Mittwoch, Januar 15

Die Angst bei den britischen Konservativen vor der in diesem Jahr bevorstehenden Unterhauswahl steigt von Woche zu Woche. Nun kassierten sie zwei weitere Niederlagen gegen Labour in erzkonservativen Wahlkreisen.

In Grossbritannien hat die regierende Partei der Konservativen bei Nachwahlen in den beiden englischen Städtchen Wellingborough und Kingswood vernichtende Wahlniederlagen einstecken müssen. Es ist für Premierminister Rishi Sunak ein schlechter Vorbote auf die voraussichtlich im Herbst stattfindende Unterhauswahl. Als Erklärung dafür werden viele Gründe angeführt: Die Wählerinnen und Wähler sind enttäuscht über die in den letzten Jahren immer wieder wechselnden Regierungen der Tories, über den Brexit, die hohe Inflation, die schwache Konjunktur, über den sinkenden Lebensstandard, den schlechten Zustand im Gesundheitswesen und die Rekordzahlen der Einwanderung.

Das Stimmenpotenzial der Konservativen spaltet sich daher: Wähler, die 2019 wegen des Brexits von Labour zu den Konservativen wechselten, wählen wieder Labour oder schlagen sich auf die Seite der neuen Rechtspartei, der Reform Party. Andere Sympathisanten der Konservativen Partei gingen am Donnerstag gar nicht erst zur Wahl. So lag die Wahlbeteiligung unter 40 Prozent.

Der Vorsprung Labours festigt sich

Für Labour waren die beiden Nachwahlen ein Triumph: In Wellingborough gewann die Oppositionspartei 45,9 Prozent der Stimmen, in Kingswood 44,9 Prozent. Sie eroberte damit zwei weitere Sitze im Unterhaus von den Tories.

Dies ist eine grosse Erleichterung für Oppositionsführer Keir Starmer, der in den letzten Tagen wegen schwelendem Antisemitismus in der Partei scharf kritisiert worden war. Diese Ergebnisse festigen den Eindruck, dass der Vorsprung von Labour gegenüber den Konservativen von 17 bis 20 Prozentpunkten in Umfragen für die Unterhauswahl nachhaltig ist. Es spricht viel dafür, dass Labour die kommende Unterhauswahl gewinnen wird. Starmer warnte am Freitag jedoch, die Partei dürfe sich nicht ausruhen. Sie müsse so kämpfen, als würde sie «fünf Prozentpunkte hinterherhinken».

Für Sunak war das Ergebnis indessen denkbar schlecht: Die Tories erzielten in Wellingborough lediglich 24,6 Prozent der Stimmen. Bei der Unterhauswahl 2019 hatten noch 62,2 Prozent der Wähler und Wählerinnen den konservativen Abgeordneten gewählt, der dann aber wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung hatte zurücktreten müssen. In Kingswood brachten es die Tories mal gerade auf 34,9 Prozent gegenüber 56,2 Prozent vor vier Jahren. Nach Angaben des Wahlforschers John Curtice ist dies das schlechteste Ergebnis, das die Konservative Partei seit dem Zweiten Weltkrieg in Nachwahlen hat einstecken müssen. Sie hat in dieser Legislatur bisher zehn Wahlkreise in Nachwahlen verloren.

Die Reformpartei nagt am Wählerpotenzial der Tories

Einen grossen Erfolg verzeichnete die laut Umfragen mittlerweile drittgrösste Partei in Lande, die auf die ehemals von Nigel Farage gegründete Brexit-Partei zurückgehende Reform Party. Sie erzielte das erste Mal in Nachwahlen ein zweistelliges Resultat, in Wellingborough 13 Prozent und in Kingswood 10,4 Prozent. Das ist für eine Partei, die bei vielen Wählern im Land kaum bekannt und im Parlament nicht einmal vertreten ist, ein exzellentes Ergebnis. Der Nachteil: Das Vereinigte Königreich hat das relative Mehrheitswahlrecht. In das Parlament zieht der Abgeordnete ein, der die meisten Stimmen erhält. Da die Konservativen und Reform ihr Wählerpotenzial aufteilen, profitiert Labour – ein schlechtes Omen für die Tories.

Die Schlappe in Wellingborough und Kingswood wird die Kritiker innerhalb der Partei stärken, die Sunak seit Monaten zu einem noch stärkeren Rechtskurs der Partei drängen. Der Wahlexperte Curtice sagt der Partei bis zur Wahl einen nötigen harten Anstieg voraus; derzeit sei sie noch nicht einmal im «Basislager» angelangt.

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