Die Fitnesskur des Schliesstechnikkonzerns zeigt Wirkung. Bis das Margenpotenzial ausgeschöpft wird, dürfte es jedoch noch etwas dauern. Dranbleiben sollte sich auszahlen.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Die überfällige Restrukturierung des Zürcher Schliesstechnikkonzerns Dormakaba wird Jahre dauern. Unter neuer Führung und einem Fitnessprogramm («Shape4Growth») wurde das Unternehmen Mitte 2023 einer grundlegenden Neuorientierung unterzogen. Ziel ist eine einfachere, schlagkräftigere Organisation, die das inhärente Margenpotenzial ausschöpfen kann. Seit dem Zusammenschluss von Kaba und dem deutschen Konkurrenten Dorma im Jahr 2015 ist das dem Unternehmen nie richtig gelungen.
Unglückliche Ehe
Die Fusion von Kaba und Dorma war ein Lehrbeispiel eines wertzerstörenden Zusammenschlusses. Drei Jahre nach der Traumhochzeit ging es kontinuierlich nach unten. Der Fall erinnert mich an die im selben Jahr stattgefundene Fusion der beiden Zementkonzerne Holcim und Lafarge. Auch diese Ehe vernichtete in den Folgejahren enorm viel Wert. Mittlerweile ist es Holcim indes gelungen, das Trauma abzuschütteln und zu einem rentablen, wachstumsstarken Unternehmen zu werden. Auch diese Wende erforderte von den Aktionären hingegen enorm viel Geduld.
Dormakaba ist in ihrer Genesung noch nicht so weit wie Holcim. Doch die Zeichen stehen gut, dass es unter dem umfassend erneuerten Management auch ihr gelingen wird, die Gewinnkraft ihres Geschäftsmodells endlich zur Entfaltung zu bringen.
Es ist wohl mehr als ein Zufall, dass es wie bei Holcim auch bei Dormakaba der Industrielle Thomas Schmidheiny (6,4% Beteiligung bei Holcim) ist, der im Hintergrund die Restrukturierung orchestriert. Sein Finanzvehikel SEO Master Fund hat im Mai 2023 eine meldepflichtige Beteiligung an Dormakaba von 3% erworben und sie kurz darauf auf gut 8% erhöht.
Die Richtung stimmt
Die am Dienstag publizierten Semesterzahlen (Mitte 2023 bis Ende 2024) zeigen zwei Dinge: Der Trend stimmt, die operative Verbesserung durch das Fitnessprogramm zeigt Wirkung. Zum anderen braucht es wie bei Holcim einige Geduld, bis die Früchte geerntet werden können.
Mir scheint es lohnenswert, diese Geduld aufzubringen und an der Genesung von Dormakaba als Aktionär zu partizipieren.
In der Semesterrechnung erreichten fast keine Zahlen die Vorjahreswerte. Das war indes den hohen Sonderkosten geschuldet, die das dreijährige Restrukturierungsprogramm verursacht. Der Umsatz reduzierte sich in der Frankenrechnung um 3% auf knapp 1,4 Mrd. Fr. und die operative Gewinnmarge auf Stufe Ebit ging von 7,1% auf 6,4% zurück.
Zur Messung der operativen Fortschritte eignet sich deshalb ein Blick auf die bereinigten Zahlen. Die adjustierte Ebitda-Marge verbesserte sich im ersten Semester um 160 Basispunkte auf 14,6%. Für das Gesamtjahr stellt das Management ein ähnlich hohes Margenniveau in Aussicht; es soll also über dem Vorjahr (13,5%) zu liegen kommen.
Rückstand zur Konkurrenz verringert
Das organische Umsatzwachstum in Lokalwährung belief sich in der Berichtsperiode auf 3,9%, davon waren 3,1 Prozentpunkte preisbedingt. Damit wuchs Dormakaba in der Berichtsperiode leicht stärker als die Konkurrenz. Das ist der erste Schritt auf dem Weg, auch in Sachen Rentabilität auf das Niveau der Konkurrenten (Assa Abloy, Allegion) zu kommen. Diese erwirtschaften Ebitda-Margen im Bereich von 20%.
Zurzeit entscheidend für Dormakaba ist, dass es den Mittelabfluss stoppen konnte. Weil die Rechnungslegung auf den Standard Swiss GAAP FER 30 umgestellt wurde, kann nun der Goodwill aktiviert und abgeschrieben werden. Zuvor wurde er über das Eigenkapital verrechnet. Das hatte den unschönen Effekt, dass die Eigenkapitaldecke des Unternehmen gar dünn wurde. Auch mit der neuen Rechnungsmethode befindet sich die Eigenkapitalquote mit 15,5% (i. V. 17,2) in einem sportlichen Bereich.
In der Berichtsperiode gingen 25 Mio. Fr. Goodwill-Abschreibungen zulasten des Gewinns, der sich dadurch auf 48,5 (54,3) Mio. Fr. reduzierte. Operative Fortschritte sind also nötig, damit das Unternehmen auch in der Bilanz wieder auf stabilen Beinen steht.
Die geringere Verschuldungsquote von 1,5 (2,0) – die Nettoschulden gingen um 150 Mio. auf 587 Mio. Fr. zurück – wirken in dieser Hinsicht beruhigend. Auch der höhere freie Cashflow von 63,8 (50,1) Mio. Fr. sowie eine auf 27,5% (23,3) verbesserte Kapitalrendite (ROCE) zeigen, dass die Organisation auf Effizienz getrimmt wurde und das Nettoumlaufvermögen möglichst gering gehalten wird.
Fazit: Noch ist Dormakaba nicht vollständig genesen, aber immerhin scheint es die Intensivstation endgültig verlassen zu haben.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Giorgio Müller