Sonntag, September 29

Die Aktien des Schliesstechnikspezialisten haben sich klar erholt. Für einen weiteren Aufschwung braucht es nun ein Zeichen, dass die angestrebten Verbesserungsmassnahmen greifen – und ein Umdenken im Verwaltungsrat.

Rund ein Jahr ist es her, seit The Market in einer ausführlichen Analyse über Dormakaba berichtet hat. Damals hielten wir fest: «Das Unternehmen hat eigentlich alle Attribute für ein attraktives Investment» – wenn da nur endlich Bewegung reinkäme, um den Abstand zur Konkurrenz zu reduzieren. Tatsächlich hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Die Aktien haben ihren seit Ende 2022 währenden Aufwärtstrend fortgesetzt.

Und doch gibt es bereits warnende Stimmen, dass die Anfang Juli 2023 angekündigten Verbesserungsmassnahmen nicht wie erwünscht umgesetzt werden. Das spiegelt sich in der Prognose für die kommenden Jahre: Die Analysten trauen Dormakaba im Schnitt nur ganz knapp zu, die für das Geschäftsjahr 2025/26 (per Ende Juni) gesteckten Ziele zu erreichen. Dies, obschon das neue Management gewillt scheint, dem Rückstand endlich zu begegnen. Damit stellt sich die Frage: Wie steht es um das Schliesstechnikunternehmen und sind die Aktien weiterhin attraktiv?

Aus dem jahrelangen Anlegerfrust wird eine Chance

Die Ausgangslage war so frustrierend wie vielversprechend: In einem oligopolistischen, strukturell wachsenden Geschäft mit hohen Bruttomargen, einer niedrigen Kapitalintensität und einem hohen Anteil an wiederkehrendem Ertrag ist Dormakaba über Jahre ihren Konkurrenten Assa Abloy aus Schweden und Allegion aus den USA hinterhergehinkt. Grund dafür war eine Reihe hausgemachter Probleme. Dem Management ist es seit der Fusion nie gelungen, die Kosten zu senken und die Produktion auf Effizienz zu trimmen.

Der Abstand zur Konkurrenz sorgte für einen stetig sinkenden Aktienkurs und entsprechend viel Frust bei den Publikumsaktionären. Doch es eröffnete sich auch einiges an Aufwärtspotenzial.

Nach dem frühzeitigen Rücktritt von Riet Cadonau als Verwaltungsratspräsident im April vergangenen Jahres und einem abermaligen Wechsel an der Unternehmensspitze scheint ein Ruck durch das Unternehmen gegangen zu sein. Dormakaba soll nicht mehr länger wie das hässliche Entlein neben Hauptkonkurrentin Assa Abloy daherkommen. Besonders mit Blick auf die Profitabilität haben sich die Schweizer zum Ziel gesetzt, zur schwedischen Nummer eins im Markt aufzuschliessen. Im Geschäftsjahr 2022/23 betrug die Differenz bei der Marge auf Stufe Ebitda rund 8 Prozentpunkte.

Diese grosse Lücke soll dank Massnahmen wie Werkschliessungen und -verlegungen, der Verbesserung in der Beschaffung sowie der Rationalisierung bei den zentralen Diensten endlich geschlossen werden. Shape4Growth heisst das Programm, und angesichts der bestehenden Überkapazität gibt es durchaus einiges, das Dormakaba aus eigener Kraft verbessern kann. Ziel ist es, künftig jährlich aus eigener Kraft 3 bis 5% zu wachsen und bis im Geschäftsjahr 2025/26 Kosten in der Höhe von 170 Mio. Fr. einzusparen. Damit sollen eine bereinigte Ebitda-Marge von 16 bis 18% und eine Rendite auf dem eingesetzten Kapital (ROCE) von über 30% erreicht werden.

Die vom Management angekündigten Massnahmen sind sinnvoll, aber die Umsetzung muss jetzt folgen

Die angekündigten Vorhaben sind sehr sinnvoll, bestätigen verschiedene investierte Fondsmanager, und sie könnten das Unternehmen durchaus wieder zu einer interessanten Langzeitanlage machen – wenn sie denn so wie angekündigt durchgeführt werden. Hier scheint es noch Zweifel zu geben. Und das fliesst wie erwähnt auch in die durchschnittliche Schätzung der Analysten ein: Für das laufende Geschäftsjahr erwarten sie eine Ebitda-Marge von 13,2%, für 2024/25 von rund 15% und für 2025/26 grad etwas mehr als 16%. Der Umsatz soll dann gut 3 Mrd. Fr. betragen.

Der Unglauben, dass mehr drin liegen könnte, geht zu einem Grossteil auf die Historie zurück. Dormakaba hat keinen guten Leistungsausweis, was das Umsetzen von Massnahmen zur operativen Verbesserung angeht. Seit der Fusion von Dorma und Kaba im Jahr 2015 hat das Unternehmen das Ebitda-Margenziel von zuerst 18 und später 16% nie erreicht. Das durchschnittliche organische Umsatzwachstum lag mit 2,6% ebenfalls unterhalb des Zielbands von 3 bis 5% wie die Analysten der Zürcher Kantonalbank berechnet haben. Zuletzt wurde der Zuwachs vor allem durch Preissteigerungen getrieben. Das sind neun Jahre, in denen Dormakaba Semester für Semester die Erwartungen verfehlte. Entsprechend dürften bei vielen (langjährigen) Investoren und Beobachterinnen die Skepsis nie weit sein.

Das Unternehmen verweist auf Anfrage von The Market nach den Fortschritten auf die Anfang März präsentierten Halbjahreszahlen für 2023/24: Die um Restrukturierungskosten bereinigte Ebitda-Marge stieg gegenüber der Vorjahresperiode 1,6 Prozentpunkte auf 14,6%, was die operativen und beschaffungsbezogenen Effizienzsteigerungen im Rahmen des Programms reflektiert habe – und positiv stimmt für das Jahresziel von mehr als 13,5%. Mit einem soliden Umsatzwachstum von 3,9% entwickelte sich das Unternehmen besser als die Mitbewerber. Die Umsetzung weiterer Massnahmen schreite wie geplant voran, was an verschiedenen Beispielen abzulesen sei: Im Juni hat das Unternehmen etwa die Eröffnung des Dormakaba Business Centers für Europa & Afrika in Sofia kommuniziert, als letztes der drei geplanten regionalen Zentren.

Alexander Koller von Vontobel sieht keinen Grund, am Vorhaben des Managements zu zweifeln. Dieses sei sich dem Abstand zur Konkurrenz klar bewusst. «Natürlich braucht die Umsetzung der angekündigten Massnahmen Zeit», sagt der Analyst. Das Unternehmen habe deswegen kommuniziert, dass auch nächstes Jahr noch Sonderfaktoren anfallen werden. Für besonders wichtig hält er die Rationalisierung der Produktion; zum Teil produziert Dormakaba immer noch in Hochpreisländern. Ausserdem sind einige der Werke nicht ausgelastet, weswegen die angekündigte Zusammenlegung sinnvoll sei.

Das alles kostet, wie der Halbjahresbericht ebenfalls deutlich machte. Budgetiert sind einmalige rund 225 Mio. Fr., hinzu kommen einmalige zusätzliche Investitionsausgaben (Capex) von rund 100 Mio. Fr. in den Bereichen IT und Operations. Einen Schub verspricht sich Dormakaba auch in der Forschung und Entwicklung, um die Technologieführerschaft zu bewahren. Hier sollen die Aktivitäten gebündelt und die Dauer bis zur Produktlancierung verkürzt werden. Mit knapp 4,5% des Umsatzes investiert Dormakaba etwas mehr in künftiges Wachstum als die Konkurrenz, und auch bei der Rendite auf dem eingesetzten Kapital (ROCE) schneiden die Schweizer mit 27,5% im ersten Halbjahr 2023/24 besser ab.

Die Nettoverschuldung liegt mit 600 Mio. Fr. und einem geschätzten Verhältnis zum Ebitda von 1,6 für 2023/24 zwar immer noch höher als bei der Konkurrenz, konnte zuletzt aber verringert werden. Auch der höhere freie Cashflow ist ein gutes Signal, zumal Dormakaba an der Ausschüttungspolitik nichts ändern will. Rund die Hälfte des den Aktionären zurechenbaren Gewinns soll ausgeschüttet werden – in der Vergangenheit waren es oftmals etwas mehr. Für dieses Jahr erwarten Analysten im Schnitt erneut eine etwas niedrigere Dividende.

Dormakabas Gründererben dominieren das Aktionariat und den Verwaltungsrat

Nach den Gewinnwarnungen und Enttäuschungen der vergangenen Jahre müsse Dormakaba das Image abschütteln, schlechtere Qualität als die Wettbewerber zu bieten, hält Delphine Brault, Analystin bei der Anlageboutique Oddo fest. «Der Track Record ist nicht gut», bestätigt auch Koller. Ärgerlich sei in diesem Zusammenhang der Ausfall von Finanzchefin Christina Johansson, die aus gesundheitlichen Gründen abwesend ist und seit Anfang Juli von René Peter vertreten wird. Gerade angesichts der Bemühungen wäre der Blick auf Finanzfragen entscheidend. CFO Johansson gilt auch bei Fondsmanagern als gute Besetzung, ihr Ausfall schmerze.

Die Unternehmensführung war bei Dormakaba wiederholt ein leidiges Thema. Mit dem Abgang von Riet Cadonau veränderten – und verbesserten – sich zwar die Verhältnisse aus Investorensicht. Er stand symbolisch für den gescheiterten Zusammenschluss und die verkrusteten Strukturen. Der neue Verwaltungsrat trägt die operativen Bemühungen mit. Till Reuter wurde als dritter Konzernchef in weniger als drei Jahren zunächst skeptisch beäugt, kommt aber inzwischen bei Investoren und Analysten gut an. Dennoch: Die derzeitige komplexe Aktionärsstruktur und die damit verbundene Corporate Governance stellen aus Sicht der Klein- und Minderheitsaktionäre ein Risiko dar. Sie könnten Verbesserungsbemühungen verlangsamen oder sogar aufhalten.

Die Poolaktionäre um die Erben der beiden Gründerfamilien kontrollieren über die Holdingstruktur rund 62% des Unternehmens, auch wenn der Streubesitz der kotierten Gesellschaft mehr als 70% beträgt. Sie können zudem bis zu fünf der zehn Verwaltungsräte stellen. Weder im Geschäftsbericht noch auf der Webseite oder auf Anfrage von The Market kommuniziert das Unternehmen jedoch, wer mit den Erben verbandelt ist. Laut einem Sprecher erfüllten alle Mitglieder die nach dem Swiss Code of Best Practice relevanten Voraussetzungen der Unabhängigkeit.

Keine Auskunft gibt es auch zu den Abstimmungsregeln im VR. Die Entscheidungsfindung sei im Organisationsreglement geregelt, das nicht öffentlich ist. Damit ist nicht klar, ob die Stimmen der fünf Poolvertreter reichen würden, um ein Vorhaben bachab zu schicken. Etwas mehr Transparenz punkto Governance würde dem Unternehmen nicht schaden, zumal die Minderheitsaktionäre der Mehrheit ohnehin ausgesetzt sind.

Ist Dormakaba ein Fall für Private Equity?

In dieser Hinsicht hat von aussen betrachtet auch der Einstieg von Spectrum Entrepreneurial Ownership (SEO Management) bisher nichts bewegt. Die von Holcim-Grossaktionär Thomas Schmidheiny mitfinanzierte Investmentgesellschaft hält seit knapp einem Jahr rund 8% am Unternehmen, wie aus der Offenlegung bei der Regulierungsbehörde der Schweizer Börse SER hervorgeht. SEO verfolgt als Langfristinvestorin gemäss eigenen Angaben eine «Private-Equity-Philosophie». Sie spezialisiert sich auf kränkelnde Schweizer Unternehmen, bei denen sie realisierbares Verbesserungspotenzial sieht. Als Investorin will sich SEO aktiv einbringen. Das bedeutet auch, dass sie gerne Einsitz im Verwaltungsrat von Dormakaba nehmen würde. Das Unternehmen kommentiert diese Möglichkeit nicht.

Operatives Verbesserungspotenzial in einem im Grunde soliden Geschäft, eine im Branchenvergleich angespannte Finanzierungslage und Abstriche bei der Governance- und Aktionärsstruktur: Das hört sich nach einem attraktiven Fall für Private Equity an. Tatsächlich soll laut einem Fondsmanager bereits vor einiger Zeit ein Übernahmeangebot auf dem Tisch gelegen haben. Ob es an den Familienaktionären scheiterte, konnte The Market nicht in Erfahrung bringen. Das Unternehmen will sich zu Gerüchten und Spekulationen nicht äussern. Ein Going Private hätte den Vorteil, dass das Unternehmen ohne Öffentlichkeitsverpflichtungen den Umbau wohl stärker vorantreiben könnte. Aber klar: Auch dafür müssten die Familienaktionäre erst ihren Segen geben.

Der Bewertungsabschlag ist kleiner geworden

Dormakaba bewegt sich in die richtige Richtung, was sich bereits im Aktienkurs spiegelt. Bei der Vorlage der Zahlen für 2023/24 am 3. September muss das Unternehmen nun zeigen, dass die angestrebten Verbesserungsmassnahmen auf Kurs sind. Unter der Voraussetzung, dass die operativen Hebel und der Transformationsplan greifen, haben die Titel weiteres Potenzial, wie ein Bericht von Oddo zeigt. Analystin Brault sieht die erwartete bereinigte Ebitda-Marge bei erfolgreicher Umsetzung rund einen halben Prozentpunkt über dem Durchschnitt und stufte die Aktien jüngst auf «Outperform» hoch, mit einem Kurspotenzial von rund 8%. Die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen empfehlen, die Titel zu halten.

Auch The Market rät, an den Aktien festzuhalten, für eine Aufstockung gibt es jedoch keinen Anlass. Das stützt auch ein Blick auf die Bewertung: Der Abschlag gegenüber der Konkurrenz ist basierend auf den gegenwärtigen Gewinnschätzungen bis 2025/26 kleiner geworden, schnellere operative Verbesserungen als erwartet gäben etwas Luft nach oben. Aber damit die Schweizer die Lücke schliessen können, wären vor allem weitere Veränderungen im Aktionariat und im Verwaltungsrat nötig.

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