Montag, September 30

Der September ist der vielleicht schönste Monat, um New York zu besuchen. Die Stadt mag niemals schlafen – wir in diesen Hotels aber umso lieber.

Aman New York

Man ist fast beschämt, es zuzugeben, aber ein wenig fühlt man sich wie ein Paparazzo. Auf der mit Bonsais bestückten Dachterrasse stehend, von der man auf Tiffany und Co. und die Fifth Avenue schaut, ein verstohlener Blick nach links, in der Lounge-Bar ein kurzer Blick nach rechts: Ist das nicht . . .? Im exklusivsten Haus New Yorks erwartet man hinter jeder Ecke, Prominenten über den Weg zu laufen. In keinem anderen Hotel der Stadt können Sie sich so ungestört bewegen wie hier: Das im August 2022 eröffnete «Aman New York» ist einzig Übernachtungsgästen zugänglich, nur sie und die Mitglieder des Privatklubs dürfen in den Lift steigen, der zur Lobby in den 14. Stock führt. Lediglich der Jazzklub im Untergeschoss steht allen offen. Er ist in schummriges rotes Licht getaucht und sieht so lässig-elegant aus, als handele es sich um die Kulisse eines James-Bond-Films.

Das denkmalgeschützte Crown Building – erbaut von denselben Architekten, die auch die Grand Central Station mit entwarfen – hat eine bewegte Vergangenheit: Es beherbergte das MoMA, die Büros von Dior und das Männermagazin «Playboy». Nackte Tatsachen gibt es nur noch in den Saunas des dreistöckigen Spas, in dem der Schamane Nick bei einer «Sound Bath»-Session die körpereigene Herzfrequenz wieder auf Spur bringt.

Obwohl das erste «Aman» in den USA, bleibt das Hotel seinen asiatischen Wurzeln treu: Der Stararchitekt Jean-Michel Gathy setzte auf japanischen Minimalismus, auch im Restaurant «Nama». Versuchen Sie das Tasting-Menu von Chefkoch Takuma! Am Tresen aus Hinoki-Holz kann man dabei zuschauen, wie der Maestro die einzelnen Gänge zaubert.

In den 83 Suiten flackern Kaminfeuer, mit Reispapier bezogene Paneele trennen das Badezimmer ab – oh, was für eine famose Regenschauerdusche, wie eine erfrischende Gischt. Eine Wand ist mit einer bemalten Washi-Tapete bezogen. Eine fast sakrale Ruhe stellt sich ein, sobald man den hohen, champagnerfarbenen Raum betritt. Nur der Blick aus dem Fenster auf das ikonische Kaufhaus Bergdorf Goodman erinnert daran, wo man sich gerade befindet: mitten in der Stadt, die niemals schläft.

Ein Doppelzimmer im «Aman New York» ist ab 1950 Dollar pro Nacht verfügbar.

Warren Street Hotel

Dies ist der Augenblick, um sich kurz zu kneifen. Eine Suite mit eigener Terrasse, und das im Big Apple, wo allein Balkone so etwas sind wie die eierlegende Wollmilchsau, in Hotels quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Und hier: Zedern vor Wolkenkratzern, Gräser und Blumen, um die Bienen summen. Zugegeben: Nicht alle der 69 individuell gestalteten Zimmer und Suiten haben einen privaten Aussenbereich, dafür aber bodentiefe Fenster, durch die Sonnenlicht flutet.

Das «Warren Street Hotel» ist der jüngste Streich von Tim und Kit Kemp. Das Ehepaar gründete 1985 die Hotelgruppe Firmdale in London, seither stattet Kit mit ihrem Designstudio die eigenen Häuser aus, entwirft Tapeten, Stoffe und Geschirr. Das im Februar eröffnete Schwesterhotel der New Yorker Häuser «The Crosby Street Hotel» in Soho und «The Whitby» in Midtown ist das erste Hotel, bei dem auch ihre Töchter Minnie und Willow mitwirkten.

Der Kemp-DNA ist man sich also in doppelter Hinsicht treu geblieben. Eine farbenfrohe Ästhetik samt zeitgenössischer Kunst und ein Mix aus Mustern und Materialien, bei dem man sich kurz fragt: Passt das zusammen? Und wie! Im «Drawing Room», von dem eine Honesty-Bar abgeht, stehen gestreifte Chesterfield-Sofas vor geblümten Ohrensesseln, im Restaurant zieht sich eine Skulptur von Gareth Devonald Smith über den Tresen, die himmelblauen Wände der Orangerie ziert Porzellan von Martha Freud, über die kunterbunten Teller von Robina Jack springen Zebras und Hunde.

«Farben machen glücklich – sie würzen das Leben», findet Kit Kemp und entschied, auch die Stahlfassade des neu errichteten Gebäudes knallblau streichen zu lassen. Das loftartige Design und die Teppiche im «Warren Street Hotel» sind eine Reverenz an die Textilfabriken, die früher im Viertel Tribeca beheimatet waren.

Ein Doppelzimmer im «Warren Street Hotel» ist ab 925 Dollar pro Nacht verfügbar.

The Fifth Avenue Hotel

Der erste Gedanke: Man muss sich verhört haben! Aber nein. Das Gilded-Age-Gebäude der Familie Ohebshalom stand tatsächlich fünfzig Jahre lang leer, diente einzig als Lagerraum. Im Herzen Manhattans, an der Ecke 28th Street und Fifth Avenue, einen Katzensprung vom Empire State Building entfernt. Bis sein Sohn Alex, ein Reisender mit Leib und Koffer, beschloss: Lasst uns ein Hotel daraus machen! Eines, das es so noch nicht gibt in New York. Er bewies Weitsicht und beauftragte jenen Schweden, der heute als It-Designer der Hotellerie gilt: Martin Brudnizki. Das war vor zwölf Jahren, wohlgemerkt. Denn so viel Zeit und Musse flossen in das «Fifth Avenue Hotel», bis es Ende 2023 samt neuem Glasturm eröffnete.

Eine Wunderkammer, die wie das eklektische Zuhause einer guten Freundin daherkommt. Schliesslich war die Unterkunft aus dem späten 18. Jahrhundert ursprünglich auch ein Privathaus. Die Society-Lady Charlotte Goodride schmiss hier Dinnerpartys, bevor die Architekten der Penn Station es 1907 in eine Bank umwandelten.

Durch die ehemalige Schalterhalle, in der sich heute das Fine-Dining-Restaurant «Café Carmellini» befindet, zieht der Duft von grilliertem Lachs mit Rüebli-Ingwer-Sauce bis hoch zu den Balkonen. Sounddesigner wurden engagiert, um sich um die Akustik des hohen Raumes zu kümmern. Die Playlist stellt jedoch nur einer zusammen: der gefeierte Chefkoch Andrew Carmellini. Zu den französischen und italienischen Gerichten serviert er etwa Soulmusik von DJ King Tutt aus der Bronx. Denn obwohl die Flaneure aus dem Paris der Jahrhundertwende als Designinspiration dienten, Flohmarktfunde in den chinesischen Kabinetten liegen, ein Butler die Gäste mit einem Willkommensdrink empfängt, zieht sich durch das Haus eine moderne Note, die dem «Fifth Avenue Hotel» seine Zeitlosigkeit verleiht.

Dazu tragen auch die Kunstwerke von aufstrebenden Kunstschaffenden bei und der furchtlose Einsatz von Farbe: rosa Flure hier, pistazienfarbene Wände dort. Brudnizkis phantasievolle Handschrift ist unverkennbar, zeigt sich in den Fransenkissen auf Brokatsofas, den Troddel-Lampen mit Pferdekopf, den Tapeten mit Palmen und Flamingos, dem mintfarbenen Marmor im Bad, den sternförmigen Leuchten über dem Bett. Alles massgefertigt fürs Hotel. Schon die Stilikone Diana Vreeland sagte: «The eye has to travel!» Beenden Sie die visuelle Reise also in der «Portrait Bar», die mit ihrer Holztäfelung und den Gemälden wie eine Bibliothek eingerichtet ist. Die Drinks sind inspiriert von Cocktails aus aller Herren Ländern. Flanieren für Fortgeschrittene!

Ein Doppelzimmer im «The Fifth Avenue Hotel» ist ab 895 Dollar pro Nacht verfügbar.

Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZaS-Verlagsbeilage «Reisen» erschienen.

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