Donnerstag, Januar 23

Schon wieder hat es in Deutschland eine schwere Gewalttat mit einem Messer gegeben. Ein Mann und ein Kleinkind sind tot, der mutmassliche Täter ist ein afghanischer Asylbewerber. Mancher Anwohner hat um den Park zuvor schon einen Bogen gemacht.

«Für Sicherheit und einen klaren Kurs», steht auf dem Wahlplakat einer CSU-Bundestagsabgeordneten am südlichen Eingang des Parks Schöntal, der unmittelbar in der Nachbarschaft der Fussgängerzone von Aschaffenburg liegt. Nur rund 200 Meter Luftlinie entfernt soll ein afghanischer Asylbewerber am Mittwochmittag mitten im Park völlig unvermittelt ein kleines Kind und einen Mann umgebracht haben.

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Viele der rund 72 000 Einwohner der unterfränkischen Stadt, die rund 50 Kilometer südlich von Frankfurt am Main liegt, sind an diesem Tag fassungslos, geschockt und wütend, wie die Gespräche vor Ort zeigen.

Angriff mit einem Küchenmesser

Am späteren Nachmittag wimmelt es rund um den Park noch immer vor Polizei, der Rettungsdienst ist inzwischen verschwunden. Uniformierte Beamte bewachen alle Zugänge zum Schöntal, niemand darf hinein. Manchen von ihnen sieht man an diesem grauen Wintertag bereits im Gesicht die Temperaturen um den Gefrierpunkt an. In der Hofgartenstrasse, der östlichen Begrenzung des Parks, hat ein Polizeihund Witterung aufgenommen und zerrt den Hundeführer auf der Strasse hinter sich her. Sechs weitere Beamte mit hellgelben Warnwesten folgen schnellen Schrittes auf der rechten Fahrspur.

Der mutmassliche Täter ist zu diesem Zeitpunkt jedoch längst in Gewahrsam. Gegen 11 Uhr 45 Uhr hatte der 28-jährige Afghane laut dem bayerischen CSU-Innenminister Joachim Herrmann «unvermittelt und gezielt» einen Jungen aus einer kleinen Kindergartengruppe mit zwei Betreuerinnen mit einem Küchenmesser angegriffen. Laut ersten Ermittlungen war der Afghane schon mehrfach polizeilich aufgefallen und «psychisch vorbelastet». Hinweise auf eine radikale Gesinnung oder einen islamistischen Hintergrund haben die Strafverfolger bisher nicht.

Der zweijährige Junge marokkanischer Abstammung erlag seinen Verletzungen. Ein 41-jähriger Passant, der die Kinder beschützen wollte, starb ebenfalls noch vor Ort an seinen schweren Stichwunden. Zudem verletzte der Täter einen 72-jährigen Mann und ein zweijähriges syrisches Mädchen zum Teil schwer. Eine 59-jährige Erzieherin der Kindergartengruppe brach sich bei der Flucht den Unterarm. Der mutmassliche Täter konnte dank Hinweisen von Zeugen bereits zwölf Minuten nach der Gewalttat gefasst werden.

Drogenhandel und Männergruppen

In der beginnenden Dämmerung legt Lusiana Keulich ein paar Blumen am Südosteingang des Schöntals nieder und stellt eine Kerze auf. Sie sei selbst Erzieherin und erst am Dienstag mit einer Gruppe von Kindern im Park gewesen, erzählt sie. «Es hätte auch uns treffen können», sagt sie konsterniert weiter. Der Ort sei in den vergangenen Monaten und Jahren aus ihrer Sicht immer gefährlicher geworden, vor allem wegen Gruppen junger Männer. Ihre Stimme bebt bei der Aussage vor Empörung.

Laut einem Sprecher der Aschaffenburger Polizei nutzen vor allem Kleinkriminelle den Park zum Verkauf kleiner Drogenmengen, im Jargon spreche man vom Ameisenhandel. Es habe im vergangenen Jahr aber auch eine gefährliche Körperverletzung mit einem Messer gegeben, allerdings innerhalb des Drogenmilieus. Die Polizei habe auf die Vorfälle mit stärkerer Präsenz und mehr Kontrollen reagiert, sagt der Sprecher. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien danach positiv gewesen, das Sicherheitsgefühl sei gestiegen.

Für das Sicherheitsgefühl von Lusiana Keulich galt das jedoch nicht – und zwar inner- und ausserhalb des Parks. Ihr seien allein drei Messerangriffe in Aschaffenburg in den vergangenen Monaten präsent, sagt sie. Bei einer Attacke habe beispielsweise ein Mann seine Frau mit einem Messer schwer verletzt. Das Kind der Familie sei bei ihr in der Kindergartengruppe gewesen. Deshalb kenne sie den Fall. Später erzählt sie zudem noch einem anderen Reporter, dass sie sich durch die Erfahrungen sogar überlegt habe, ob man mit den Kindern überhaupt noch den Weihnachtsmarkt von Aschaffenburg besuchen könne.

Gegen 17 Uhr 30 gibt die Polizei den Park wieder frei. Innenminister Herrmann hatte gerade vor Journalisten weitere Details der Bluttat genannt und macht sich danach selbst ein Bild des Tatorts. Dieser liegt ziemlich in der Mitte des Parks, direkt zwischen einem kleinen Teich und der fahl erleuchteten Ruine der Beginen-Konventskirche «Zum Heiligen Grabe». Das kleine Areal zwischen dem leicht zugefrorenen Teich und der Ruine ist ausgestattet mit Bänken. Zum Verweilen lädt der von winterlich-laublosen Bäumen und Sträuchern umgebene Platz an diesem düsteren Tag kaum ein.

Viele ältere Menschen sind im Park unterwegs

Trotzdem haben sich inzwischen einige Interessierte und Schaulustige versammelt. Auch Lusiana Keulich ist jetzt hier. Als Innenminister Herrmann die Szenerie wieder verlässt, leert sich der kleine Platz langsam. Wie sich herausstellt verbleiben vor allem Anwohner. Deren Urteil ist einhellig: Der Park Schöntal sei in den vergangenen Jahren unangenehm und teilweise auch gefährlich geworden, vor allem für Frauen und ältere Menschen. Angrenzend sei ein Altenheim für betreutes Wohnen, weswegen viele ältere Menschen im Park unterwegs seien.

Der Verfall des Parks liege nicht nur an den kleinen Drogendealern, sondern auch an den Gruppen junger Männer, mutmasslich Flüchtlinge. An diesem Abend kann man hier sozusagen dem Volk aufs Maul schauen. Einige sagen ungefiltert ihre Meinung, wenngleich sie stets betonen, dass sie grundsätzlich nichts gegen Ausländer und Asylbewerber hätten.

Er habe seinen Kindern verboten, den Park zu durchqueren, sagt Salvatore, der ganz in der Nähe wohnt und seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Der kräftige mittelgrosse Mann meint, er habe selbst noch nie Probleme gehabt, doch er habe schon öfter beobachtet, wie fremdländische junge Männer vor allem ältere oder weibliche Passanten angesprochen und bedrängt hätten oder ihnen hinterhergelaufen seien. Einem älteren Mann sei mal das Handy aus der Hand geschlagen worden, da habe er eingegriffen.

Vergleich mit dem Görlitzer Park

Salvatore äussert sich differenziert. Vor allem in den letzten zwei Jahren habe die Sicherheit im Park rapide nachgelassen. Das sei inzwischen in der ganzen Stadt ein Thema. Andere Anwohner bestätigen die Aussagen. Einer gibt zu Protokoll, erst in der vergangenen Woche eine Schlägerei zwischen jungen Männern beobachtet zu haben. Manchmal bestünden die im Park herumhängenden Männergruppen aus bis zu 40 Personen. Es fällt der Vergleich mit dem Görlitzer Park in Berlin, wo ebenfalls der Drogenhandel floriert und in den sich mancher nicht mehr hinein traut.

Tina wiederum ist mit ihrer Freundin aus einem Vorort von Aschaffenburg in den Park gekommen. Der Enkel der Freundin geht hier in der Gegend ebenfalls in eine Kinderkrippe, erzählen sie. Beide haben, wie viele andere auch, Blumen und ein Grablicht in der Hand.

Der Frust, die Enttäuschung und die Wut über den Zustand des gesamten Landes und von Aschaffenburg ist bei Tina und ihrer Freundin spür- und hörbar. Ihr sei es egal, ob jemand weiss, braun, schwarz oder grün sei, sagt die Freundin, man müsse sich die ins Land kommenden Leute aber genau anschauen. Das passiere jedoch nicht. Deswegen hätten ihrer Meinung nach die Politiker alle Blut an ihren Händen.

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