Wer kennt ihn nicht, den blubbernden Skype-Klingelton? Bald verstummt er für immer – der Internettelefonie-Dienst wird im Mai eingestellt. Ein Nachruf
Es sei, als ob ein Foto plötzlich zum Leben erwachen und sprechen, lächeln, mit dem Kopf nicken und in diese und jene Richtung schauen würde. So berichtete die «New York Times» im April 1927 über das wohl erste Videogespräch der Geschichte.
Herbert Hoover, der damalige amerikanische Handelsminister und künftige Präsident der USA, stand in Washington vor Mikrofon und Kamera, hielt einen Hörer am Ohr und erschien live auf einem archaischen Bildschirm in einer massiven Metallbox in einem Auditorium in New York. «Das Genie des Menschen hat das Hindernis der Distanz überwunden», sagte Hoover zu den Journalisten. Es war der erste Video-Call der Welt.
Das Video war rudimentär, achtzehn Bilder pro Sekunde. Hoover und die Journalisten konnten sich nicht gleichzeitig sehen, aber sie konnten sich live sprechen und abwechselnd sehen.
Es brauchte 100 Jahre, bis die Videotelefonie massentauglich wurde. Entscheidend war dabei Skype. Ab 2005 konnte man damit gratis übers Internet Videotelefonate durchführen. Es war eine Revolution in der Kommunikation. Dieses Kapitel geht nun zu Ende. Vor einer Woche teilte die Besitzerin Microsoft mit, dass der Dienst zum 5. Mai eingestellt werde. Skype ist Geschichte.
Das Videotelefonie-Tool ermöglichte es, erstmals kostenlos übers Internet zu telefonieren. Musste man zuvor mühsam und teuer übers Telefonnetz den Onkel in den USA oder die Freundin in China anrufen, konnte man sich von nun an mit ein paar Klicks auf dem Computer verbinden. Und hörte dabei ziemlich klar die Stimme des Gegenübers, und nicht wie aus einem alten Radio wie bis anhin.
Dazu konnte man das Gesicht des Gegenübers sehen. Die der Familienmitglieder auf dem anderen Kontinent, das der Geliebten. Skype revolutionierte Freundschaften und Fernbeziehungen und gilt als Wegbereiter der massentauglichen Videotelefonie.
300 Millionen Nutzer
Das Unternehmen wurde von zwei Skandinaviern gegründet. Der Dienst ging im August 2003 online. Ein Jahr später waren schon eine Million Nutzerinnen und Nutzer gleichzeitig online. Bald konnte man auch herkömmliche Telefone mit Skype verbinden. Auch stellte Skype Telefone her, mit denen man übers Internet telefonieren konnte, die Wi-Fi-Phones.
Kern blieb immer die Computeranwendung. Damit konnte man gratis chatten, via Paypal im Internet einkaufen und Videokonferenzen mit mehreren Teilnehmern durchführen. 2005 kaufte der Online-Marktplatz Ebay den Telefondienst für 2,6 Milliarden Dollar, bevor ihn 2011 Microsoft für 8,5 Milliarden Dollar übernahm.
Skype wurde immer populärer, bald dominierte es den Markt der Videotelefonie. Unter anderem, weil Microsoft den Windows-Live-Messenger zugunsten von Skype einstellte und dadurch viele Kunden überliefen. Skype war zeitweise auch bei Firmen für Videokonferenzen führend.
Die Corona-Pandemie leitete das Ende ein
2016 erreichte der Dienst den Höchststand an Nutzern: 300 Millionen Menschen skypten um die Welt. Doch dann holte die Konkurrenz auf, und spätestens mit der Corona-Pandemie überholten Zoom, Google Meets, Microsoft Teams, Facetime oder Discord den inzwischen verstaubten Dienst Skype.
2023 hatte Skype noch 36 Millionen Nutzer, heute dürften es nochmals deutlich weniger sein. Der Rückgang liegt vor allem an der Strategie der Besitzerin Microsoft, während der Pandemie auf den eigenen Videokonferenzdienst Microsoft Teams zu fokussieren und wenig in Skype zu investieren.
Das wolkig-seifige Skype-Logo stand ab 2003 für ein modernes Leben, für ein neues Freiheitsgefühl. Wer verreiste, war zwar weg, konnte aber jederzeit skypen. Mit diesen Erinnerungen eng verbunden: «Dü-di-dü, di-dü-di», der Skype-Klingelton.
Das lüpfige, verspielte Blubbern, das an sanft platzende Seifenblasen erinnert, ruft nostalgische Gefühle hervor. Es steht für unzählige Kontakte, sentimentale Gespräche. Geschichten, die den Menschen in Erinnerung bleiben. Mit Skype begann auch die bekannte Fragerei: «Kannst du mich hören? Seht ihr mich?»
Sogar der Duden nahm den Begriff «skypen» auf
Bis Skype lanciert wurde, setzte sich kein vergleichbarer Dienst durch. In Deutschland gab es in den dreissiger Jahren sogenannte Fernsehsprechstellen, meistens in Reichspostfilialen, in denen man mit dem Hörer in der Hand vor einem Bildschirm telefonieren konnte.
Lange blieb das Videotelefonat eine Vision, etwa in der futuristischen Zeichentrickserie «Die Jetsons» aus den 1960er Jahren. Dort schaltet der Familienvater George Jetson zu Hause einen schwebenden Fernseher in geschwungener Form ein. Es erscheint eine Freundin seiner Frau. Sie muss sich zuerst schminken, bevor sie zum Call gehen kann. Erstaunlich aktuell.
Die Technik der Videotelefonie wurde im letzten Jahrhundert immer besser. Trotzdem waren Video-Calls bis zur Jahrtausendwende ausser für Konferenzen von grösseren Firmen wenig verbreitet. Erst mit der Internettelefonie von Skype verbesserte sich die Videoqualität.
Nostalgie zum Ende
Skypen wurde normal – und der Begriff zum Alltagswort, der Duden nahm 2009 «skypen» als Verb auf. Damit hat es Skype, wie das Verb «googeln» für die Internetsuche oder «Tempo» für Taschentücher, in den exklusiven Kreis der Deonyme geschafft. Das sind Markennamen, die zum Synonym ihrer Gattung werden.
Skypen wird nicht nur als Wort erhalten bleiben. Das zeigen die Reaktionen der Nutzer, die dem Dienst nachtrauern. «RIP Skype», heisst es in den sozialen Netzwerken. «Skype ermöglichte uns wöchentliche Anrufe mit unserer einjährigen Enkelin, die 100 Meilen entfernt war», schreibt eine Nutzerin. Und bei vielen heisst es schlicht: «So viele Erinnerungen.»