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) von über 30% erreicht werden. Ebenso wichtig dürfte die Verbesserung der Glaubwürdigkeit sein.
Der Bewertungsabschlag – derzeit rund 50% auf Basis des Verhältnisses von Unternehmenswert zu operativem Ergebnis Ebitda für 2024/25 gegenüber dem Branchenprimus Assa Abloy – dürfte sich bei weiteren operativen Fortschritten weiter verringern.
Mit Blick auf die weiteren operativen Verbesserungen entscheidend ist aus meiner Sicht eine zweite Meldung, die ebenfalls heute versendet worden ist.
Ilias Läber, Gründer und Partner des Grossaktionärs Spectrum Entrepreneurial Ownership Fund, soll an der kommenden Generalversammlung vom 10. Oktober 2024 zusammen mit Marianne Janik in den Verwaltungsrat gewählt werden. John Liu wird sich aus dem Gremium zurückziehen, die zweite Vakanz stammt noch aus der Ernennung von Till Reuter zum CEO und seinem gleichzeitigen Rücktritt aus dem Verwaltungsrat.
Mit Läber kommt nicht nur Erfahrung in den Verwaltungsrat, der 50-Jährige dürfte auch die angekündigten operativen Massnahmen vorantreiben wollen. Die 2022 gegründete SEO ist gemäss Offenlegung bei der Regulierungsbehörde der Schweizer Börse SER seit rund einem Jahr mit etwas mehr als 8% an Dormakaba beteiligt. Gemäss eigenen Angaben verfolgt SEO als Langfristinvestorin eine «Private-Equity-Philosophie». Sie spezialisiert sich auf kränkelnde Schweizer Unternehmen, bei denen sie realisierbares Verbesserungspotenzial sieht. Als Investorin will sich SEO aktiv einbringen.
Das dürfte Dormakaba gut tun. Der schlechte Leistungsausweis mit Blick auf frühere Verbesserungsbemühungen liegt auch an der Eigentümer- und Governance-Struktur: Die Poolaktionäre um die Erben der beiden Gründerfamilien kontrollieren über die Holdingstruktur rund 62% des Unternehmens, auch wenn der Streubesitz der kotierten Gesellschaft mehr als 70% beträgt. Sie können zudem gemäss Statuten bis zu fünf der zehn Verwaltungsräte stellen.
In der Vergangenheit hatten sich insbesondere diese Verhältnisse im Verwaltungsrat als Hürde erwiesen. Durch die Kontrolle über die Hälfte des Gremiums sei es den Familienaktionären bisher möglich gewesen, bei wichtigen Entscheidungen eine Pattsituation zu erzwingen, mit der Vorschläge faktisch zum Erliegen gekommen sind, wie ich höre. Das Unternehmen gibt nicht bekannt, welche Mitglieder Interessensverbindungen zu den Familien Mankel und Kaba aufweisen. Auch jetzt ist nicht klar, ob mit John Liu ein Familienvertreter ersetzt wird. Doch es gibt Hoffnung, das dank Läber und Janik Bewegung ins Gremium kommt.
Auch ging der Wechsel nicht geräuschlos vonstatten. Die deutschen Familienaktionäre haben sich wohl gegen die Ernennung von Läber als Vertreter von SEO gewehrt. Unter anderem brachten sie das Argument vor, dass jeder SEO-Vertreter im Verwaltungsrat das Risiko eines «Acting in Concert» mit dem Familienpool und einer potenziellen Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots mit sich bringen würde. Die Dormakaba Holding, die Familie Mankel Industriebeteiligungs GmbH und das Mankel Family Office haben gemeinsam ein Gesuch an die Übernahmekommission gerichtet zur Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht an die Publikumsaktionäre.
Laut Medienmitteilung von gestern Dienstag kommt die Übernahmekommission zum Schluss, dass weder der Antrag des Dormakaba-Verwaltungsrats auf Wahl eines Vertreters von SEO ins Gremium noch dessen Wahl durch die Generalversammlung die Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 Abs. 1 FinfraG auslöst. Dies gelte auch für künftiges Verhalten der Mitglieder des Verwaltungsrats, soweit die Vertreter der Familienaktionäre auf deutscher wie auf Schweizer Seite und SEO die «Principles of Conduct to Prevent Inadvertent Acting in Concert» einhielten. Die Gesuchssteller müssen für die Abklärungen eine Gebühr von 20’000 Fr. entrichten – ein klares Verdikt, dass die Aktionäre rund um die Familie Mankel mit ihrem Vorstoss gescheitert sind.
Ich habe mich diese Woche bei Stifel-Analyst Christian Arnold inspirieren lassen. In seinem Update zu Geberit versucht er die Nachfrage nach den Produkten des Sanitärtechnikers unter anderem mittels einer Analyse der Google-Trends nachzuvollziehen: Der Suchbegriff «Badezimmer» zeigte im wichtigsten Markt Deutschland, wo das Unternehmen rund 30% des Umsatzes erwirtschaftet, zuletzt eine Aufwärtsbewegung.
Daraus direkt etwas für den Unternehmenserfolg von Geberit abzuleiten, finde ich schwierig – zumal die Erholung bei den Suchanfragen auf mittlere bis längere Frist nicht gerade eindeutig ist. Dennoch sind Google-Trends eine spannende Quelle, vor allem lassen sich auch Unternehmensnamen, Produkte und Marken damit suchen.
Am sinnvollsten ist die Suche im Konsumgüterbereich, dort, wo potenzielle Kundinnen sich online informieren oder gar Einkäufe tätigen. Ein interessantes Beispiel ist Cartier. Die wichtigste Schmuckmarke von Richemont erfreute sich in den vergangenen Jahren immer grösserer Beliebtheit. Wenig überraschend zeigt der Trend bei den weltweiten Suchanfragen über die vergangenen fünf Jahre nach oben. Zuletzt hat das Google-Interesse in den USA zugenommen, eine Konsumschwäche sieht anders aus – das weckt doch Zuversicht.
Was sich auch zeigt: Teurer Schmuck wird gerne mal unter den Weihnachtsbaum gelegt, ab Mitte November steigen die Suchabfragen jeweils deutlich an. Noch stärker ausgeprägt ist die Saisonalität bei Lindt & Sprüngli. Das deckt sich mit der Umsatzentwicklung, der Schokoladenhersteller erwirtschaftet den Grossteil seines Erlöses zu Ostern und Weihnachten. Und das Interesse steigt von Jahr zu Jahr.
Das sind natürlich vor allem Spielereien. Niemand weiss, mit welcher Absicht die Leute online nach einer Marke suchen, und schlechte Presse führt wahrscheinlich auch zu mehr Suchanfragen. Ausserdem spielt Google in einigen Regionen – vor allem in China – eine untergeordnete Rolle, was die Ergebnisse zusätzlich verzerrt.
Für seine Analyse zu Geberit zieht Stifel-Analyst Arnold noch weitere Indikatoren hinzu. So zeichne sich laut der jüngsten Umfrage des deutschen Ifo-Instituts mit Blick auf die Gesamtsituation im deutschen Bausektor zwar eine Stabilisierung ab, dieser Wert sei jedoch auf den Infrastruktur- und Nichtwohnungsbau zurückzuführen und deshalb für das Schweizer Unternehmen wenig relevant. Der Wohnungsbau hingegen kämpfe gegenwärtig weiterhin mit Problemen.
Mit Blick auf die kommenden Monate ist Arnold jedoch zuversichtlicher, was die Bauaktivität im Wohnbereich betrifft: Die deutschen Hypothekarzinsen sind zuletzt deutlich gesunken, jene auf zehnjährige Festhypotheken durchschnittlich um rund 40 Basispunkte auf 3,4%, gleichzeitig hätten die Anträge auf Immobilienkredite Mitte August deutlich zugenommen, seit Ende März zeige der Trend nach oben.
Geberit erwartet für das Gesamtjahr eine insgesamt rückläufige Bauindustrie. Sie schlägt sich angesichts der anhaltenden Krise im europäischen Wohnungsbau bisher aber bemerkenswert gut – das haben auch die Mitte August publizierten Halbjahreszahlen gezeigt. Die Verkaufsvolumen konnten nach einem Einbruch in der Vorjahresperiode gehalten werden. Dabei helfen die guten Vertriebskanäle und neue Technologien wie der Ausbau der Toiletten mit verborgenen Wasserkästen oder integrierter Duschfunktion. Die Grosshändler hätten laut CEO Christian Buhl begonnen, die Lagerbestände aufzufüllen.
Noch beeindruckender ist die konstant hohe Profitabilität und Rentabilität, wobei die sinkenden Materialkosten im ersten Halbjahr für etwas Rückenwind sorgten. Für das Gesamtjahr erwartet das Geberit-Management eine Betriebsgewinnmarge fast auf Vorjahresniveau. Dank einer Ausschüttungsquote von mehr als 75% sind auch die Aktionäre am guten Abschneiden beteiligt, die erwartete Dividendenrendite für 2024 liegt derzeit bei 2,4%. Am Montag ist ausserdem ein neues Aktienrückkaufvolumen mit einem Maximalvolumen von 300 Mio. Fr. über zwei Jahre gestartet.
Frische Fantasie kommt angesichts dieser Aussichten zwar nicht auf, ich halte aber an meinen Geberit-Aktien fest.
Und sie tun es doch: Die Finanzinvestoren EQT, Abu Dhabi Investment Authority und Auba Investment haben am Dienstag gemäss einer Bloomberg-Meldung ein grosses Galderma-Aktienpaket abgestossen. Insgesamt hätten die Grossaktionäre bis zu 14,3 Mio. Titel am Markt platziert und damit mehr als 1 Mrd. Fr. eingenommen. Daraus errechnet sich ein Platzierungspreis von knapp 75 Fr. je Aktie.
Nach dem Verkauf eines 10%-Anteils an L’Oréal Anfang August war die Haltefrist von 180 Tagen seit dem Börsengang im März etwas in den Hintergrund geraten und der Druck von den Titeln gewichen. Die Altaktionäre haben nun anscheinend die gute Kursentwicklung der vergangenen Wochen doch genutzt, um Geld zu machen. Am Markt kam die Platzierung gut an, das Angebot war vielfach überzeichnet. Die Zuteilungen seien ziemlich dürftig gewesen, wie ich höre.
Am Mittwochmittag notieren die Aktien selbstredend unter dem gestrigen Schlusskurs von gut 80 Fr. aber bereits wieder deutlich über dem Platzierungspreis. Die Nachfrage nach den Aktien des Dermatologiespezialisten ist offensichtlich intakt.
Auch ich halte Galderma weiterhin für ein attraktives Investment. Das Unternehmen ist in lukrativen Wachstumsmärkten bestens positioniert. Die Verschiebung in profitablere Nischen und die rückläufigen Investitionskosten schieben die Marge an. Zudem erhöht sich mit jeder Platzierung der Streubesitz. Mittlerweile liegt er bei knapp 39%, nach dem Börsengang waren es noch rund 20% gewesen. Interessierte können Rücksetzer wie heute nutzen, um eine Position auf- oder auszubauen.
Hochdorf ist am Ende. Was sich seit Monaten abgezeichnet hat, wird nun Tatsache: Das operative Geschäft des Milchpulverherstellers soll an AS Equity Partners verkauft, aus der Holding herausgelöst und unter der neuen Eigentümerschaft weitergeführt werden. Der Holding wurde eine provisorische Nachlassstundung gewährt. Der Vollzug der Transaktion unterliegt unter anderem der Zustimmung an der ausserordentlichen Generalversammlung am 18. September. Dabei gehen Aktionärinnen und Halter der Hybridanleihe beinahe leer aus.
Das Trauerspiel der vergangenen Jahre hat geradezu exemplarisch gezeigt, welche Faktoren entscheidend sind, um ein stabiles Unternehmen in kurzer Zeit zu Fall zu bringen: falsche Wachstumsanreize und zu grosse Versprechungen, dubiose ausländische Investoren und ein gieriges Management sowie ein schwacher Verwaltungsrat. Die ganze Geschichte des Niedergangs von Hochdorf würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
Darum möchte ich mich heute auf das Übernahmeangebot konzentrieren.
Die Investmentgesellschaft AS Equity Partners ist auf Technologiefirmen in speziellen Situationen fokussiert und bietet 83 Mio. Fr. für Hochdorf Swiss Nutrition. Nach Abzug des noch ausstehenden Konsortialkredits bleiben 15,5 Mio., die der Holding zufliessen werden. Damit lassen sich die finanziellen Altlasten, insbesondere die im Jahr 2017 begebene Hybridanleihe in Höhe von 125 Mio. Fr. sowie damit verbundene Zinszahlungen, nicht begleichen. Für die an der Schweizer Börse kotierten Aktien der überschuldeten Holding muss die neue Eigentümerin kein Angebot vorlegen, sie sollen dekotiert werden.
Die Aktien haben auf die Publikation des Angebots am Dienstag vor einer Woche mit einem herben Abschlag reagiert, in den vergangenen Tagen schwankte der Kurs zwischen wenigen Rappen und 1.50 Fr.
Gemäss einem vom Hochdorf-Verwaltungsrat in Auftrag gegebenen unabhängigen Bewertungsbericht sei der Verkaufspreis als fair zu beurteilen. Auf den ersten Blick sieht das Angebot aber mickrig aus. Dem Unternehmenswert (EV) von 171 Mio. Fr. steht ein erwartetes Ebitda von knapp 13 Mio. für das laufende Geschäftsjahr gegenüber. Macht ein Verhältnis von rund 6. Das ist im Vergleich mit anderen Schweizer Nahrungsmittelherstellern tief bis sehr tief, Emmi kommt auf ein EV/Ebitda von 13, Aryzta auf 8, Nestlé gar auf 15.
Klar ist aber auch: Mit diesen erfolgreichen Firmen kann sich Hochdorf nicht messen. Nach den gescheiterten Expansionsplänen der vergangenen Jahre sind die Wachstumsaussichten schlecht, das Unternehmen schreibt seit Jahren einen Verlust und hat seit mindestens 2018 keinen Wert für die Aktionärinnen mehr geschaffen. Immerhin: Wenn durch die nun angestrebte Transaktion der Schuldendienst der Holding wegfällt, könnte das Unternehmen unter dem Strich wieder einen kleinen Gewinn erwirtschaften. Insgesamt zeigte die operative Leistung zuletzt in die richtige Richtung.
Fragen werfen die Aktiva in der Bilanz per Ende Dezember 2023 auf. Dem Kaufpreis von 15,5 Mio. Fr. stehen nur schon Liegenschaften mit einem Buchwert von knapp 47 Mio. und weitere Sachanlagen wie Geräte und Maschinen im Wert von fast 80 Mio. gegenüber. Macht da AS Equity Partners einen sehr guten Deal?
Ja, wahrscheinlich schon. Umgekehrt hatte Hochdorf schlicht kaum eine andere Option, mehr Geld aus den Sachanlagen zu machen: Die Immobilien sind grösstenteils an die Produktion am Standort Sulgen gebunden, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilt. Genauere Angaben macht Hochdorf zwar nicht, aber es ist anzunehmen, dass sowohl die Liegenschaften als auch die Maschinen einen erheblich kleineren Wiederverkaufswert haben, wenn Sie nicht für die Herstellung von Milchpulver genutzt werden können – oder was würden Sie mit einem über dreissig Meter hohen Sprühturm anfangen?
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter