Freitag, September 20

Das Problem von dunklem Holz? Es wird mit den siebziger Jahren assoziiert und als massiv und einengend empfunden. Die Möbelstücke aus den neuen Kollektionen aber zeugen vom Gegenteil.

Man mag es nicht mehr schreiben, nicht mehr hören – und erst recht nicht mehr sehen: Die letzten Jahre waren optisch beige. Langweilig. Das ist nun vorbei. Nicht nur auf Social Media, wo diesen Sommer die Brat Girls (häufig als görig oder aufmüpfig übersetzt) die braven Vanilla Girls verblassen liessen. Auch in den Shows der derzeit stattfindenden Modewochen erkennt man Trends, die dafür stehen, als Trägerin auch mal wieder auffallen zu wollen: etwa mit eklektischen Farbkombinationen, ausgefallenen Hüten oder grellbunten Taschen-Anhängern. Schüchternsein ist überholt.

Und obwohl die Interior-Branche weniger direkt von Trends mitgezogen wird, zeigt sich selbst hier: In die Wohnungen zieht wieder etwas Leben ein. Es ist nicht mehr alles makellos, Unordnung wird wieder zugelassen.

Was heisst das nun für all die beigefarbenen Wohnungen, die in den letzten Jahren sorgfältig kuratiert und errichtet wurden? Natürlich muss man nicht gleich alles auf den Kopf stellen. Es braucht keine 180-Grad-Stilumdrehung, manchmal reicht auch eine einfache Farbveränderung. Konkret: bei neuen Möbelstücken zum Beispiel dunkles statt helles Holz zu wählen, wie es in neuen Kollektionen gerade häufig zu finden ist.

Dunkles Holz ist nicht neu und erst recht kein Trend. Und doch fällt auf, dass es an Designmessen und in Möbelkatalogen wieder vermehrt zu sehen ist. Man kennt es bereits aus den zwanziger Jahren: Dunkle Möbelstücke aus edlen Materialien wie Palisander oder Ebenholz prägten den Art-déco-Stil. Später, in den vierziger bis sechziger Jahren, war besonders das etwas hellere Teakholz weit verbreitet. Mit seinem warmen Braunton war es beliebt bei Designern wie Hans Wegner oder Arne Jacobsen, den stilprägenden Köpfen der Mid-Century-Ära.

Auf dem Vintage-Markt sind die Möbelstücke bis heute sehr gefragt, neu gefertigt werden sie nur noch selten. Bei Teak oder Mahagoni handelt es sich um Tropenhölzer, deren Verwendung ökologisch bedenklich ist. Viele Mahagoni-Arten stehen auf der roten Liste gefährdeter Arten, und die Nachfrage nach Teak hatte die Abholzung des Regenwalds in Südostasien zur Folge.

Zurück in die siebziger Jahre?

Nachhaltiger ist helles Holz von Fichte, Buche oder Ahorn, das in der Schweiz oder in Europa wächst. Gefragt war dies besonders ab Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre mit dem Aufkommen des Minimalismus, der sich bis in die nuller Jahre und darüber hinaus fortsetzte. Es war eine radikale Stiländerung, die vermutlich durch den Einzug des Möbelgiganten Ikea verstärkt wurde: 1973 öffnete in der Schweiz die erste Filiale. Der blaue Riese steht seit Beginn für einfache Designs ohne überflüssige Verzierungen. Zweckmässigkeit bestimmte die Ästhetik, die man beschönigend unter dem modern klingenden Namen «Scandi Style» verkaufte. Einfach hell musste es sein.

Da blieb kein Platz mehr für dunkles Holz. Vermutlich hatte dieses seinen Zenit in den Siebzigern kurzweilig überschritten, als es mit Farben wie Orange, Rot, Senfgelb und Braun kombiniert wurde, oft in den wildesten Mustern. Aber das ist nun schon eine Weile her, verdaut von älteren Generationen und gar nicht erst im Bewusstsein der jüngeren. Und nachdem schon mancher Sofaklassiker aus diesem Jahrzehnt erfolgreich neu aufgelegt wurde, findet man in den neuen Kollektionen nun immer mehr Entwürfe, die auf die siebziger Jahre zurückgehen – oder zumindest davon inspiriert sind.

Neue Entwürfe, die von den siebziger Jahren inspiriert sind: «Le Fauteuil 1976» von Nouveau Standard, Samtstuhl «Alba» von Dusty Deco und Sessel «Supermoon» von Giampiero Tagliaferri für Minotti.

Modern inszeniert

Die neuen Entwürfe aus dunklem Holz sind ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Wahrnehmung bestimmter Möbelstücke über die Jahre verändern kann. Dunklen Holzmöbeln haftet der Ruf an, altmodisch zu wirken. Man denkt an Wohnwände mit Häkeldeckchen drüber, an schmuddelige Küchenbuffets oder angestaubte Bücherregale. Die Sorte Möbel, die so aussehen, als ob man in ihrer Anwesenheit nicht mehr frei atmen könnte. Zu einengend, zu viel Licht, das geschluckt werden könnte. Doch damit haben die neuen Entwürfe nicht mehr viel zu tun.

Es geht bei dunklem Holz denn auch gar nicht so sehr um ein Vintage-Revival. Viele der neuen Entwürfe sind in ihrer Formensprache minimalistisch und werden mit modernen Möbelstücken, etwa aus Metall, kombiniert. Ein Kontrast aus Wärme und Kälte, der in Wohnräumen gut funktioniert und eine elegante, aber nicht spiessige Wirkung hat. Schön ist das etwa in der Kollektion der dänischen Interior-Marke Frama zu sehen.

Die Stücke sind aus Eiche oder Birke gefertigt – helle Hölzer, die unter anderem durch Öle oder Lackierungen eine dunklere Farbe erhalten. Ebenfalls oft eingesetzt bei Tischen, Stühlen und Schränken wird Nussbaum, das von Natur aus dunkelbraun ist und als sehr edles, hochwertiges Holz gilt.

«Durch eine wohlüberlegte Materialauswahl, traditionelle Handwerkskunst und computergestützte Produktionstechnologie ist es möglich, zeitlose, hochwertige Möbel zu entwickeln, die ein Leben lang halten», sagt Thomas Lips, Geschäftsinhaber von Wohnhilfe, der bei seiner Kundschaft einen hohen Anspruch sowohl an Qualität als auch an Nachhaltigkeit wahrnimmt. Im Rahmen der Zurich Design Weeks (12. bis 29. September 2024) stellt das Zürcher Möbelgeschäft die Produkte der japanischen Marke Conde House vor, die bekannt ist für ihre exklusiven Holzmöbel mit hohem Anspruch an Design, Qualität und Handwerk. Beispiele etwa sind der Couchtisch «Barringer» des türkischen Möbeldesigners Atilla Kuzu oder der Sessel «Tosai» des deutschen Designers Peter Maly.

Dunkle Holzmöbel haben etwas Andächtiges, Schweres. Gleichzeitig sind die häufig aus Massivholz gefertigten Objekte eben auch ein Symbol für Handwerkskunst.

Und die scheint gerade sehr gefragt. Vielleicht liegt es an den neuen Möglichkeiten durch die künstliche Intelligenz, vielleicht an der generell verbreiteten Fast-Mentalität, wahrscheinlich an beidem, dass sich die Designbranche gerade wieder stark auf die Handwerkskunst besinnt. Das zeigte auch die derzeit stattfindende Handwerksmesse Homo Faber in Venedig.

Neue Möbel mit Geschichte

Storytelling dreht sich derzeit darum, wie und wo Objekte gefertigt wurden. Das unterstreicht den Wert eines Produktes und schafft eine Verbindung. Die junge Designplattform Basalto Collective etwa präsentiert die Werke zeitgenössischer Designerinnen und Künstler aus Mexiko. Im Fokus der Arbeiten steht die Verbindung zwischen Tradition und Moderne. Kunsthandwerke, die Zeitgenössisches schaffen: Dazu zählen auch die Entwürfe der beiden Designerinnen Andrea Flores und Lucía Soto von Comité de Proyectos, die durch kräftige Farbe, aber auch durch eine Prise Humor bestechen: Wer sich den Schrank «Carmen» mit Puschel-Füssen in die Wohnung stellt, macht aus einem beigen Zimmer einen Raum, der in Erinnerung bleibt.

«Cabinet Carmen» aus Huanacaxtle-Massivholz mit Beinen aus Henequén-Faser und «Paz Chair» (Stuhlbeine aus geflammter Kiefer) vom mexikanischen Design-Duo Comité de Proyectos.

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