Samstag, Dezember 28

Das Geschehen an den US-Börsen wurde auch 2024 vom Hype um künstliche Intelligenz und der Dominanz von Branchenriesen wie Nvidia und Apple geprägt. Entsprechend einseitig sind viele Investoren positioniert. Damit ergeben sich Chancen, falls sich der Konsens täuschen sollte.

Die Aktienmärkte verhalten sich über die Feiertage ruhig. In New York ist der Leitindex S&P 500 gestern Donnerstag unverändert aus dem Handel gegangen. Der Nasdaq 100 mit den grössten Technologiewerten hat marginal leichter geschlossen.

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Am Gesamtbild ändert sich somit wenig. Die Börsen in den USA verzeichnen 2024 erneut ein ausgezeichnetes Jahr. Nachdem der S&P 500 bereits 2023 mehr als 24% gewonnen hatte, steht er seit Januar über 27% im Plus. Der Nasdaq 100 verbucht kurz vor Silvester einen Gewinn von fast 32%, nach knapp 54% im Vorjahr.

Bei Einzelaktien gibt es wie immer erhebliche Unterschiede. Unter Amerikas fünfhundert grössten Konzernen hat Nvidia mit einer Performance von knapp 183% klar am besten abgeschnitten. Andere Tech-Aktien, die sich in den Top-10 des S&P 500 klassieren, sind Broadcom, Artista Networks und Netflix. Zu den grössten Verlierern aus dem Sektor zählen Intel sowie SolarEdge Technologies und Enphase Energy, wobei letztere zwei Unternehmen unter der Krise in der Photovoltaik-Industrie leiden.

Mit Blick auf das kommende Jahr sind die Meinungen gemacht. Praktisch jedes Wallstreet-Haus sagt dem amerikanischen Aktienmarkt abermals deutliche Kursgewinne voraus. Als Argument wird oft das bedeutende Gewicht von Technologieaktien genannt. Branchenleader Apple könnte sogar bald als erstes Unternehmen einen Börsenwert von 4 Bio. $ erreichen. Zum Vergleich: Das entspricht ungefähr dem Bruttoinlandprodukt Japans als viertgrösster Volkswirtschaft.

Dieses ausgeprägte Gruppendenken erinnert stark an die neunte der zehn Börsenregeln von Bob Farrell, dem legendären früheren Research-Chef von Merrill Lynch: «When all the experts and forecasts agree, something else is going to happen – Wenn alle Experten und Prognosen übereinstimmen, dann wird etwas anderes passieren.»

Was also, wenn es anders kommt, als der breite Konsens denkt? In der heutigen Ausgabe von «The Pulse» präsentieren wir deshalb drei Trends im Technologiesektor, die 2025 an den Börsen für Überraschungen sorgen könnten – und wie man davon profitieren kann.

1. Dominanz der Mag 7 nimmt ab

Der wichtigste Trend, der die Aktienmärkte 2024 prägte, hat sich in den vergangenen Wochen noch einmal akzentuiert: Die «glorreichen Sieben» – Apple, Microsoft, Nvidia, Alphabet, Amazon, Meta Platforms und Tesla – haben dem S&P 500 und dem Nasdaq 100 zu einem Schlussspurt verholfen. Auch «Magnificent Seven» oder kurz «Mag 7» genannt, haben diese Schwergewichte das Kurstableau die meiste Zeit dominiert.

Welche Dimensionen die Dominanz der Mag 7 inzwischen angenommen hat, verdeutlicht die untenstehende Grafik. Die Marktkapitalisierung des S&P 500 ist gegen Ende 2024 auf rund 50 Bio. $ gestiegen. Davon machen allein Apple, Nvidia und Microsoft 10,6 Bio. $ aus. Ohne die glorreichen Sieben würde sich der Börsenwert des US-Leitindex auf «bloss» rund 32 Bio. $ belaufen.

Wie lange kann diese einseitige Entwicklung noch anhalten? Gegen die Superstars aus dem Tech-Sektor zu wetten, hat sich bisher nicht ausgezahlt. Nvidia und Tesla bleiben voraussichtlich auch nächstes Jahr Spezialfälle (mehr dazu später). Für Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta nehmen die Anforderungen aus fundamentaler Sicht im neuen Jahr jedoch merklich zu, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Das Umsatz- und Gewinnwachstum grosser Tech-Konzerne wurde in den letzten zwei Jahren zu einem wesentlichen Teil von der wenig anspruchsvollen Vergleichsbasis begünstigt. Dieser Vorteil fällt künftig weitgehend weg, was sich in weniger imposanten Zahlen zum Umsatz reflektieren wird.
  • Bezüglich der Profitabilität haben sich zusätzlich Kostenkürzungen positiv bemerkbar gemacht. Dieser Effekt ist nun grösstenteils in die Vergleichswerte zum Geschäftsgang eingeflossen und wird sich nicht wiederholen. Zudem steigen die Amortisationskosten durch die massiven Investitionen in Rechenkapazitäten und Datacenter.
  • Die Begeisterung für das Thema künstliche Intelligenz hat in den Aktien der Tech-Riesen seit Anfang 2023 für viel Fantasie gesorgt. Den hoch angesetzten Erwartungen mit konkreten Zahlen zu Umsatz und Gewinn gerecht zu werden, wird nicht einfach, wie sich beispielsweise im Fall von Microsoft zeigt.

Mehr Anhaltspunkte gibt es in den kommenden Wochen, wenn die Abschlüsse zum vierten Quartal eintreffen. Analysten gehen davon aus, dass sich das Umsatzwachstum der Mag 7 auf noch etwas mehr als 10% verlangsamt hat. Entscheidend ist aber vor allem, dass sich das Expansionstempo ab nächstem Jahr immer weniger deutlich von den restlichen Konzernen im S&P 500 abheben dürfte.

«Die Euphorie um die Mega Caps aus dem Tech-Sektor lässt sich daran ablesen, dass sich die Wachstumserwartungen für die Magnificent Seven auf einem Allzeithoch bewegen», hält das Research-Team von Bank of America fest. «Dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Gewinnentwicklung dieser Konzerne voraussichtlich verlangsamt, während sie sich beim durchschnittlichen Unternehmen im S&P 500 beschleunigt.»

Anders gesagt: Auf absoluter Basis dürften die glorreichen Sieben auch 2025 insgesamt mehr als respektable Zahlen zum Geschäftsgang ausweisen. Doch an der Börse zählen in der Regel mehr die Veränderung und das Tempo, in dem sich die Dinge verändern. Gerade in einem Umfeld mit anhaltend erhöhten Zinsen könnten die anspruchsvollen Bewertungen im Tech-Sektor angesichts des relativ betrachtet langsameren Wachstums der Mag 7 verstärkt in den Fokus rücken. Profitieren sollten davon weniger teure Aktien von Aussenseitern wie Cisco Systems, IBM oder HP.

2. Rotation im Chip-Sektor

Mit dem anhaltenden Hype um das Thema künstliche Intelligenz hat sich das Wettrüsten im Tech-Sektor 2024 intensiviert. Die Befürchtung, bei neuen KI-Anwendungen ins Hintertreffen zu geraten, befeuert einen Investitionsboom bei den Branchenriesen. Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta Platforms, die als Betreiber grosser Datacenter auch als «Hyperscaler» bezeichnet werden, dürften dieses Jahr über 250 Mrd. $ Kapitalausgaben aufwenden – fast 40 Mrd. $ mehr als 2023, und nächstes Jahr soll das Volumen weiter steigen.

Angesichts der glänzenden Entwicklung der Aktienkurse haben Investoren diese Entwicklung bislang ohne grösseren Widerspruch toleriert. Doch der Boom hat für das Geschäftsmodell der Tech-Kolosse weitreichende Implikationen. Microsoft und Alphabet geben rund 15 bis 20% ihrer Einnahmen für Kapitalinvestitionen aus. Das sind Werte, die man sonst eher bei Infrastruktur-Anbietern aus Sektoren wie Telecom oder Versorger kennt. Von «Asset Light»-Geschäftsmodellen kann keine Rede mehr sein.

Das Problem ist, dass sich die Rendite dieser kolossalen Investitionen nach wie vor kaum abschätzen lässt. Mehr als zwei Jahre seit Beginn des Booms stehen die Einnahmen mit neuen KI-Diensten in keinem Verhältnis zu den Ausgaben. Damit nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass einer der grossen Tech-Konzerne früher oder später das Tempo im Wettlauf reduziert. Vor allem dann, wenn sich die Kursentwicklung an der Börse weniger glamourös als dieses Jahr gestalten sollte und Anleger ungeduldig werden.

Aufhorchen lässt daher eine Warnung von Doug Lefever. Der CEO von Advantest, einem der grössten Anbieter von Testsystemen für Halbleiter, sagte der «Financial Times» diese Woche, dass er auf Anzeichen für eine mögliche Abschwächung der KI-Ausgaben grosser Tech-Konzern achte. Ein Rückgang «mag nicht lange anhalten und es kann danach wieder rasch aufwärts gehen, aber aufgrund der Konzentration [der Hyperscaler] im Markt wird jede Verlangsamung beim Ausbau von Rechenzentren beträchtliche Auswirkungen auf die Lieferketten haben», so Lefever.

In einem solchen Szenario fragt sich, was mit Nvidia passiert. Der grösste KI-Profiteur weist für 2024 erneut eine überragende Kursperformance aus. Die Avancen basieren aber fast ausschliesslich auf dem ersten Halbjahr, seit Sommer kommen die Titel kaum mehr vom Fleck. Umso grössere Hoffnungen ruhen auf Blackwell, der nächsten Generation von Nvidias KI-Chips. Doch selbst auf Basis der überaus optimistischen Analystenprognosen wird sich Nvidias Wachstum in den nächsten Quartalen weiter verlangsamen – wenn auch auf hohem Niveau.

Im Verlauf von 2025 könnten sich damit Chancen für eine taktische Wette auf eine Rotation im Halbleitersektor eröffnen. Während das Geschäft von Nvidia, Broadcom und anderen KI-Ausrüstern boomt, ist die Nachfrage in praktisch jedem anderen Segment der Branche gedämpft: Von Anwendungen für die Industrie und die Autobranche, über Mobilfunk-Chips bis hin zu Prozessoren für PC-Geräte und herkömmliche Grossrechner. Die diesjährige Performance vieler Anbieter ist deshalb enttäuschend. Speziell im zweiten Halbjahr sind viele Chip-Aktien unter Druck gekommen.

Das ist mit ein Grund dafür, weshalb der PHLX-Index des Halbleitersektors seit dem Sommer trotz KI-Hype einen wesentlichen Teil seiner Gewinne preisgegeben hat. Dies, während Aktien von Software-Unternehmen in der Gunst von Investoren gestiegen sind.

Es ist gut möglich, dass der Druck noch eine Weile anhält. In der Halbleiterindustrie lösen sich Zyklen aber rasch ab, und Veränderungen im Marktumfeld werden an der Börse weit im Voraus antizipiert. Entsprechend dürften ausgeprägte Kursbewegungen nicht ausbleiben, falls sich Anzeichen für eine Aufhellung verdichten. «Während die konsumorientierten Märkte kurzfristig schwächer sind, erwarten wir eine Rückkehr zu Wachstum in der zweiten Hälfte unseres Geschäftsjahres», sagte etwa Sanjay Mehrotra, CEO des Speicherchip-Herstellers Micron Technology, beim Quartalsabschluss vor zwei Wochen.

Für neue Impulse könnte beispielsweise eine Belebung der chinesischen Wirtschaft sorgen. Ein Szenario, das nur wenige Investoren auf der Rechnung haben. In Europa sieht die Konjunkturlage momentan ebenfalls nicht gut aus, doch das kann sich auch wieder ändern. Profitieren würden von besseren Perspektiven für die Weltwirtschaft vor allem Hersteller von Analog-Chips wie ON Semiconductor, Renesas Electronics, STMicroelectronics, Infineon oder NXP Semiconductors, deren Aktien nicht teuer sind. Reichlich Potenzial bergen angesichts der wenig anspruchsvollen Bewertung beispielsweise auch Qualcomm und Micron.

3. Comeback von Biotech-Aktien

Auf ein schwieriges Jahr an den Börsen blicken Unternehmen aus dem Gesundheitswesen zurück. Der Sektor verzeichnet für 2024 eine Performance von bloss 4% und zählt zusammen mit Energie- und Grundstoff-Aktien zu den grössten relativen Verlierern im S&P 500.

Ein Grund dafür ist politische Unsicherheit: Donald Trumps Nominierungen für wichtige Posten im US-Gesundheitswesen werden an der Börse als problematisch wahrgenommen. Das gilt speziell für den Impfgegner und Verschwörungstheoretiker Robert F. Kennedy Jr. als designierter Gesundheitsminister.

Doch auch auf mittlere bis lange Sicht sieht das Bild nicht schön aus. Aktien von Biotech- und Pharmaunternehmen hinken schon seit längerer Zeit hinterher. Im vergangenen Jahr hat sich der Unterschied in der Performance erheblich vergrössert. Der Nasdaq Biotechnology Index hat in den letzten zehn Jahren bloss 37% gewonnen, wogegen der S&P 500 annähernd 190% vorgeprescht ist.

Entsprechend ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Gemäss einer Umfrage des Brokers BMO Capital Markets sind lediglich 6% der professionellen Anleger mit Blick auf 2025 zuversichtlich (bullish) für Biotech-Aktien, wogegen mehr als 40% die Aussichten negativ einschätzen (bearish). Für Pharmakonzerne ist das Sentiment sogar noch wesentlich schlechter.

Zuletzt hat zudem eine Reihe enttäuschender Studienresultate den Sektor belastet. Grössere Erschütterungen an den Börsen lösten vergangene Woche klinische Testdaten von Novo Nordisk zur nächsten Generation von Abnehmpräparaten aus. Wenige Tage zuvor hatte zudem der Biotech-Konzern Vertex mit Phase-II-Daten zu einem Opioid-freien Medikament gegen chronische Schmerzen die Erwartungen verfehlt.

In einer solchen Situation braucht es für positive Überraschungen wenig. «Auch wenn die Stimmung in der Biopharma-Branche im zweiten Semester 2024 so schlecht war wie selten zuvor, sehen wir hinsichtlich 2025 viel Grund für Optimismus», meint BMO-Analyst Evan David Seigerman. Seiner Ansicht nach wird Kennedy Jr. besser mit der Branche zusammenarbeiten als befürchtet. Und falls die Zinsen bei einer Konjunkturabkühlung in den USA zurückgehen sollten, dürften speziell Biotech-Aktien profitieren.

Positive Nachrichten könnten bereits in den ersten Wochen des neuen Jahres für etwas mehr Zuversicht sorgen. Mitte Januar findet in San Francisco die jährliche Gesundheitskonferenz von JPMorgan statt, das wichtigste Treffen der Branche. In ihrem Umfeld werden häufig auch Übernahmen angekündigt. Nachdem die Biden-Regierung in dieser Hinsicht wenig kooperativ war, könnte es mit dem Machtwechsel in Washington wieder vermehrt zu Transaktionen kommen.

Darauf deutet der bevorstehende Wechsel an der Spitze der US-Wettbewerbsaufsicht FTC hin. Trump hat bereits angekündigt, dass die amtierende FTC-Chefin, Lina Khan, durch Andrew Ferguson ersetzt wird. «Ferguson ist dafür bekannt, dass er gegenüber Fusionen und Übernahmen relativ offen ist», halten Biotech-Analysten der Investmentbank Stifel fest. Ein positives Signal sei ebenso die Nomination von Gail Slater zur Leiterin der Kartellabteilung im Justizministerium, die als konservative, wirtschaftsfreundliche Anwältin gelte.

Belebt sich der Markt für Übernahmen, spricht das besonders für kleinere und mittelgrosse Biotech-Unternehmen. Grössere Kaliber aus der Gesundheitsbranche wie Amgen, Regeneron, Merck, Pfizer und Novo Nordisk werden 2024 zudem aller Voraussicht nach in der Verlustzone beenden. Ihr Kurs dürfte Ende Jahr aus steuerlichen Gründen (Tax-loss Harvesting) zusätzlich unter Druck gekommen sein. Dieser Effekt wirkt in den ersten Wochen des neuen Jahres dann aber oft in die Gegenrichtung, womit der Zeitpunkt für Engagements günstig ist.


Deep Diving

An dieser Stelle präsentieren wir wie immer einige Links, die einen vertieften Einblick in ein aktuelles Thema geben:

  • Der Datacenter-Boom im Zusammenhang mit KI ist einer der wichtigsten Trends im Rückblick auf das vergangene Jahr. Mit dem rasanten Ausbau von Rechenkapazitäten gehen hinsichtlich der Nachfrage nach Elektrizität bedeutende Herausforderungen einher. Der Börsensender «CNBC» zeigt in dieser Dokumentation, welche Belastungen auf die Netzinfrastruktur in den USA und in anderen Ländern zukommen.
  • WhatsApp ist die weltweit am meisten genutzte Messaging-App. Nach Angaben des Mutterkonzerns Meta Platforms wird der Dienst täglich von 2 Mrd. Menschen in 180 Ländern genutzt, die damit jeden Tag mehr als 100 Mrd. Nachrichten in sechzig Sprachen verschicken. Zu den grössten Märkten zählen Indien und Brasilien. Das Tech-Magazin «Rest of World» geht in dieser Reportage der Frage nach, was Meta künftig mit WhatsApp vorhaben könnte.
  • Amazon dominiert den Internethandel. Im Kernmarkt USA kontrolliert der Online-Riese einen Anteil von 40% im E-Commerce-Geschäft, die Cloud-Sparte AWS ist der weltgrösste Anbieter von Rechendiensten übers Internet. Diese Dominanz hat auch dunkle Seiten. Dana Mattioli, Reporterin beim «Wall Street Journal», erzählt im Buch «The Everything War», wie Amazon zu einem der mächtigsten und gefürchtetsten Unternehmen wurde. Einblicke dazu gibt sie in dieser Episode des Podcasts «Masters in Business» mit Barry Ritholtz.

Und zum Schluss noch dies: Container Tales

Noch sind es 24 Tage, bis Donald Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vor dem Kapitol in Washington vereidigt wird. Die Vorbereitungen auf den Regierungswechsel laufen längst auf Hochtouren – nicht nur in der US-Hauptstadt, sondern auch in ganz Corporate America.

Angesichts des Risikos neuer Handelskonflikte und höherer Zölle stocken Unternehmen die Lager schon seit Wochen auf. Besonders deutlich macht sich das in der San Pedro Bay bemerkbar. Die Meeresbucht umfasst die Frachthäfen von Los Angeles sowie Long Beach und wickelt rund 40% der Container-Importe in die USA ab. Der grösste Teil davon stammt aus Asien, hauptsächlich aus China.

Über den Port of Los Angeles sind im November 458’165 Standardcontainer importiert worden, 19% mehr als vor einem Jahr. Für 2024 belaufen sich die Einfuhren bisher auf knapp 4,9 Mio. Container, was im Jahresvergleich einer Zunahme von 16% entspricht. Die Zahlen für Dezember sind noch nicht bekannt, insgesamt dürfte aber das betriebsamste Jahr seit 2021 resultieren, als die Pandemie für einen gewaltigen Boom sorgte.

Im Port of Long Beach wird sogar mit einem neuen Rekord gerechnet. «Die ganze Diskussion um die Zölle hat unsere Spediteure dazu veranlasst, einen Teil der Importe im Voraus abzuwickeln» sagte Hafendirektor Mario Cordero vor wenigen Tagen dem Finanzsender «Bloomberg TV». Hinzu komme die Unsicherheit um erneute Streiks bei den Häfen an der US-Ostküste, weshalb ein Teil der Importe an die Westküste umgeleitet werde.

Für November meldet der Port of Long Beach eine Zunahme der Importe um 21,8% auf 432’823 Container. In den ersten elf Monaten sind die Einfuhren gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 24,4% auf 4,3 Mio. Container gestiegen. Beim bisherigen Rekord im Jahr 2021 beliefen sich die Einfuhren in den beiden Frachthäfen der San Pedro Bay zusammengenommen auf mehr als 10 Mio. Container.

In Anbetracht der angedrohten Zölle wird bis im Frühjahr weiterhin mit Hochbetrieb gerechnet. Der Trend ist vergleichbar mit den Jahren 2017/18, als Trump während seiner ersten Amtszeit den Handelskonflikt mit China eskalierte. Auch damals nahmen die Importe im Vorfeld deutlich zu, worauf es nach der Einführung der Restriktionen zu einer empfindlichen Abkühlung kam.

Seither haben in den globalen Lieferketten teils wesentliche Veränderungen stattgefunden. Beim Port of Los Angeles etwa kommt China heute für noch etwas mehr als 40% der Importe auf, wogegen es 2022 annähernd 60% waren. Im Port of Long Beach dagegen entfällt die Mehrheit der Einfuhren nach wie vor klar auf die Volksrepublik.

Während China im Handel mit den USA zunehmend auf Einschränkungen trifft, baut es seine Präsenz in Lateinamerika aus. Um sich den Zugang zu Rohstoffen zu sichern, investieren chinesische Unternehmen dort massiv in Infrastruktur. Jüngstes Beispiel ist der von China mit 3,5 Mrd. $ finanzierte Megahafen an der Küste Perus, dem zweitgrössten Kupferproduzenten nach Chile. Zur Einweihung der Anlage war Staatschef Xi Jinping im November nach Lima gereist.

Chinas Engagement in der lateinamerikanischen Welt lässt sich auch in Panama beobachten. Im Fokus steht dort der Panamakanal, als Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik eine Schlüsselpassage im globalen Gütertransport. Zwei von fünf Frachthäfen, die an den Kanal angrenzen, sind bereits unter chinesischer Kontrolle. Zudem finanziert China gegenwärtig den Bau einer neuen Brücke über den Wasserweg.

In Washington wird das nicht gerne gesehen. Seit der Eröffnung vor 110 Jahren gehört der Panamakanal zu den strategisch wichtigsten Assets der Vereinigten Staaten. Rund 70% der Güterströme, die durch den Seeweg gehen, sind Ein- und Ausfuhren der US-Wirtschaft. Trumps Drohungen, den Panamakanal wieder unter amerikanische Kontrolle zu bringen, sind daher nicht nur zufälliger Lärm. Sie sind ein Anzeichen dafür, dass geopolitische Spannungen noch mehr zunehmen werden.

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