Montag, September 30

Viele Selbständigerwerbende in der Schweiz vernachlässigen ihre Vorsorge. Dabei bieten sich ihnen viele Möglichkeiten mit Pensionskasse und Säule 3a.

Der eigene Chef zu sein, ist für viele attraktiv. Die Zahl der Selbständigen in der Schweiz geht in die Hunderttausende. Laut der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake) des Bundesamts für Statistik (BfS) waren im vergangenen Jahr hierzulande 9,1 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren selbständig erwerbend. Viele von ihnen sind neben ihrer selbständigen Tätigkeit auch als Arbeitnehmende angestellt oder gehen mehreren Beschäftigungen nach.

Wer ein Unternehmen gründet, unterliegt bei den Schweizer Sozialversicherungen speziellen Regeln. Selbständigerwerbende sind beispielsweise nicht der Arbeitslosenversicherung angeschlossen und folglich nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert. In der Altersvorsorge ist für sie nur die erste Säule, die AHV, Pflicht. Die berufliche Vorsorge ist freiwillig: Selbständige können, müssen sich aber nicht einer Pensionskasse anschliessen.

Die «Geldillusion» der Selbständigen

Dies sorgt nicht selten für Lücken in der Altersvorsorge. Selbständigerwerbende hätten ein erhöhtes Risiko, dass sie sich keine angemessene Vorsorge aufbauten und später im Rentenalter Ergänzungsleistungen beanspruchen müssten, heisst es etwa in einem Bericht des Bundesrats aus dem Jahr 2022.

Auch Finanzberater berichten aus ihrer Arbeitspraxis von Selbständigerwerbenden mit erheblichen Vorsorgelücken. «Viele Selbständigerwerbende haben keine Pensionskasse und zahlen nur erratisch in die Säule 3a ein», sagt Tashi Gumbatshang, Vorsorgeexperte bei Raiffeisen. «Sie drohen bei der Vorsorge zwischen Stuhl und Bank zu fallen.»

Besonders gefährlich sei es, die Vorsorge über die Jahre hinweg nach hinten zu schieben. «Viele Selbständigerwerbende unterliegen einer Geldillusion», sagt er. Sie planten die Vorsorge nicht rechtzeitig und berücksichtigten die Kosten dafür nicht ausreichend in ihren Budgets. Dies ist umso wichtiger, als Selbständigerwerbende die Beiträge an AHV/IV/EO sowie an die Pensionskasse vollständig selbst bezahlen müssen.

Risiken schlecht abgesichert

«Viele Selbständigerwerbende decken Risiken wie Tod und Invalidität für sich und ihre Familien nicht ausreichend ab», sagt auch Thomas Bossart, Leiter Vorsorge der Versicherung Mobiliar. Ihr Fokus liege meist auf der beruflichen Aktivität, dabei kämen Themen rund um die persönliche Absicherung oft zu kurz.

Nicht wenige von ihnen sehen auch die eigene Firma als Altersvorsorge und planen, diese dann im Ruhestand zu verkaufen. Diese Strategie kann aufgehen, ist aber auch ein Risiko. Schliesslich kann der Wert eines Unternehmens in Zeiten raschen Wandels schnell sinken.

Was Selbständige bei der Altersvorsorge beachten sollten

AHV-Zahlungen sind Pflicht: «Selbständigerwerbende müssen ihre AHV-Beiträge vollständig und lückenlos bezahlen», sagt Bossart. Deren Höhe ist abhängig vom Einkommen und schwankt zwischen 5,371 und 10 Prozent – letzterer Beitragssatz wird ab einem Einkommen von 58 800 Franken fällig. Darin enthalten sind auch der obligatorische Anteil für die Invalidenversicherung (IV) und den Erwerbsausfall (EO).

«Die endgültige Höhe der laufenden AHV-Beträge legt die Ausgleichskasse erst nach Abschluss fest», sagt Bossart. Sie basiert auf der definitiven Steuerveranlagung. Nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr könne deshalb die nachträgliche AHV-Rechnung höher ausfallen als erwartet. «Wer dafür genug Geld zur Seite legt, vermeidet unangenehme Überraschungen», sagt Bossart.

Wie die SVA Zürich ausführt, bekommen auch Selbständige eine volle AHV-Rente in Höhe von 2450 Franken nur dann, wenn sie 44 Jahre lang AHV-Beiträge einbezahlt haben. Bei Frauen sind es zurzeit 43 Jahre, ab 2025 wird die Beitragszeit bis 2028 auf ebenfalls 44 Jahre erhöht. Die volle AHV-Rente erhält man zudem nur, wenn man während der ganzen Beitragsdauer ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 88 200 Franken hatte.

Anschluss an eine Pensionskasse suchen: Gumbatshang empfiehlt Selbständigerwerbenden, sich wenn möglich einer Pensionskasse anzuschliessen. Dann seien auch die Risiken Tod und Invalidität gut abgesichert, und dies sei zumeist günstiger, als wenn man hier separate Lösungen suche.

Der Anschluss an eine Pensionskasse gilt als umso attraktiver, je höher das Einkommen ist. Der Finanzdienstleister VZ Vermögenszentrum macht dazu ein Beispiel. Hat ein Selbständiger ein Einkommen von 180 000 Franken, ist keiner Pensionskasse angeschlossen und zahlt in der Säule 3a den Maximalbetrag von 35 280 Franken ein, kann er bei einem Grenzsteuersatz von 30 Prozent pro Jahr rund 10 600 Franken Steuern sparen.

Ist dieser Selbständige in einer Pensionskasse versichert, so kann er Sparbeiträge in Höhe von bis zu 45 000 Franken an die Kasse und weitere 7056 Franken in die Säule 3a einzahlen. So spart er laut dem Finanzdienstleister pro Jahr sogar rund 15 600 Franken an Steuern – also 5000 Franken mehr. Ausserdem hat er die Möglichkeit, Einkäufe in die Pensionskasse zu tätigen und so seine Steuerlast noch stärker zu reduzieren.

Verschiedene Möglichkeiten für einen PK-Anschluss: «In der beruflichen Vorsorge zahlen Selbständigerwerbende sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberbeiträge ein», sagt Bossart. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich freiwillig in der zweiten Säule zu versichern.

«Viele Vorsorgeeinrichtungen erlauben Unternehmern, sich der Pensionskasse der Angestellten anzuschliessen», sagt Bossart. Auch die Vorsorgeeinrichtung des entsprechenden Berufsverbands kann eine Lösung sein. Wie die Informationsstelle AHV/IV ausführt, haben verschiedene freiberuflich tätige Berufsgruppen wie beispielsweise Rechtsanwälte, Ärzte, unabhängige Musiker oder zahlreiche Gewerbeberufe brancheneigene Pensionskassen. Arbeitgeberorganisationen sowie Industrie- und Handelskammern informieren über mögliche Anschlussmöglichkeiten.

Können sich Selbständigerwerbende nicht bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern lassen, haben sie noch die Option, sich der Stiftung Auffangeinrichtung BVG anzuschliessen.

Systematisch in die dritte Säule einzahlen: Gumbatshang empfiehlt Selbständigerwerbenden, systematisch in die Säule 3a einzuzahlen. Sind sie einer Pensionskasse angeschlossen, beträgt der Maximalbetrag 7056 Franken. Diesen können sie dann vom steuerbaren Einkommen abziehen.

Selbständigerwerbende, die keiner Kasse angeschlossen sind, können sogar eine «grosse Säule 3a» besparen: Diese darf jährlich bis zu 20 Prozent des Einkommens und maximal 35 280 Franken pro Jahr umfassen. Für viele Selbständigerwerbende dürfte eine Mischung aus zweiter und dritter Säule bei der Vorsorge eine gute Wahl sein.

Steuern I: Wie die Informationsstelle AHV/IV ausführt, kann man als Selbständigerwerbender die Beiträge, die man für sich selbst an die AHV/IV/EO bezahlt hat, vollumfänglich vom Betriebsergebnis als geschäftsmässig begründete Kosten abziehen.

Steuern II: «Viele Selbständigerwerbende zahlen sich ein möglichst niedriges Einkommen aus, da sie Steuern sparen möchten», sagt Bossart. Dabei sei aber Vorsicht geboten: Liegt der Durchschnittslohn unter der oberen Grenze des Jahreslohns von 88 200 Franken (Stand: 2024), so erhält man später, wie bereits erwähnt, eine kleinere AHV-Rente. Laut Bossart gilt es hier sorgfältig abzuwägen.

Die wichtigsten Risiken absichern: «Für Selbständigerwerbende ist es wichtig, zu wissen, dass sie nicht automatisch gegen Unfälle versichert sind», sagt Bossart. Im Falle einer Krankheit übernehme ihre Krankenkasse auch nur die Heilungskosten. «Es ist daher ratsam, sich für die wichtigsten Risiken zu versichern.» Dazu gehören aus seiner Sicht die Unfallversicherung nach UVG, die Krankentaggeldversicherung, die Erwerbsunfähigkeitsrente und das Todesfallkapital.

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