Freitag, Oktober 4

Die Initianten der Kompass-Initiative haben mit der Private-Equity-Firma Partners Group eine der grössten Erfolgsgeschichten des Finanzplatzes geschrieben. Nun wollen sie die Schweiz vor der EU-Bürokratie retten.

Eine neue Generation von EU-Kritikern nimmt Anlauf. Am Montag lancierte das Komitee Kompass Europa eine neue Volksinitiative: die Kompass-Initiative. Sie soll die Bevölkerung gegen ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU mobilisieren. Ihr Ziel ist, dass völkerrechtliche Verträge zwingend dem Volk und den Ständen vorgelegt werden müssen – damit will sie ein mögliches Abkommen mit der EU verhindern. Die Unterschriftensammlung hat begonnen.

Hinter der Initiative seht eine bunte Gruppe von Unternehmern, Künstlern und Prominenten wie dem TV-Moderator Kurt Aeschbacher oder dem ehemaligen Skistar Bernhard Russi. Die treibenden Kräfte sind aber drei weniger bekannte Köpfe: die Finanzunternehmer Alfred Gantner, Urs Wietlisbach und Marcel Erni. Sie sind die Gründer des Zuger Private-Equity-Konzerns Partners Group.

Ihr Erfolg hat die drei in jungen Jahren zu Milliardären gemacht. Das gibt ihnen heute die Mittel, die Kompass-Kampagne zu finanzieren. Sie tragen bis jetzt laut eigenen Angaben den Hauptteil des Kampagnen-Budgets von 1,5 Millionen Franken. Nun beteiligten sich immer mehr Mitglieder auch finanziell.

Und die Finanzprofis versuchen sich jetzt auch in der politischen Arena. «Acht von zehn Unternehmern sehen den Rahmenvertrag hoch kritisch», behaupten Gantner und Wietlisbach – allerdings ohne dafür eine Quelle zu nennen. Ihnen gehe es nicht um die Partners Group, diese müsse die EU-Gesetze sowieso einhalten. Es gehe um Standortvorteile und «um das breite, arbeitende Volk in der Schweiz».

Die Financiers machen klar, dass nicht sie die Leidtragenden eines möglichen Abkommens wären: «Ich könnte jetzt in die Herbstferien fahren, statt in der Schweiz herumzutingeln und auf Roadshow zu gehen», sagte Wietlisbach, einer der Partners-Group-Gründer, an der Medienkonferenz.

«Keine Relevanz für die Partners Group»

Kompass Europa hat seit der Gründung 2021 eine Gruppe von mittlerweile rund 2500 Mitgliedern mobilisiert. Unter ihnen sind viele ehemalige Manager und Finanzleute wie der ehemalige DKSH-Chef Jörg Wolle, der einstige Flughafendirektor Andreas Schmid, der Leonteq-Gründer Jan Schoch oder der Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig, der sich schon früher kritisch über die EU geäussert hat. Auch Pierre Mirabaud ist dabei, einst Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, die sich heute für Verhandlungen für einen besseren Marktzugang zur EU einsetzt.

Es kommt selten vor, dass sich die Hauptaktionäre eines milliardenschweren SMI-Konzerns politisch exponieren. Wer als Unternehmer seine Meinung äussert, nimmt Reputationsrisiken in Kauf. Die drei Gründer der Partners Group betonen, dass es sich bei Kompass Europa um ein persönliches Engagement handle. Die Finanzfirma würde womöglich sogar leicht von einem Rahmenvertrag mit der EU profitieren. Das Unternehmen selbst äussert sich betont nüchtern zum politischen Engagement seiner Gründer: «Das Rahmenabkommen hat überhaupt keine Relevanz oder Einfluss auf das globale Geschäft der Partners Group», heisst es auf Anfrage.

Die Verflechtungen zwischen der Partners Group und ihren Gründern sind dennoch eng. Obwohl sich Erni, Gantner und Wietlisbach vor Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben, sitzen alle noch im Verwaltungsrat. Mit Anteilen von je 5 Prozent sind sie auch die grössten Aktionäre. Und auch als Verwaltungsräte sind sie auf dem Feld aktiv, etwa in der Kundenpflege. Den Rest der Zeit widmen sie eigenen Themen, etwa Kunst (Erni), caritativen Projekten (Gantner) oder Kompass Europa (alle drei).

Fulminanter Aufstieg

Mit ihrem Finanzkonzern haben Gantner, Wietlisbach und Erni eine der grössten Erfolgsgeschichten des Schweizer Finanzplatzes geschrieben. Lange fand dieser quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. So residiert die Partners Group nicht auf dem Zürcher Finanzplatz, sondern in Zug. Am Stadtrand, zwischen Tankstelle und McDonald’s, befindet sich der Hauptsitz.

Kennengelernt haben sich die drei Gründer bei der Niederlassung von Goldman Sachs in Zürich. 1996 verliessen sie die amerikanische Investmentbank und gründeten die Partners Group. 2006 folgte der Börsengang, als eine der ersten Private-Equity-Firmen überhaupt.

Stärkere Bekanntheit erlangte das Unternehmen dann 2020, als die Partners Group den Personaldienstleister Adecco aus dem SMI, dem Leitindex der Schweizer Börse, verdrängte. Heute beträgt die Marktkapitalisierung der Partners Group rund 34 Milliarden Franken, das ist fast so viel wie beim Rückversicherer Swiss Re.

In den bald zwanzig Jahren seit dem Börsengang hat sie die verwalteten Kundenvermögen von 11 Milliarden auf knapp 150 Milliarden Franken gesteigert. Dabei ist sie deutlich schlanker aufgestellt als der Rückversicherer. Die Partners Group beschäftigt gerade einmal 1800 Mitarbeiter, bei der Swiss Re sind es 15 000. Ende Oktober zieht das Unternehmen in einen neuen Firmensitz bei Baar in Zug. Offiziell eröffnet wird der mehrere hundert Millionen teure Bau im kommenden Frühjahr.

Gestartet sind die drei Gründer als Vermögensverwalter für Unternehmen. Auf nicht börsenkotierte Investitionen, sogenannte Privatmarktanlagen (Private Equity), haben sie sich erst im Verlauf der Zeit spezialisiert. Neben Beteiligungen an Unternehmen gehören heute dazu etwa auch noch Investitionen in Immobilien (Private Real Estate), Unternehmensfinanzierungen (Private Debt) oder Infrastruktur.

Von den Zinsen abhängig

Die Partners Group hat wie andere Private-Equity-Unternehmen massiv von der Tiefzinsphase der vergangenen Jahre profitiert. In dieser Zeit waren typische Privatmarkt-Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen oder vermögende Privatpersonen auf der Suche nach Diversifizierung und zusätzlichen Renditen.

Für ihre Dienste zahlen diese den Private-Equity-Häusern eine fixe Managementgebühr sowie eine erfolgsabhängige Gebühr (Performance-Fee). Diese wird fällig, wenn die eingegangenen Beteiligungen wieder verkauft werden.

Bei Unternehmensbeteiligungen hat sich die Partners Group, anders als die grossen amerikanischen Private-Equity-Häuser wie Blackstone oder KKR, auf mittelgrosse Unternehmen spezialisiert; diese Woche hat die Partners Group etwa ihre Beteiligung an dem deutschen Energiedienstleister Techem verkauft. Für den Investmentspezialisten ist es mit Firmen dieser Grösse einfacher, eine Wertsteigerung zu erzielen, beispielsweise indem neue Exportmärkte erschlossen werden. Zu den bekanntesten Investments zählen etwa die Beteiligung am Ventilproduzenten VAT, die 2018 verkauft wurde, und die Beteiligung an dem Uhrenhersteller Breitling, welche die Partners Group 2022 eingegangen ist.

Die Zinswende hat ab 2022 den rasanten Aufstieg der Partners Group wieder etwas abgebremst. Grund sind die höheren Kosten für Fremdkapital, derzeit finden deshalb weniger Verkäufe statt. Der Konzern hat im ersten Halbjahr 2024 39 Prozent weniger mit erfolgsabhängigen Gebühren eingenommen. Das ist auch für die Gründer und die Belegschaft der Partners Group relevant, werden doch 40 Prozent dieser Gebühren an die Mitarbeiter ausgeschüttet. Nun hofft das Management der Partners Group, dass sich das Umfeld im kommenden Jahr verbessert. Die Zinsen sollen weiter sinken und die Zahl der Transaktionen wieder zunehmen.

Finanzielle Unabhängigkeit

Mit einem Vermögen von je rund 2,8 Milliarden Franken gehören Erni, Gantner und Wietlisbach zur «Bilanz»-Liste der reichsten Schweizer. Ihre Beteiligung haben sie über die Jahre zwar reduziert. Doch die rund 5 Prozent, die jeder hält, entsprechen 1,7 Milliarden Franken . Zusätzlich lässt das Trio privates Vermögen in Höhe von 3 Milliarden Franken im gemeinsamen Family-Office PG3 verwalten, wo weitere 30 Personen arbeiten.

Dass die drei Gründer einst zu den Allerreichsten des Landes gehören würden, war nicht vorgezeichnet. Fredy Gantner etwa wuchs in einfachen Verhältnissen im aargauischen Neuenhof auf. Er kam über eine Banklehre bei der UBS zur Finanzindustrie. Über den zweiten Bildungsweg machte er einen MBA an der Brigham Young University in den USA. Dort lernte er seine Frau kennen und schloss sich den Mormonen an – einer christlichen Glaubensgemeinschaft, in der Erfolg und disziplinierte Lebensführung zu den Leitsätzen gehören.

Wietlisbach hat einen gradlinigeren Lebenslauf. Nach einem HSG-Studium und dem Karrierestart als Broker bei der Credit Suisse stiess er zu Goldman Sachs. Er fühlt sich keiner Partei zugehörig, bezeichnet sich aber als «sozialer Kapitalist». Für Schlagzeilen sorgte ein Engagement an der Seite seiner Frau im Komitee «Gesund und frei», das sich gegen das Covid-19-Gesetz einsetzte. Damit stelle er sich gegen Gantner, der die Politik des Bundesrates während der Pandemie unterstützte.

Marcel Erni ist der Diskreteste der Gruppe. Er wurde nach einem Doktorat an der HSG und einem Ausflug zu McKinsey und Goldman Sachs zum Private-Equity-Experten. Bekannter ist Ernis Frau Nicola wegen ihres Kunstmuseums in Steinhausen. Erni gilt als der Investment-Guru unter den dreien, Gantner als der Organisator und General, Wietlisbach als der Verkäufer.

Auf Konfrontationskurs

Politisch sind sie nicht einfach festzumachen. «Wir sind keine SVP, die nichts mit Europa zu tun haben will», sagt Wietlisbach. Gantner seinerseits ist kein Wirtschaftsliberaler, er tendiert zur Mitte und ist sozial engagiert. So hält er die Steuern im Kanton Zug für zu tief und ist gegen eine Erhöhung des Rentenalters. Über Ernis politische Überzeugungen ist nichts bekannt.

Doch auch so steht fest: Mit der Kompass-Initiative gehen das Trio und seine prominenten Unterstützer auf Konfrontation mit der «offiziellen Haltung» der grossen Wirtschaftsverbände. Sowohl Economiesuisse und Swissmem als auch die Finanzbranche mit der Bankiervereinigung und der Asset-Management-Vereinigung Amas sind gegen das Anliegen der Initiative positioniert.

Auch die Schweizer Privatbanken finden klare Worte. Man unterstütze die Bemühungen des Bundesrates in Bezug auf einen Rahmenvertrag mit der EU. «Wir werden diese Initiative entschieden ablehnen», sagt Grégoire Bordier, Präsident des Privatbankenverbands VSPB. Mit der Politik haben die erfolgsverwöhnten Milliardäre einen neuen Markt gefunden, den sie erobern wollen. Ob sie dessen Spielregeln beherrschen, müssen sie noch beweisen.

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