Zunehmende Wetterkapriolen und die wachsende Weltbevölkerung sprechen für Investments im Agrarsektor. Eine günstige Gelegenheit eröffnet sich bei Aktien von Düngemittelherstellern. Die Bewertungen sind attraktiv, und nach den Verwerfungen der letzten Jahre ist die Branche reif für eine Erholung.

Das erste Semester ist eben erst vorbei, doch rund um die Welt ist es 2024 bereits zu einer Reihe extremer Wetterereignisse gekommen: von verheerenden Waldbränden über massive Überschwemmungen bis hin zu brutalen Hitzewellen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Veränderung des Klimas in den nächsten Jahren eine bedeutende Herausforderung bleibt.

Im Handel mit Agrargütern sorgen die Wetterkapriolen für heftige Ausschläge. Ernteausfälle in Westafrika aufgrund schlechter Anbaubedingungen haben zu einer Explosion des Preises für Kakaobohnen geführt. Noch extremere Preisschwankungen verzeichnen Terminkontrakte für Orangensaft, wofür mitunter ausserordentliche Wetterverhältnisse im US-Bundesstaat Florida verantwortlich sind.

Hinzu kommen geopolitische Risiken. Wie empfindlich die globale Versorgungslage für externe Schocks ist, hat der abrupte Anstieg der Getreidepreise beim Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine Anfang 2022 verdeutlicht. Auch in dieser Hinsicht deuten zunehmende Spannungen in der Weltpolitik darauf hin, dass in Zukunft mit erneuten Engpässen gerechnet werden muss.

Derweil nimmt die Nachfrage nach Nahrungsmitteln beständig zu. Der globale Verbrauch von Getreide wächst durchschnittlich rund 2% pro Jahr. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und einer proteinreicheren Ernährung in den aufstrebenden Volkswirtschaften spricht alles dafür, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.

«Boom and Bust»

Das alles ist zwar nicht unbedingt neu. Doch aus einer mittel- bis langfristigen Perspektive erscheint die Gelegenheit für Investments im Agrarsektor gegenwärtig günstig. Eine Möglichkeit dazu eröffnet sich bei Düngerherstellern wie Nutrien, Mosaic oder CF Industries. Ihr Aktienkurs ist seit der wilden Rally im Frühjahr 2022 deutlich zurückgekommen, die Bewertungen sind wenig anspruchsvoll.

Der wichtigste Faktor für die Kursperformance des Sektors sind die Getreidepreise. Je höher die Notierungen für Weizen, Mais und Sojabohnen steigen, desto mehr investieren Bauern in eine möglichst ertragreiche Ausschöpfung ihrer Anbaufläche. Ergo versuchen sie, die Ernte mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu maximieren.

Die Aktien von Düngerherstellern haben die heftigen Preisschwankungen an den Getreidemärkten in den vergangenen Jahren denn auch massgeblich mitgemacht.

Praktisch die gleiche Entwicklung zeigt sich wiederum bei den Preisen für Düngemittel. Zur Anreicherung von Ackerland werden im Wesentlichen Kali, Stickstoff und Phosphat eingesetzt, wobei die Preise je nach Weltregion variieren. Hier die globalen Notierungen für Kalidünger (Potash):

Und hier die Preise für Stickstoff, der an den Terminbörsen hauptsächlich in Form von Urea bzw. Harnstoff gehandelt wird:

Entsprechend hat die operative Performance der Branche einen ebenso ausgeprägten Zyklus durchlaufen. Auf den grossen Boom im Frühjahr und Sommer 2022 ist eine längere Konsolidierungsphase gefolgt. Nutrien, Mosaic und FC Industries und andere Hersteller haben beim Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Amortisationen (Ebitda) im zweiten und dritten Quartal 2023 einen Rückgang von 50% oder mehr erlitten.

Nach diesen Verwerfungen ist die Bereinigung inzwischen weit fortgeschritten. Investitionen in neue Kapazitäten werden gekürzt, kosten gesenkt. Gemäss dem Datendienst Koyfin rechnen Analysten zwar auch für das zweite Quartal 2024 mit einem rückläufigen Betriebsgewinn. Die Aussichten stehen jedoch nicht schlecht, dass die Branche das Schlimmste hinter sich hat und ab dem zweiten Halbjahr auf operativer Stufe wieder über eine positivere Entwicklung berichten kann.

Chancen und Risiken

Mit Blick nach vorne erscheint das Verhältnis von Chancen zu Risiken für Investments damit vorteilhaft. Seit dem Peak vom Frühjahr 2022 hat der Sektor an der Börse rund die Hälfte an Wert eingebüsst. Nach dieser scharfen Korrektur erscheint die Fallhöhe in einem anhaltend negativen Szenario begrenzt, wogegen beträchtliches Potenzial besteht, wenn sich die Perspektiven aufhellen.

Natürlich: Falls die Weltwirtschaft in eine gravierende Rezession sinken sollte, werden Rohstoffe und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Preise für Agrargüter unter Druck geraten. Umgekehrt bieten die Bewertungen auf dem aktuellen Niveau aber auch ein gewisses Sicherheitspolster.

Auf Basis der Analystenschätzungen für die nächsten zwölf Monate handeln Düngemittelhersteller im Durchschnitt zum 6- bis 7-Fachen des Ebitda. Die Spitzenwerte beim letzten grossen Rohstoffboom von 2007/08 lagen etwa beim 15- bis 16-Fachen. Historisch war der Bewertungsabschlag zum Gesamtmarkt in den letzten zwanzig Jahren noch nie so gross.

Dieser Discount macht die Titel bei einem positiven Szenario mit einigermassen stabilen oder steigenden Preisen für Agrargüter umso attraktiver. Gemäss den Terminkontrakten an den Rohwarenbörsen wir damit gerechnet, dass sich die Notierungen für Getreide auf absehbare Zeit über dem durchschnittlichen Niveau der letzten zehn Jahre bewegen werden.

Ebenso kann man davon ausgehen, dass der Bedarf an Düngemitteln in den kommenden Jahren weiter steigt. Während die Nachfrage in Nordamerika und Europa moderat wachsen dürfte, zeichnet sich in Lateinamerika, Indien, China und anderen asiatischen Ländern ein deutlich zunehmender Bedarf ab.

Auf Nutrien setzen

Wie sich die Dinge tatsächlich entwickeln, wird sich zeigen. Wer sich im Sektor engagiert, muss mit heftigen Kursschwankungen rechnen. Unter der derzeitigen Konstellation ist es aber empfehlenswert, sich zumindest mit dem Aufbau erster Positionen zu befassen. Das optimale Timing zu erwischen, gelingt ohnehin so gut wie nie.

Eine spannende Variante, das Thema zu spielen, ist Nutrien. Die Aktien des Branchenleaders aus Kanada mit einer Marktkapitalisierung von gut 25 Mrd. $ sind in Toronto und New York kotiert. Im Sektorvergleich ist sein Geschäftsmodell dank einer bedeutenden Retailsparte etwas defensiver ausgerichtet. Eine gewisse Stabilität gibt den Titeln ausserdem die ansprechende Dividendenrendite von 4,2%.

Nutrien gehört weltweit zu den Kaliproduzenten mit den niedrigsten Kosten. Zum gut diversifizierten Portfolio zählen ebenso Stickstoff und Phosphat. Das Gros der Asset befindet sich in Nordamerika, das Kernstück sind sechs Kaliminen in der kanadischen Provinz Saskatchewan. Hinzu kommen ein Distributionsnetz mit umfassender Lagerkapazität, mehr als 6000 Güterwagen für den Bahntransport sowie fünf Schiffterminals.

Im Retailbereich ist der Konzern vorab in Nordamerika, Brasilien und Australien präsent. Das Segment erwirtschaftet einen robusten und stabilen Cashflow. Im Vergleich zu Konkurrenten wie Mosaic oder CF Industries schlägt sich ein rasanter Anstieg der Grosshandelspreise für Düngemittel dadurch zwar nicht ganz so stark auf den Gewinn durch. Dafür werden aber Preiseinbrüche etwas abgedämpft.

Das Management um CEO Ken Seitz hat Mitte Juni an einem Investorentag in New York eine konservative Strategie präsentiert. Die Produktion von Kali soll auf mittlere Sicht von derzeit rund 13,4 auf 14 bis 15 Mio. Tonnen pro Jahr erhöht werden, die Produktion von Stickstoff von 10,9 auf 11,5 bis 12 Mio. Tonnen. Die Profitabilität des Retailgeschäfts soll durch den Ausstieg aus den Märkten Argentinien, Chile und Uruguay weiter verbessert werden. Ein Projekt für eine Neuanlage zur Produktion von Stickstoff ist sistiert.

Der Analystenkonsens rechnet für dieses und nächstes Jahr mit einem stabilen freien Cashflow von jeweils rund 2,3 bis 2,4 Mrd. $. Angesichts des weniger volatilen Retailsegments und der vorteilhaften Kostenstruktur ist die im Branchenvergleich leicht höhere Verschuldung gut tragbar. Zur Ausschüttungspolitik gehören ausser der stattlichen Dividende ebenso Aktienrückkäufe. Seit der Fusion mit dem US-Wettbewerber Agrium im Januar 2018 hat Nutrien die Anzahl ausstehender Titel dadurch um 23% reduziert.

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