Freitag, Oktober 25

Im Zürcher Oberland ist es am Freitag zur direkten Konfrontation zwischen der Spitalführung und ihren Kritikern gekommen.

Ist das noch ein Mahnmal oder schon ein Grabmal? Seit einem halben Jahr ragt vor dem Spital Wetzikon eine Bauruine in den Himmel und erinnert täglich daran, dass der Betrieb mit seinen 900 Angestellten akut vom Konkurs bedroht ist. So lange schon stehen die Arbeiten am unfertigen Neubau still.

An diesem Freitag ist nach Monaten voller Schuldzuweisungen, vager Versprechungen und Behauptungen erstmals absehbar, wie es mit Spital weitergehen könnte. Und ob es überhaupt weitergeht. Es ist der Tag, an dem es in Wetzikon zur lang angekündigten, direkten Konfrontation zwischen der Führung des Spitals und seinen Gläubigern gekommen ist.

Der Hintergrund: Vor zehn Jahren hat das Spital am Markt eine Anleihe über 170 Millionen Franken aufgenommen. Geld, das es für einen Neubau benötigte, um im härter werdenden Wettbewerb unter den Spitälern auch in Zukunft zu bestehen. Eigentlich hätte das Spital diese 170 Millionen im Juni dieses Jahres den Gläubigen zurückzahlen müssen. Doch es war dazu nicht in der Lage – ein Ereignis, das seit dem Kollaps der Swissair nie mehr vorgekommen ist.

Die Spitalführung hatte bis Anfang Jahr noch versucht, jemanden zu finden, der die Anleihe ablöst, doch die Finanzlage des Betriebs war zu angespannt. Niemand war bereit, so viel Geld aufzubringen. Nur wenige Monate später zerschlugen sich auch die Hoffnungen auf staatliche Hilfe. Am 4. April verkündete die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, der Kanton werde das Spital nicht aus seiner Finanzmisere retten – selbst wenn dies sein Ende bedeuten sollte. Der Betrieb sei entbehrlich.

Seither kämpft die Spitalführung ums Überleben. Seit Ende April befindet sich das Spital in der Nachlassstundung, und das bedeutet: Alle finanziellen Forderungen sind vorläufig eingefroren. Das ist fürs Spital entscheidend. Denn der Betrieb läuft zwar nach eigener Darstellung gut, das Ergebnis ist positiv, aber die Schulden drohen immer noch, das Spital zu erdrücken. Die Nachlassstundung gibt der Spitalführung Zeit, eine Lösung zu erarbeiten.

Wie diese aussehen soll, hat sie am Freitag erstmals im Detail öffentlich gemacht. Eine Massnahme ragt besonders heraus: Der teure Neubau soll vorerst nicht fertig gebaut werden, um Geld zu sparen. Der Plan ist, zuerst die Bilanz zu sanieren und das Spital dann in einen Verbund mit einem anderen Betrieb zu integrieren – verschiedentlich ist schon über einen Zusammenschluss mit dem Spital Uster spekuliert worden.

Um finanziell zu gesunden, will das Spital Wetzikon nicht nur bei den Investitionen sparen, die aufs Notwendige beschränkt werden, sondern auch beim Personal und bei den Behandlungen, indem vermehrt ambulante Eingriffe vorgenommen werden statt solche mit einem Aufenthalt über Nacht.

Alles nützt nichts, wenn die Gläubiger nicht mitziehen

All diese Massnahmen reichen aber bei weitem noch nicht, um die Bilanz zu sanieren. Aus eigener Kraft schafft das Spital dies nicht. Damit der Plan aufgeht, müssen zwei wichtige Player mitziehen: Erstens die zwölf Gemeinden, denen das Spital gehört – sie sollen frisches Geld einschiessen. Zweitens die Gläubiger des Spitals – sie sollen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Am Freitag hat das Spital erstmals eine Schätzung abgegeben, wie gross deren Verlust werden könnte: 65 bis 70 Prozent.

Doch genau das lehnen einige der Gläubiger kategorisch ab.

Sie akzeptieren keinen Schuldenschnitt und argumentieren, das Spital habe genug Mittel, um den vollen Betrag zurückzuzahlen. Diese Gruppe, die sich «GZO Creditor Group» nennt, wird angeführt von aktivistischen Investoren. Sie haben die Anleihen zu günstigen Konditionen aufgekauft, nachdem deren Marktkurs abgestürzt war. Mit einer öffentlichen Kampagne üben sie seither Druck auf die Spitalführung aus.

Die Druckversuche kulminierten an diesem Freitagmorgen in einer Gläubigerversammlung, an der die «Creditor Group» einen Alternativplan vorschlug: Die Gläubiger sollen dem Spital einen Zahlungausaufschub von drei Jahren gewähren, wobei die Schuldzinsen halbjährlich erhöht werden sollen. Dies soll das Spital dazu animieren, möglichst rasch eine Lösung zu finden. Als Sicherheit soll das Spital seine Immobilien verpfänden.

Die Gruppe will die Eigentümergemeinden dazu bewegen, den Sanierungsplan der Spitalführung zu verwerfen: Diese dürften auf keinen Fall frisches Geld einschiessen, da dieses bloss in einem Neubau von zweifelhaftem Nutzen verlocht werde. Stattdessen sollen sie die Schulden ihres Spitals begleichen. Entweder, indem sie das Land, die Häuser und allenfalls gleich den ganzen Spitalbetrieb verkaufen. Oder indem sie eine explizite Staatsgarantie sprechen, damit das Spital am Markt neues Geld aufnehmen kann.

Die Gläubigergruppe hat sich im Vorfeld der Versammlung siegesgewiss gegeben. Die nötige Zweidrittelsmehrheit des versammelten Kapitals stehe hinter ihrem Vorschlag. Ob dies tatsächlich so ist, war bis am Freitagmittag noch nicht klar, weil die Versammlung länger dauerte als als erwartet.

Wie es jetzt weitergeht

So oder so wird der endgültige Entscheid an diesem Tag nicht fallen. Dies wird voraussichtlich erst an einer zweiten Versammlung im Verlauf des kommenden Jahres passieren. Dort wird dann über den Nachlassvertrag entschieden, in dem festgelegt ist, wie viel die Gemeinden einschiessen und auf wie viel Geld die Gläubiger verzichten sollen.

An dieser Versammlung werden neben den Anleihen-Gläubigern auch alle anderen teilnehmen, denen das Spital Geld schuldet. Zu ihnen gehören auch Zulieferer oder Handwerker, die im Zusammenhang mit dem Neubau auf unbezahlten Rechnungen sitzen, sowie Geldgeber, die dem Spital langfristige Darlehen gewährt haben. Dazu gehört laut dem «Sonntags-Blick» auch die Postfinance.

Insgesamt summieren sich die Schulden des Spitals laut einer kürzlich publizierten Zwischenbilanz auf 285 Millionen Franken.

Scheitern kann der Plan nach wie vor auch an den Eigentümergemeinden: Diese haben bisher zwar wiederholt den Willen bekundet, einen finanziellen Beitrag zur Rettung ihres Spitals beizutragen. Aber auf eine konkrete Zahl wollten sie sich nicht festlegen, auch an diesem Freitag nicht. Der Hintergrund ist wohl, dass dazu in jeder der zwölf Gemeinden eine Volksabstimmung nötig wird und man die eigenen Leute vorsichtig darauf vorbereiten will.

Die Gemeinden sprechen nur von einem «mittleren zweistelligen Millionenbetrag». Das kann vieles bedeuten – und es könnte bei den Gläubigern das Misstrauen wecken, dass man sie über den Tisch ziehen will. Denn so lange nicht klar ist, wie viel die Gemeinden einschiessen können, ist auch nicht klar, wie hoch der Schuldenschnitt wirklich sein muss. Gegen aussen wirkt es, als handelten beide Seiten nach der Devise: Wer sich zuerst bewegt, verliert.

Der Wetziker Stadtpräsident Pascal Bassu (SP) dementiert diesen Eindruck: «Die Gemeinden müssen nichts und niemanden testen.» Der Grund für ihr Schweigen sei einzig, dass der politische Prozess für eine Kapitalerhöhung sehr anspruchsvoll sei. Die Gemeinden hätten die notwendigen Kennzahlen und Unterlagen erst kürzlich erhalten und müssten diese nun von ihren Experten prüfen lassen. Danach müsse jede der zwölf Gemeinde-Exekutiven für sich einen Grundsatzentscheid fällen. Erst dann könne man offen über Zahlen sprechen.

Die kommenden Monate werden davon geprägt sein, ob es gelingt, ein beidseits akzeptables Verhältnis zwischen dem Sanierungsbeitrag der Gemeinden und dem Beitrag der Gläubiger zu finden. Für das Spital wird dies zur Existenzfrage.

Mehr folgt.

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