Donnerstag, November 14

Nach langem Gezerre ist in nun eine in Bundesbern mehrheitsfähige Reform der Wohneigentumsbesteuerung in Griffweite. Doch am Ende könnte das Volk noch eine hohe Hürde sein.

Der Eigenmietwert ärgert manche Wohneigentümer. Gemessen am Gebot der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist die Berücksichtigung des Eigenmietwerts als Naturaleinkommen in Kombination mit Abzügen für Liegenschaftenunterhalt und gewisse Schuldzinsen sachlogisch. Doch die Sache ist für viele Betroffene schwer verständlich: Der Eigenmietwert mag wie ein «fiktives» Einkommen erscheinen. So gehören Forderungen nach der Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung seit Jahrzehnten zum Inventar auf der Politikbühne. Bisher verlief jedoch alles im Sande.

Nun könnte das passieren, was man nach den vielen vergeblichen Anläufen fast nicht mehr für möglich hielt: Es kommt doch noch zu einer mehrheitsfähigen Reform. Eine zentrale Voraussetzung dazu hat diese Woche die Wirtschaftskommission des Ständerats geschaffen. Die Ständeräte haben zwei dicke Kröten geschluckt und sind laut Mitteilung vom Dienstag auf den Kurs des Nationalrats eingeschwenkt.

Im Rahmen des jüngsten Reformanlaufs hatten beide Parlamentskammern eine Gesetzesrevision beschlossen. Einigkeit zwischen den Kammern herrschte namentlich in vier Punkten: Der Eigenmietwert auf Erstliegenschaften wird abgeschafft; im Gegenzug soll auch der Steuerabzug für Liegenschaftenunterhalt verschwinden; der allgemeine Schuldzinsabzug wird reduziert; es soll aber bei erstmaligem Erwerb einer selbstbewohnten Liegenschaft einen befristeten Sonderabzug auf Schuldzinsen geben, dessen Maximum innert zehn Jahren linear auf Null schrumpft.

Kritische Bergkantone

Doch in zwei zentralen Punkten gab es Differenzen. Der Ständerat (Beschluss vom Dezember 2023) wollte den Eigenmietwert nur für Erstliegenschaften abschaffen, damit die Einnahmeneinbussen für die Tourismuskantone mit ihren vielen Ferienwohnungen nicht zu schmerzhaft werden.

Der Nationalrat (Beschluss vom September 2024) will dagegen den Systemwechsel für Erst- und Zweitliegenschaften. Deklarierte Gründe: Eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und Zweitliegenschaften eröffne neue Wege der Steueroptimierung, sei administrativ aufwendig und verfassungsrechtlich zweifelhaft. Zur Besänftigung der Kantone sprach sich der Nationalrat für die Schaffung einer Verfassungsgrundlage aus, die den Kantonen die Kompetenz zur Erhebung einer Sondersteuer auf überwiegend selbst genutzten Zweitliegenschaften gibt.

Der zweite Knackpunkt betraf den allgemeinen Schuldzinsabzug. Die komplette Abschaffung des Schuldzinsabzugs wäre laut Bundesrat nicht verfassungskonform. Nach geltendem Recht sind bei der direkten Bundessteuer Schuldzinsen abzugsfähig bis zum Total der steuerbaren Vermögenserträge plus 50 000 Franken. Der Ständerat wollte dieses Maximum auf 70 Prozent der steuerbaren Erträge senken, der Nationalrat beschloss eine weit stärkere Reduktion.

Die Wirtschaftskommission des Ständerats ist nun in beiden Punkten auf den Kurs des Nationalrats eingeschwenkt – mit 9 zu 4 Stimmen bei den Zweitliegenschaften und mit 6 zu 4 Stimmen bei zwei Enthaltungen beim Schuldzinsabzug. Die Kommission schlägt zudem im Sinn der Tourismuskantone eine Klausel vor, die sicherstellt, dass der Systemwechsel nur in Kraft tritt, wenn auch die vorgeschlagene Verfassungsgrundlage für eine Sondersteuer auf Zweitliegenschaften beschlossen ist. Das dürfte auch im Nationalrat mehrheitsfähig sein.

Angst vor dem Volk

Das Einlenken der Ständeräte geschah wohl weniger aus innerer Überzeugung als aus einer politischen Furcht heraus: Die bisherige Reformvariante des Ständerates würde zu höheren Einnahmeneinbussen für den Fiskus führen und deshalb wahrscheinlich ein linkes Referendum provozieren. Die geschätzte Differenz zwischen den beiden Schuldzinsmodellen macht für Bund und Kantone zusammen etwa 700 Millionen Franken pro Jahr aus. Da auch die Kantone grundsätzlich skeptisch sind gegenüber einem Systemwechsel, wäre das bisherige Ständeratsmodell an der Urne stark absturzgefährdet.

Der Schuldzinsabzug im Nationalratsmodell hängt vom Anteil der vermieteten Liegenschaften am Gesamtvermögen ab. Hat der Steuerpflichtige zum Beispiel ein Bruttovermögen von 5 Millionen Franken, wovon 3 Millionen (60 Prozent) auf Liegenschaften entfallen, könnte er maximal 60 Prozent seiner gesamten Schuldzinsen vom Einkommen abziehen.

Wer sein gesamtes Bruttovermögen in vermieteten Liegenschaften hat, könnte alle Schuldzinsen abziehen. Wer gar keine vermieteten Liegenschaften hat, kann gar keine Schuldzinsen abziehen. Die Kernüberlegung hinter diesem Konzept: Da im Reformmodell die Erträge von vermieteten Liegenschaften steuerpflichtig bleiben, sollen auch die damit verbundenen Schuldzinsaufwendungen abzugsfähig sein.

Das entspricht im Prinzip der Steuerlogik mit der Abzugsfähigkeit von «Gewinnungskosten» – das sind Kosten, die bei der Erzielung von steuerpflichtigem Einkommens entstehen. So sind in dieser Logik Schuldzinsen für einen Konsumkredit keine abzugsfähigen Gewinnungskosten, während Schuldzinsen für eine Hypothek zu einer Liegenschaft mit steuerpflichtigen Erträgen abzugsfähig sind.

Hilfskonstrukte nötig

Da aber Geld leicht verschiebbar ist, muss sich die steuerliche Behandlung von Schuldzinsen auf Hilfskonstrukte abstützen. Ein perfektes Modell gibt es nicht. Auch das Nationalratsmodell ist nicht perfekt: So haben viele Steuerpflichtige bewegliches Vermögen wie etwa Aktien oder Anleihen, die steuerbare Erträge bringen, doch dies wird im Nationalratsmodell bei der Berechnung des zulässigen Schuldzinsabzugs nicht berücksichtigt. Auch das bisherige Ständeratsmodell und die derzeitige Regelung des Schuldzinsabzugs sind alles andere als perfekt.

Kommt der Antrag der ständerätlichen Wirtschaftskommission in der kommenden Dezembersession im Ständerat durch, wären die Voraussetzungen für eine mehrheitsfähige Reform geschaffen. Gemäss Plan soll die Reform im Dezember durch beide Räte verabschiedet werden.

Vieles hängt vom Zinsniveau ab

Die Folgen des Nationalratsmodells für den Fiskus hängen vom künftigen Zinsniveau ab. Je höher das Zinsniveau liegt, desto geringer sind die Einbussen für den Fiskus, da bei höheren Zinsen die Senkung des Schuldzinsabzugs stärker ins Gewicht fällt.

Laut Bundesschätzung brächte die Nationalratsvariante bei einem durchschnittlichen Zinsniveau von 1,5 Prozent eine Steuersenkung und damit Einbussen für den Fiskus von total etwa 1,7 Milliarden Franken; rund ein Fünftel davon entfällt auf die Bundeskasse, der Rest trifft die Kantone und Gemeinden. Bei einem Zinsniveau von leicht unter 3 Prozent wäre die Reform etwa aufkommensneutral. Ende Juni lag der durchschnittliche Zinssatz von ausstehenden Hypotheken bei knapp 1,7 Prozent. Zurzeit beträgt der Mittelwert bei angebotenen 10-jährigen Festhypotheken laut dem Vergleichsdienst Comparis 1,8 Prozent.

Bei einem künftigen Durchschnittssatz von 1,8 Prozent würde die Reformvariante des Nationalrats eine Steuersenkung von etwa 1,3 Milliarden Franken pro Jahr bedeuten; davon betreffen knapp 350 Millionen Franken die Direkte Bundessteuer. Nach Abzug des Kantonsanteils entfallen 250 bis 300 Millionen Franken auf die Bundeskasse.

Was machen die Kantone?

Auch diese Reform wäre in einer Referendumsabstimmung kein Selbstläufer. Bisherige Äusserungen lassen mutmassen, dass es von links eher kein Referendum gegen die Nationalratsvariante geben würde. Denkbar wäre indes auch ein Referendum der Kantone. Besonders gross ist die Skepsis bei den Tourismuskantonen, die durch die Aussicht auf eine kantonale Kompetenz zur Erhebung einer Sondersteuer auf Zweitwohnungen nur mässig besänftigt sind.

Laut der Konferenz der acht Gebirgskantone könnte die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung auf Zweitwohnungen nur schon in den Kantonen Wallis und Graubünden Steuereinbussen von etwa 120 Millionen Franken pro Jahr bringen. Dass eine neue Objektsteuer diese Ausfälle kompensieren würde, können sich die Gebirgskantone «nur sehr schwer vorstellen».

Ob die Gebirgskantone gegen die Nationalratsvariante das Kantonsreferendum ergreifen würden, ist laut Angaben vom Dienstag noch nicht entschieden. Für ein Kantonsreferendum braucht es die Eingabe von acht Kantonen. In der Geschichte gab es bisher erst ein Kantonsreferendum – im Jahr 2003. Auch damals ging es um eine Steuerreform, die unter anderem Entlastungen für Wohneigentümer enthielt. Jenes Steuerpaket fiel 2004 an der Urne klar durch.

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