Sonntag, Oktober 6

Der Tech-Milliardär und der Richter Alexandre de Moraes bekriegen sich seit Monaten. Elon Musk weigert sich, auf Geheiss der Justiz Nutzerkonten zu sperren und Nutzerdaten herauszugeben.

In Brasilien droht jeden Moment die landesweite Sperrung der Plattform X, nachdem am Donnerstagabend ein vom Richter Alexandre de Moraes vom Obersten Gerichtshof gestelltes Ultimatum abgelaufen ist. In diesem wurde X aufgefordert, der Justiz innerhalb von 24 Stunden den Namen des neuen Rechtsvertreters des Unternehmens in Brasilien mitzuteilen. Nachdem das Unternehmen dem nicht nachgekommen ist, dürfte der als sehr resolut geltende Richter nun bald zur Tat schreiten. Das Ultimatum hatte das Oberste Gericht am Mittwoch auf dem eigenen X-Nutzerkonto veröffentlicht – ein bis anhin einmaliges Vorgehen.

Auch Starlink ist betroffen

Laut brasilianischer Rechtsprechung ist X verpflichtet, einen Rechtsvertreter in dem südamerikanischen Land zu haben. Doch der Eigentümer von X, Elon Musk, hat seine Mitarbeiter Mitte August aus Brasilien abgezogen und das Büro in São Paulo geschlossen. Zuvor hatte Richter Moraes diesen mit Bussen sowie einem Haftbefehl gedroht, sollte er nicht der richterlichen Anweisung zur Offenlegung von Nutzerdaten sowie zur Sperrung von Nutzerkonten Folge leisten. Musk hält die Forderungen des von ihm als «evil dictator» bezeichneten Moraes für illegal und weigert sich seit Monaten, der «Zensur» des Richters nachzukommen.

Am Donnerstag liess Moraes bereits die brasilianischen Bankkonten von Musks Internet-Anbieter Starlink in Brasilien einfrieren. Damit soll die Zahlung von gegen X verhängten Bussen garantiert werden. Starlink kündigte rechtliche Schritte dagegen an. Der Anbieter wird in Brasilien immer populärer. Besonders in den abgelegenen Regionen des Riesenlandes bietet es eine konkurrenzlos gute Internetverbindung. So sind indigene Dörfer genau wie Krankenhäuser auf den Dienst angewiesen. Notfalls werde man diese Versorgung auch ohne Bezahlung weiterführen, versprach Elon Musk.

Ein Richter auf Mission gegen «fake news»

Moraes sieht sich als Vorkämpfer gegen Hasskriminalität und «fake news» in Brasilien. Während der Amtszeit des Rechtspopulisten Jair Messias Bolsonaro (2019 bis 2022) hatte er Ermittlungsverfahren gegen den Präsidenten und dessen mutmassliche Internet-Trolle eingeleitet. Daraufhin war der Richter Ziel von Anfeindungen der Bolsonaro-Anhänger geworden, die sogar vor seiner Privatwohnung demonstrierten und ihn in der Öffentlichkeit beschimpften und bedrohten. Bolsonaro forderte, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Richter einzuleiten.

Anfang des Jahres geriet Musk zwischen diese Fronten, da über X-Nutzerkonten neben Falschinformationen auch Aufrufe zum Putsch gegen Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verbreitet worden waren. Wenige Tage nach dessen Amtsantritt im Januar 2023 hatten Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel der Hauptstadt Brasilia gestürmt – für Moraes ein versuchter Putsch. Mehrere daran beteiligte Personen wurden bereits zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen besteht Moraes darauf, dass X die Identität von Nutzern offenlegt und Konten sperrt.

Während Musk längst zum gefeierten Helden des Bolsonaro-Lagers geworden ist, werfen ihm die Unterstützer des linken Präsidenten Lula da Silva Einmischung in innerbrasilianische Angelegenheiten vor und verlangen gerichtliche Härte gegen den Südafrikaner und dessen Unternehmen. Dass Moraes im April ein Verfahren gegen Musk wegen Behinderung der Justiz einleitete, wurde im Lula-Lager gefeiert.

Brasilien ist mit 22 Millionen Nutzern der sechstgrösste Markt für X. Elon Musk betont jedoch, dass der Kampf für Meinungsfreiheit für ihn wichtiger sei als wirtschaftlichen Abwägungen. Brasiliens Justiz steht dagegen unter Druck, angesichts der im Oktober anstehenden Kommunalwahlen ein Signal gegen die Verbreitung von «fake news» zu setzen. In der Vergangenheit hatten Richter bereits mehrfach den Messenger-Dienst Whatsapp kurzfristig blockiert, weil dieser sich geweigert hatte, mit den Behörden bei polizeilichen Ermittlungen zu kooperieren.

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