Das Zentrum in Jamaicas Hauptstadt wurde lange dem Verbrechen überlassen. Nun halten künstlerische Initiativen dagegen.
Kingston macht es einem nicht leicht. Dass die meisten Touristen einen grossen Bogen um die jamaicanische Hauptstadt machen, liegt einerseits zwar an ihrer Vorliebe für Strandferien. Die jamaicanische Hauptstadt ist andrerseits aber auch schlecht beleumdet. Die ausländischen Gäste werden abgeschreckt durch die hohen Kriminalitätsraten in den ärmsten Quartieren, in denen die Bandenkriege der Halbstarken bis heute mit Messern und Schusswaffen ausgetragen werden.
Wer trotzdem in die Stadt hineinfährt, gerät leicht ins Verkehrschaos, aus dem man umso schwerer herausfindet, als die Stadt im Fleckenmuster ihrer umzäunten und ummauerten Yards dem Auge kaum Orientierungspunkte bietet. Schliesslich wird man auch ein Zentrum samt einladender urbaner Infrastruktur vermissen.
Die Wandbilder an Kingstons Water Lane sind so farbenprächtig wie Jamaica selbst.
Die lokale Kunstszene belebt verwüstete Quartiere
Downtown Kingston soll früher eine lebendige City gewesen sein, samt vielen Restaurants und Klubs, samt Tramverkehr und einem Bahnhof. In den letzten Jahrzehnten ist die Stadt aber vor allem an den Rändern gewachsen. Während sich an der Peripherie ein moderneres Geschäftszentrum bildet, droht das alte Zentrum zu verfallen. Und wo man andernorts die Gentrifizierung städtischer Zentren anprangern mag, wünscht man sie sich hier als Gast herbei.
Umso erfreulicher ist die Initiative von «Kingston Creative». Die kulturelle Organisation sorgt heute dafür, dass Strassenzüge in Downtown Kingston von jungen jamaicanischen Künstlern mit Murals und Graffiti verschönert werden. Die Strassenzüge werden dabei zum Teil auch in Fussgängerpassagen umfunktioniert. Das Projekt fördert so einerseits die lokale Kunstszene, andererseits werden alte, verwüstete Quartiere wiederbelebt.
Die Initiative von «Kingston Creative» fördert aber auch das Bewusstsein für die kulturelle Entwicklung Jamaicas. An einer Führung auf der Water Lane erklärt ein mit Mikrofon und Lautsprecher bewehrter Kunststudent die bunten Wandbilder, die stilistisch von abstrakter Spielerei bis hin zu üppigem Neobarock reichen. Gezeigt werden Figuren der Geschichte wie der jamaicanische Afro-Zentrist Marcus Garvey. Vor allem aber wird die Musikgeschichte aufgerollt – von Calypso und Mento über Ska und Reggae bis zu den Dancehall-Stars.
Zusammen mit Assistenten haben die Künstlerinnen Sasha-Kay Hinds und Deon Simone grossflächige Murals geschaffen.
Schweizer unterstützt die Belebung
Der Kunststudent zeigt auch die Murals von Tänzern und Musikern, die Opfer von Schiessereien geworden sein sollen. Der Bilderreigen kulminiert aber in friedlichen Sujets einer Gesellschaft, in der auch Vertreter von LGBT zählen sollen. Mit Homosexualität, erklärt der junge Guide schüchtern, komme die jamaicanische Gesellschaft allmählich besser zurecht.
«Kingston Creative» residiert im Restaurant F&B, das der Schweizer Honorarkonsul Ueli Bangerter führt. Mit Genugtuung nimmt der Schweizer zur Kenntnis, wie die Initiative wieder Leben ins Zentrum bringe. Zumal die bunten Strassenzüge nun immer wieder auch als Open-Air-Partyzone benutzt würden. Bangerter ist aber nicht nur Nutzniesser. Er unternimmt auch selbst etwas zur Belebung des Quartiers. So bietet er Raum für Jam-Sessions der lokalen Jazz- und Reggae-Szene. Ausserdem sollen in seinem Haus nächstens Veranstaltungen zur alten jamaicanischen Soundsystem-Kultur stattfinden.
Die Reise wurde von Edelweiss Air und dem Jamaica Tourist Board ermöglicht.