Mittwoch, Oktober 9

In Basel ist diese Woche der Prozess gegen ein ehemaliges Hells-Angels-Mitglied angelaufen. Dem Mann, der Verbindungen zu prominenten Schweizern unterhielt, wird Betrug in Millionenhöhe, Vergewaltigung und Urkundenfälschung vorgeworfen.

Ein Messer jagt durch das Bild, in Sekundenschnelle zerlegt es einen Berg Fleisch in feine Streifen. Die Kamera zoomt weg auf den türkischen Fleischer und Koch Salt Bae, der seinen Kunden in essbares Gold gehüllte Steaks auftischt. 1700 Franken soll so ein Teller kosten. Dann ein ruckeliger Schwenk auf ein paar Flaschen Moët und eine Zigarre. Irgendwo ist immer eine goldene Uhr zu sehen. Oder ein Schweizer Fussballer.

Diese und ähnliche Szenen eines Luxuslebens veröffentlichte ein mutmasslicher Straftäter auf Instagram. Reisen nach Dubai und in türkische Luxusresorts, Flüge im Privatjet: All das soll er sich auf illegale Weise finanziert haben.

Am Montag hat der Prozess gegen den Basler begonnen, der Beziehungen zu dem Motorrad- und Rockerklub Hells Angels haben soll. Nun droht all der Luxus zu verpuffen. Die Anklageschrift ist über 50 Seiten lang, die Unterlagen umfassen 55 Ordner, dazu kommen 36 Beilagenordner, 8 USB-Sticks und eine CD.

Der Angeklagte soll in Anlagebetrug und Geldwäscherei in der Höhe von über 3,6 Millionen Euro verwickelt gewesen sein. Glanz und Glamour, so der Vorwurf, habe er auf Kosten anderer erlebt. Nicht nur das: Auch mehrfache Vergewaltigung, sexuelle Handlungen mit Kindern und Pornografie zählen zu den Anklagepunkten.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgt der Fall auch, weil Namen von Schweizer Fussballstars in dem Prozess fallen.

Ein reiner Männerklub

Der Beschuldigte ist 36 Jahre alt, in Basel geboren und aufgewachsen und hat türkische Wurzeln. Laut Anklageschrift hat er seit seiner Jugend Delikte begangen, er sei mehrfach vorbestraft. Seit 2016 soll er ein hohes Mitglied der Hells Angels in Deutschland, der Türkei und auch des Schweizer Ablegers sein.

2016 erscheint auch sein erster Post auf Instagram. Der Beschuldigte zeigt sich auf einer Jacht. Das letzte Video stammt aus dem November 2020, Skiferien in Saas-Fee, Männer in Winterkleidung und wieder: Berge von brutzelndem Fleisch. Inzwischen ist es ruhig. Seit 2021 sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft.

Nun steht er in Basel vor Gericht. Laut Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte das Hells-Angels-Netzwerk für seine Verbrechen genutzt haben. Er selbst behauptet, er sei 2021 ausgetreten.

Die Hells Angels sind ein reiner Männerklub. Er wurde 1948 in den USA gegründet, das Bundesamt für Polizei (Fedpol) schätzt die Anzahl Mitglieder des Schweizer Hells-Angels-Ablegers auf 200 Personen. Es seien mehrere strafrechtlich relevante Vorfälle von Mitgliedern bekannt, sagte das Fedpol auf Anfrage der NZZ. Bei den meisten Vorfällen handle es sich um Gewalt- und Vermögensdelikte sowie Widerhandlungen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz. Mehrere Mitglieder seien verurteilt worden.

Geschädigte sollen über 3 Millionen Euro verloren haben

Am Montag wurde der Angeklagte in Basel mit Fussfesseln und angegurteten Händen in den Gerichtssaal geführt. Draussen standen Polizisten mit Sturmgewehren. Der Prozess wird unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen geführt, Grund dafür sind die mutmasslichen Verbindungen zur Bandenkriminalität. «Er wird hier wie ein Gewaltverbrecher behandelt, der er nicht ist», sagte Yves Waldmann, der Strafverteidiger des Angeklagten, am Dienstag.

Im Zentrum der Anklage stehen die Vorwürfe wegen Anlagebetrug und Geldwäscherei. Der Beschuldigte soll an einem Netzwerk aus Anlagebetrügern beteiligt gewesen sein. Insgesamt werden über siebzig Geschädigte aufgeführt, die meisten von ihnen aus Deutschland. Sie sollen über drei Millionen Euro verloren haben.

Laut Anklage lief der Betrug so ab: Die Täter gründeten 38 Scheinfirmen überall in Europa. Über Callcenter lockten sie Anleger, deren Geld über die Mantelfirmen in die Türkei transferiert wurden. Auch Mitglieder der Hells Angels Türkei sollen in die Geschäfte verwickelt sein. Vor Gericht wich der Angeklagte aus. Er kenne sich mit Geldangelegenheiten nicht aus, von «Stüürzügs» verstehe er nichts.

Gewaltverherrlichende und rassistische Gefängnisaufseher

Während der Beschuldigte im Untersuchungsgefängnis Waaghof inhaftiert war, sollen zwei Securitas-Mitarbeiter zu seinen Handlangern geworden sein. Laut Gericht waren der 29-jährige Mann und die gleichaltrige Frau aus dem Elsass zum Tatzeitpunkt ein Paar. Beide sind 2022 verhaftet worden und stehen nun ebenfalls vor Gericht.

Videomaterial soll belegen, wie der männliche Securitas-Mitarbeiter dem Beschuldigten gegen Geld Handys organisiert habe. Seine Partnerin soll wiederholt mit dem Insassen geschlafen und im Gegenzug mehrere tausend Franken erhalten haben.

Einem weiteren Securitas-Mitarbeiter wird vorgeworfen, Mitglied der Whatsapp-Gruppe «Boyz Boyz Boyz» gewesen zu sein. Dort sollen Securitas-Angestellte gewaltverherrlichende und rassistische Inhalte geteilt haben. Die Vorfälle haben in Basel eine Debatte darüber ausgelöst, ob Sicherheitsfirmen Tätigkeiten in Gefängnissen übernehmen sollen.

Von Embolo bis Yakin: Verbindungen bis in die Schweizer Fussballszene

Brisant ist der Fall auch wegen berühmter Personen, die involviert sind. Der Beschuldigte gab an, Uhren an den Schweizer Nationaltrainer Murat Yakin verkauft zu haben. Yakins Anwalt verlangt die Rückgabe von 300 000 Franken Bargeld sowie einer Rolex, die bei einer Hausdurchsuchung des Hauptbeschuldigten gefunden wurden.

Der Nationalspieler Breel Embolo soll vom Angeklagten sogar gefälschte Covid-Zertifikate gekauft haben. Die beiden scheint eine engere Beziehung zu verbinden. Immer wieder tauchen auf Social-Media-Kanälen Fotos mit Embolo und dem Beschuldigten auf.

Dieser pflegte offensichtlich ein grosses Netzwerk mit Protagonisten der Schweizer Fussball- und der Rap-Szene. Mehrere Spieler gratulierten dem Angeklagten auf seinem Instagram-Profil zum Geburtstag. Zu ihnen gehören Granit Xhaka (Bayer Leverkusen), Taulant Xhaka, Michael Lang, Albian Ajeti (alle FC Basel), Samuele Campo (FC Luzern), Manuel Akanji (Manchester City), Noah Okafor (AC Mailand) und Eray Cömert (FC Nantes). Alle spielten einst beim FC Basel. Auch die erfolgreiche Rapperin Loredana, ebenso die deutschen Rapper Mero, Capital Bra und Haftbefehl schickten Videogrüsse an den Beschuldigten.

Wie verworren der Fall ist, brachte der Richter Markus Hofer zum Ausdruck, als er am Montag sagte: «Das sind doch höchst merkwürdige Vorgänge.» Der Prozess ist auf zwölf Tage angesetzt. Ein Urteil wird am 30. Mai erwartet.

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