Freitag, Januar 31

Was für eine Premiere: Der zivile Minijet XB-1 von Boom Supersonic hat am 28. Januar zum ersten Mal Überschallgeschwindigkeit erreicht. Aus dem US-Experimentalflugzeug könnte künftig ein 60-Sitzer mit Mach 1,7 entstehen – als Nachfolger der legendären Concorde.

Während etliche andere Konkurrenten, die ebenfalls einen überschallschnellen Passagierjet auf die Beine stellen wollen, noch im Projektstadium sind, kann Boom schon einen enormen Erfolg vermelden: Der dreistrahlige Demonstrator XB-1 hat am 28. Januar auf dem Testgelände über der Mojave-Wüste im amerikanischen Gliedstaat Kalifornien in einer Höhe von rund 10 000 Metern erstmals Überschallgeschwindigkeit erreicht, genauer Mach 1,11. Das sind umgerechnet etwa 1215 km/h.

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Dieses einsitzige Flugzeug entspricht aber nicht massstäblich dem Design des geplanten künftigen Airliners, sondern es dient zur Erprobung, ob das technische Konzept der Maschine für Überschallflüge des grösseren Nachfolgers geeignet ist. Trotzdem ist der Boom Demonstrator XB-1 der erste zivile Überschalljet, der in den USA entwickelt wurde.

Ob nun auch der geplante 60-Sitzer Overture mit Mach 1,7 realisiert werden kann, muss sich zeigen. Denn im Gespräch sind atemberaubende acht Milliarden US-Dollar an Entwicklungskosten. Angeblich gibt es zwar bereits erste Bestellungen bei Boom Supersonic mit Sitz in Denver, Colorado. Diese sind aber, wie in der kommerziellen Luftfahrt üblich, zuerst einmal lediglich Absichtserklärungen.

In einem derart frühen Stadium wird daher keiner der möglichen Interessenten eine Anzahlung leisten, sondern abwarten, wie es mit den tatsächlichen Airlinern vorangeht, falls die Erprobung des Demonstrator rundum erfolgreich verläuft.

Eine wichtige Fragestellung neben der möglichen Kommerzialisierung ist auch, wo überhaupt eines Tages zivil mit Überschall geflogen werden dürfte. Denn wohl auch künftig darf lediglich über dem Meer schneller als der Schall geflogen werden, um die Bewohner vor dem Überschallknall zu schützen. Manche Schweizer haben unfreiwillig einen Überschallknall bereits einmal erlebt, etwa wenn die F/A-18 der Luftwaffe beim Abfangen eines unidentifizierten Flugzeugs im Schweizer Luftraum unabsichtlich mit Überschall flogen.

Die Concorde gibt Hinweise auf künftige Reisen mit Überschallgeschwindigkeit

Wie aber könnte ein derartiger ziviler Überschallflug eines Tages in der Boom Overture aussehen? Dazu ein Beispiel aus der Zeit vor rund zwanzig Jahren, als die französisch-britische Concorde noch im Linienbetrieb über dem Atlantik aktiv war.

So hob die Concorde in London bei etwa 365 km/h und mithilfe der Nachbrenner in ihren vier Turbinen von der Piste ab. Sie flog nun mit der noch auffällig abgesenkten Rumpfnase über Land und zunächst nicht schneller als angezeigte 250 Knoten, umgerechnet 463 km/h. Nach eineinhalb Minuten schaltete der Flugingenieur die Nachbrenner ab.

Sobald die Concorde 3000 Meter Höhe erreicht hatte, beschleunigte sie weiter. Die beim Start um etwa 5 Grad geneigte Nase wurde in Normalposition gebracht. Gleichzeitig fuhr eine Art gläserne Haube vor der Cockpit-Scheibe hoch. Beides verbesserte die Aerodynamik im Hochgeschwindigkeitsflug.

Über dem Festland blieb die Maschine noch im Unterschallbereich. Über der offenen See wurden die sonst nur in Militärjets üblichen Nachbrenner in den Triebwerken erneut zugeschaltet. Nach Überschreiten der Schallgeschwindigkeit wurde weiter beschleunigt. Bei etwa Mach 1,7 schalteten die Piloten die Nachbrenner wieder aus. Bald darauf waren knapp über Mach 2 erreicht. Jetzt flog die Concorde mit mehr als 2100 km/h ihrem Ziel entgegen. Sie stieg bis zu einer maximalen Höhe von rund 18 000 Metern. Hier war sie deutlich oberhalb der herkömmlichen Airliner unterwegs, die in der Regel 13 000 Meter nicht überschreiten.

Von Mach 2 auf 350 km/h abgebremst

Schon weit vor dem Ziel wurde das Tempo so weit reduziert, dass spätestens über dem Festland Unterschallgeschwindigkeit erreicht war. Um das Tempo von Mach 2 auf Mach 1 zu verringern, benötigte der legendäre Vogel 160 Kilometer Strecke. Nun galt es für die dreiköpfige Crew im Cockpit, weiter Höhe und Geschwindigkeit abzubauen. War die Maschine nicht mehr schneller als 460 km/h, fuhr die Rumpfspitze zur besseren Sicht der Piloten um 5 Grad nach unten. Das gläserne Visier vor der Cockpit-Scheibe klappte nun ebenfalls wieder weg.

Der Pilot reduzierte die Geschwindigkeit weiter, so dass im Anflug auf die vorgesehene Landebahn noch etwa 350 km/h anlagen. Erst jetzt wurde das Fahrwerk ausgefahren. Die Rumpfspitze war in dieser Phase des Flugs nun zur besseren Sicht auf bis zu 17 Grad abgesenkt. Sonst hätte die Crew die Landebahn wegen des hohen Anstellwinkels der Maschine im Langsamflug nicht sehen können.

Schliesslich reduzierte die Crew ihre Geschwindigkeit in etwa 300 Metern Höhe auf knapp 290 km/h. Sekunden später setzte die Concorde auf. Die Piloten betätigten die Schubumkehr der Turbinen und verzögerten die Maschine zusätzlich mithilfe der Radbremsen. Dennoch benötigte sie nach dem Aufsetzpunkt noch etwa zwei Kilometer Landebahn.

Für die Passagiere war ein derartiger Überschallflug aber erstaunlich unspektakulär. Wenn nicht eine grosse Mach-Anzeige in der Concorde-Kabine darüber Auskunft gegeben hätte, wäre den meisten Gästen an Bord völlig entgangen, dass sie mit teilweise mehr als 2000 km/h am Himmel entlang pfeilten.

Ob das eines Tages auch an Bord einer Boom Overture möglich sein wird, kann derzeit niemand abschätzen. Ein erster Meilenstein ist aber mit dem Überschallflug der XB-1 zumindest erreicht.

XB-1 First Supersonic Flight

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