Montag, Oktober 7

Das Medienhaus hat angekündigt, 290 Stellen zu streichen und zwei Druckereien zu schliessen. Was hat das für Folgen? Die Tamedia-Chefin und ihr publizistischer Leiter Simon Bärtschi nehmen Stellung.

Frau Peppel-Schulz, die TX-Gruppe, zu der Tamedia gehört, hat ihren Umsatz letztes Jahr auf fast eine Milliarde Franken erhöht. Da wäre es doch problemlos möglich, guten Journalismus querzufinanzieren. Stattdessen kündigt Tamedia Entlassungen und Druckereischliessungen an. Weshalb?

Jessica Peppel-Schulz: Ich bin als CEO angetreten, um das Unternehmen Tamedia nachhaltig und wirtschaftlich neu aufzustellen. Wir müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen. Bei dieser Aufgabe kann ich nicht rechts oder links in die Tasche von anderen greifen. Wir müssen als eigenständiges, privatwirtschaftlich finanziertes Unternehmen eine Antwort auf die tiefgreifende Veränderung der letzten Jahre haben, so dass wir auf gesunden Beinen weiterhin unabhängigen Qualitätsjournalismus für die Schweiz machen können. Dieser muss unabhängig sein, gleich welcher Form der Finanzierung.

Gemäss unseren Quellen sollen Sie den Auftrag haben, den Gewinn von 2 auf 8 Prozent zu steigern. Stimmt das?

Peppel-Schulz: Tamedia hat derzeit eine Marge von rund 2 Prozent. Sprich, wir sind nicht nachhaltig aufgestellt. Mit den rückläufigen Umsätzen im Printgeschäft und im Werbemarkt können wir mit dieser Marge nicht annähernd die Investitionen tätigen, die dieses Unternehmen für eine Zukunft in dieser neuen digitalen Welt dringend braucht. Es gibt heute schon viele Medienunternehmen, die eine Marge von 8 Prozent erwirtschaften und damit eigenfinanzierte Investitionen tätigen können.

Eine der Hauptmassnahmen ist die Schliessung der Druckereien in Lausanne und Zürich. Der Standort Bern soll ausgebaut werden, allerdings zitierte die «NZZ am Sonntag» vor einigen Monaten aus einem internen Dokument, wonach auch die dritte Druckerei spätestens 2032 schliessen soll. Gilt dieses Szenario noch?

Peppel-Schulz: Ich kenne dieses Papier und damit dieses Szenario nicht. Mein Auftrag ist, eine wirtschaftlich nachhaltige Strategie zu entwickeln. Bei der Entwicklung dieser Strategie gab es keine «heiligen Kühe». Es war wichtig, das komplette Unternehmen Tamedia zu betrachten, die komplette Wertschöpfungskette zu analysieren. Die Gesamtauslastung unserer drei Druckereien liegt unter 50 Prozent. Das kostet uns viel Geld. Eine Initiative unserer neuen Strategie sieht die sukzessive Stilllegung von zwei Druckzentren vor. Mit dem Standort Bern setzen wir auf die Zukunft. Wir haben den Auftrag, unsere Leserinnen und Leser so lange wie möglich mit Druckerzeugnissen zu versorgen. Es gibt kein Enddatum für die gedruckten Zeitungen.

Offizielles Ziel der neuen Strategie ist es, vier Hauptmarken von Tamedia zu stärken, nämlich «Tages-Anzeiger», «Berner Zeitung», «Basler Zeitung» und «24 heures». Was ändert sich für mich, wenn ich Abonnentin des «Sihltalers», des «Thuner Tagblatts» oder des «Landboten» bin?

Simon Bärtschi: Nichts, die gedruckte Ausgabe bleibt gleich. Das Online-Angebot finden Sie künftig, wenn Sie den «Landboten» oder eine andere Zürcher Regionalzeitung abonniert haben, auf der Website des «Tages-Anzeigers». Damit schaffen wir breite Angebote mit hochwertigen Beiträgen aus dem In- und Ausland, regionalen Nachrichten sowie nützlichem Service für alle Leserinnen und Leser. Der «Bund» und die «Tribune de Genève» behalten ihren digitalen Auftritt, weil sie einen hohen Anteil an Digital-Abonnenten haben.

Durch die Schliessung der Druckereien sollen 200 Stellen wegfallen, aber auch in den Redaktionen sollen 90 Vollzeitstellen gestrichen werden. Betreffen diese Einschnitte vor allem Journalisten?

Bärtschi: Wo genau diese 90 Stellen abgebaut werden müssen, werden wir in den nächsten Wochen, vorbehaltlich der anstehenden Konsultationsverfahren, klären. Wir werden eine engere Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen anstreben. Das gilt beispielsweise auch für die Bundeshausredaktionen von Deutschschweiz und Romandie.

Peppel-Schulz: Mit den vier grossen Marken erreichen wir heute potenziell 5,5 Millionen Menschen. Diese Marken haben ihre Besonderheiten, die wir beibehalten müssen und wollen. Mit diesen Marken verdienen wir als Tamedia Geld. Es ist wichtig, dass diese Marken eine klare Positionierung haben. Die Positionierungen müssen wir weiter schärfen, mit einem klaren Markenkern unterschiedliche Zielgruppen bestmöglich bedienen.

Die Zeitungen in der Romandie müssen heute schon viele Übersetzungen von Deutschschweizer Artikeln publizieren, weil sie zu wenig Ressourcen haben. Wird sich dieser Trend verstärken?

Peppel-Schulz: In der Vergangenheit wurden solche Themen wenig systematisch angegangen. Das kostet viele Ressourcen und ist nicht effizient. Ein weiteres Ziel unserer Strategie ist es, die Teams stärker zusammenzubringen, alle an einem Tisch zu haben. In der Deutschschweiz gibt es ja ähnliche Probleme wie in der Romandie. Auch hier gab es Sparrunden, und die Leute haben befürchtet: «Ihr müsst mit weniger fast das Gleiche machen.» Wir müssen die Zusammenarbeit verbessern.

War diese bisher schlecht?

Peppel-Schulz: Es gab sie bislang kaum. Ich habe festgestellt, dass viele Kollegen und Kolleginnen sich untereinander gar nicht kannten. Man hat einzelne Marken zusammengestellt, aber nie eine Zusammenarbeit angestrebt noch gepflegt. Deshalb habe ich regelmässige Formate eingeführt, in denen sich die Teams direkt und besser austauschen. Zudem braucht es neue Tools, welche die Fokussierung auf den Kernauftrag des Journalismus erleichtern. «Transformation» heisst: Restrukturierung und Sparmassnahmen, leider. Das ist traurig. Aber es heisst eben auch Auf- und Ausbau verbunden mit neuem Wachstum. Deshalb investieren wir auch in die Rekrutierung neuer Talente, suchen im digitalen Bereich Spezialisten.

Sie sprechen gerne davon, dass man die Leute bei dieser Transformation «mitnehmen» müsse. Jetzt müssen Sie 290 Stellen streichen. Ist es da nicht zynisch, von «mitnehmen» zu sprechen?

Peppel-Schulz: Eine Transformation bedeutet Veränderung. Das ist nie einfach, erfordert aber vor allem eine hohe transparente Kommunikation. Jeder, dem selbst auch einmal gekündigt worden ist, weiss: Es kommt eben nicht nur auf die Tatsache an, dass mir gekündigt wurde, sondern auch darauf, warum und wie dies dann geschieht. Deshalb werde ich mich in den nächsten Monaten auch besonders auf diese Kolleginnen und Kollegen konzentrieren. Ich möchte sie eng begleiten in diesem Prozess. Das gehört zum Respekt. Darüber hinaus habe ich die Verantwortung für die verbleibenden Mitarbeiter, für deren Arbeitsplätze. Diese durchlaufen genauso umfangreiche Veränderungen, müssen dabei begleitet werden. Eingebunden und mitgenommen werden in den Bau der neuen Tamedia. Das bereitet schon schlaflose Nächte, wenn man das Ausmass der Situation erkannt hat. Was ich machen kann, ist, Verantwortung zu übernehmen. Und das tue ich. Dazu gehören auch Fragen wie: Wie führen wir die Kündigungsgespräche? Können wir die Kollegen mit Aus- und Weiterbildung unterstützen, wie können wir sie bestmöglich begleiten? Das heisst für mich «mitnehmen».

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