Dienstag, Oktober 8

Die Salatsauce ist ein ewiger Hype. Ihre Zubereitung ist nicht weniger kompetitiv umkämpft als Schokoladekuchen und Vitello tonnato. Das sind die drei Rezepte, die unseren Autor zum Weinen bringen.

Jede Köchin reklamiert für sich, ihre sei die Beste. Die eine. Einzigartig und nicht zu übertreffen. Doch die eine, die gibt es nicht. Jede Salatzubereitung ruft nach einem anderen Dressing. Tun sich Blattsalate eher schwer mit cremigen Saucen, braucht es genau die, sobald ein Salat mehr als nur die frische Beilage ist. Einen Caesar Salad als Vorspeise, da muss schon unbändig Hunger bestehen. Denn er ist einer dieser Salate, die sich über das Dressing definieren. Genauso beim Wurst(-Käse)-Salat oder bei demjenigen aus Kartoffeln. Da wir dazu neigen, uns fast immer dieselben Salate zu mischen – da mache ich keine Ausnahme –, gehen viele Saucenoptionen an uns vorbei.

Als kulinarischer Purist liebte ich seit je Öl, Essig, Salz. Weil ich schon immer gerne Blattsalate (und davon vor allem die bitteren) in meiner Schüssel haben wollte. Vielleicht der Mutter geschuldet, da gabs nur Kopfsalat, und um uns Kids diesen schmackhaft zu machen, streute sie Zucker darüber. Zum Glück lassen wir heute die Kinder selbst entscheiden, was sie gerne essen wollen.

Die Puristische

Meine Blattsalat-Erleuchtung traf mich – wie vieles andere in Sachen Bella Vita – in Italien. Mit meiner damaligen Bellezza in Modena war ich wie jeden Sonntag bei ihrer Tante zum Pranzo eingeladen. Sie hiess mich, den Salat anzumachen. Unter ihren gestrengen Blicken wollte ich tun, was ich immer tat. Öl und Aceto rein, Salz darauf, umrühren, finito. «Ma, che cazzo fai, Riccardo?» Den Mahnfinger erhob sie wie E. T., der Ausserirdische.

«Wir In Italien wissen, es braucht vier Köchinnen, um den perfekten Salat anzumachen: Die Grosszügige, für das Olivenöl. 150 Milliliter dürfen es sein, für eine grosse Schüssel. Die Geduldige, die so lange mischt, bis am Grund der Schüssel kein Öl mehr sichtbar ist. Die Sparsame, für die Prise Salz. Und die Geizige, für die paar Spritzer allerbesten Weinessig. Und zwar in dieser Reihenfolge.» Die Signora nahm mir die Löffel aus der Hand und machte es vor. Der Salat raubte mir den Atem. So einfach ist Genialität. Es war zum In-den-Teller-Weinen lecker.

Erst viel später verstand ich den grossen Vorteil von sorgfältigem Mischen, zwei Minuten lang. Ist jedes einzelne Blatt mit einem hauchdünnen Ölfilm umhüllt, perlt der Essig aussen ab und hat keine Chance, die Zellwände der Blätter anzugreifen. Der Salat bleibt auch nach dem Anmachen viel länger knackig frisch.

Vinaigrette mit der Wunderzutat Wasser

Noch ein anderes Mal rannen mir beim Salatessen die Tränen aus den Augen. Vor Glück und Ergriffenheit, weil ich realisierte, was da vor mir liegt; eine Vinaigrette, so grandios und einmalig, sie kann unmöglich besser zubereitet werden.

Es trug sich zu in Manhattan, ich hatte von zwei Frauen gelesen, die im West Village erfolgreich drei Lokale betrieben. Eines hiess «Via Carota». Mir wurde ein grüner Salat serviert. Den bestelle ich immer in mir neuen Gaststätten, daran erkenne ich augenblicklich, ob in der Küche Sorgfalt und Kreativität das Zepter führen. Angemacht war er mit einer Vinaigrette. Dazu muss man sagen: Höre ich Vinaigrette, werde ich misstrauisch. Zu oft empfand ich sie als zu sauer, zu zwiebelig, oft zu viel Senf und mit dominantem Knoblauchgeschmack.

Doch dort wurde ich eines Besseren belehrt. Blätter von Kopfsalatherzen, Endivie, Frisée und Brunnenkresse, so hoch aufgeschichtet, bis sie eine schwindelerregende Höhe erreichen. Dazwischen dünne Rinnsale und Tropfen eines Dressings, durchsetzt mit winzigen Schalottenwürfeln und Senfsamen. Das alles schmeckte so wunderbar ausgewogen und kraftvoll, lange verdächtigte ich die Köchin, Zucker oder gar Glutamat hineingeschmuggelt zu haben. Hatte sie nicht.

Das Geheimnis des Salates? Kaum zu glauben, aber das einmalige Aroma basiert auf etwas, das geschmackloser nicht sein könnte: Wasser. Und zwar dreimal. Zuerst: das Waschen der Blätter in drei verschiedenen Temperaturbereichen. Zweitens, die Schalotten. Minuziös klein gehackt, baden sie in handwarmem Wasser für zwei Minuten. Das zähmt das Allium-Feuer, das Zwiebelgewächsen gerne entströmt. Wasser zum Dritten: direkt in die Vinaigrette.

Hier geht’s zum Rezept:

Was? Ein Salat-Dressing auch noch verwässern? Ein Sakrileg! Doch Jody, die Köchin, relativiert: «Wir wollen die Sauce schmackhafter machen. Ein Esslöffel warmes Wasser bricht subtil die Säure des Sherryessigs. Die Sauce soll so herzhaft und lecker sein, Du möchtest am liebsten ein Glas davon trinken!» Und sie hat so recht. Ich muss mich jedes Mal beherrschen, um diese Vinaigrette nicht in einem Zug auszutrinken. Und sie begleitet auch frische Spargeln, gar Huhn aus dem Ofen oder einen Fisch vom Grill.

Die Optimierte

Für die Salatsauce, von der ich schon immer träumte, habe ich lange getüftelt, Dutzende ausprobiert, von Sterneköchen wie von engagierten Eltern und Freunden. Dafür sind einige Regeln unverrückbar: Markante Geschmäcke wie Knoblauch, Zwiebeln und andere frische Zutaten, die starken Eigengeschmack haben, müssen zuvor gewässert oder überbrüht werden. Das passiert am besten in (selbstgemachtem) Gemüse- oder Geflügelfond. Natürlich müssen vor allem die Öle, aber auch der Essig, von bester Qualität sein und die frischen Zutaten auch wirklich frisch.

Hier geht’s zum Rezept:

Bald werde ich Jody Williams wieder besuchen im «Via Carota». Bis dahin weine ich auf den Salat mit der eigen kreierten Sauce.

Richi Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Er isst jeden Tag eine grosse Schüssel Salat. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch. Instagram @richifoodscout

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