Mittwoch, Januar 22

Die Niederlage in Italien war für den Coach Nuri Sahin die eine zu viel. Allein die Trennung von Sahin wird die Probleme im kriselnden BVB allerdings nicht lösen.

Vielleicht mutet es auf den ersten Blick eigenartig an, wenn man feststellt, dass es das Spiel zweier Überraschungsteams war, dieser Match zwischen Borussia Dortmund und dem italienischen Klub Bologna, am vorletzten Tag der Vorrunde der Champions League.

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Bologna, eine traditionsreiche Adresse mit einem wunderbaren Stadion, das alle Qualitäten eines Denkmals aufweist, spielte zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert in der höchsten europäischen Spielklasse, die damals noch Europacup der Landesmeister hiess.

Nur Guirassy trifft für den BVB

Dortmund behauptete vor dem Anpfiff immerhin den neunten Rang, was angesichts der veritablen Krise, die der BVB gerade zu bewältigen hat, schon erstaunt. Dreimal hatte das Team zuletzt verloren, am Wochenende gegen die Frankfurter Eintracht mit 0:2. Die Rehabilitation gelang auch diesmal nicht: Dortmund setzte die Serie von Niederlagen fort – der BVB unterlag Bologna 1:2.

Dabei war es, wie gar nicht so selten in dieser Saison, eine vermeidbare Niederlage. Der BVB führte durch einen Treffer von Serhou Guirassy, der einen Foulelfmeter verwandelte, und war durchaus imstande, diese Führung lange zu verwalten. Doch sie vergaben diese Führung innerhalb weniger Sekunden kurz vor dem Spielende.

Es ist ein Dilemma. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass der BVB mit einem Sieg am kommenden Spieltag doch noch direkt in die nächste Runde einzieht, doch schon jetzt ist klar, dass dies nicht mehr unter dem Trainer Nuri Sahin geschehen wird. Zu ungemütlich ist die Situation des Klubs innert kürzester Zeit geworden mit vier Niederlagen im neuen Jahr.:

Die Entscheidung der BVB-Verantwortlichen ist bereits in der Nacht gefallen: Nach Informationen von «Sport-Bild» ist Nuri Sahin noch vor der Rückkehr nach Dortmund entlassen worden, der Coach soll sich bereits vom Team verabschiedet haben. Die Dortmunder werden nun versuchen, mit einem neuen Coach aus der Krise zu kommen.

Dem Coach mangelte es an Charisma

Die Situation ist allerdings verfahren, und vielleicht dämmert den Verantwortlichen, dass die alleinige Trennung von Sahin die Probleme nicht beseitigen wird. Dem jungen Trainer, der 2011 mit dem BVB eine von zwei Meisterschaften unter dem kultisch verehrten Trainer Jürgen Klopp gewann, mag es an Charisma mangeln. Auf dem Feld hatte der BVB zuletzt allerdings wieder ein paar altbekannte Probleme: Nicht immer ging es mit der nötigen Härte zur Sache, manchmal mangelte es an Geistesgegenwart.

Immer wieder ist zu erkennen, dass die Mannschaft durchaus gut Fussball spielen könnte. Doch es geht eben selten über den Punkt hinaus, der nötig ist, um den Ansprüchen an ein Spitzenteam zu genügen. Andererseits scheinen der eine oder andere Dortmunder zu selbstgefällig: Die Nonchalance, mit der Guirassy seinen Penalty trat, war beinahe schon überheblich. Er hatte allerhand Glück, dass Bolognas Torhüter Lukasz Skorupski seinen Versuch nicht abwehren konnte.

Nun sind Nuri Sahin schlicht die Argumente für die Weiterbeschäftigung ausgegangen: Der zehnte Platz in der Bundesliga nach 18 Runden und 20 Punkten Rückstand auf die Bayern ist ein verheerendes Ergebnis, erst recht, wenn man bedenkt, dass nur das Kader des FC Bayern München teurer ist als dasjenige der Dortmunder, wenngleich die Differenz erheblich ist.

Allerdings wird der Abstand zum vierten Tabellenplatz, der zur direkten Teilnahme an der Champions League berechtigt, immer grösser. Angesichts des hohen finanziellen Ausfalls, der droht, sollten sich die Dortmunder nicht qualifizieren, ging es lange noch erstaunlich ruhig zu beim BVB. Die «Süddeutsche Zeitung» orakelt: «Ob sie in Dortmund schon alle richtig erkannt haben, was auf dem Spiel steht, wenn es nicht zu Platz vier reicht – das darf bezweifelt werden.»

Für die Zusammenstellung des Kaders indes konnte Nuri Sahin nichts, es ist das Werk der sportlichen Führung, und der Sportdirektor der Dortmunder heisst Sebastian Kehl. Dessen Position galt während Monaten als alles andere als sicher, sein Vertrag, der ausgelaufen wäre, ist mittlerweile aber verlängert worden.

Nur sind Kehl und Lars Ricken nicht die einzigen, die in sportlichen Dingen mitreden. Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer der Dortmunder, behält sich stets das letzte Wort vor. Beraten wird Watzke von Matthias Sammer, der nach dem Match als TV-Experte eigenartig unbeteiligt über die Misere des BVB räsonierte: As ob da gar nicht der BVB vor sich hin stolperte. Einst war Sammer als Stratege Europas Fussballer des Jahres; er war Champions-League-Sieger mit dem BVB und 2002 Meister als Trainer.

Sammer, obschon in der Hierarchie ohne feste Zuordnung, ist der kenntnisreichste Einflüsterer Watzkes, der wiederum einer sentimentalen Idee zu folgen scheint: Wichtige Posten im Klub sollen mit Ehemaligen besetzt werden – gern auch mit Rückkehrern, wie dem Chef-Scout Sven Mislintat, der sich einst in Dortmund mit Thomas Tuchel überwarf.

Keine Härte wie bei Bayern München

Ein solcher Wunsch ist durchaus nachvollziehbar. Denn Legenden des Klubs in verantwortlicher Position zu wissen, schafft ein Mass an Identifikation, über das wenige andere Vereine verfügen. Der FC Bayern gehört zweifellos zu ihnen, auch die Münchner besetzen Schlüsselpositionen gerne mit ehemaligen Profis.

Nur unterscheidet die Dortmunder Führungsriege etwas Wesentliches: Der Kreis derjenigen, die bei den Bayern entscheiden, ist erheblich kleiner, eine solche Stauung wie in Dortmund über mehrere Wochen wäre in München schwer vorstellbar. Entschieden wird rasch, und in solchen Momenten zeigt sich: Über die bisweilen an Brutalität gemahnende Härte der Münchner verfügen die Dortmunder nicht.

Auf den ersten Blick mag dies rau erscheinen. Doch schliesslich gehört dies zum Habitus eines Spitzenklubs. Ein Trainer wie Sahin, der der Mannschaft keinen erkennbaren Impuls zu geben vermochte, hätte in München schon längst die Quittung erhalten.

Eine Vertragsverlängerung wie diejenige mit Kehl ist ebenfalls schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, wie der FC Bayern mit seinem Vorstandschef Oliver Kahn und dem Sportdirektor Hasan Salihamidzic verfuhr, als der Klub das Mass für voll erachtete.

Noch bevor 2023 die auf den letzten Drücker gewonnene Meisterschaft gefeiert werden konnte, wurde der Rauswurf des Duos bekanntgegeben, das sich einst grosse Verdienste auf dem Fussballplatz für die Bayern erworben hatte.

Dieses Schicksal hat nun auch Sahin ereilt. Doch es ist fraglich, ob damit die Wende zum Besseren eingeläutet ist: Es ist der neunte Trainerwechsel innert zehn Jahren.

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