Der Run im Reich der Mitte auf die streng riechende Frucht aus Südostasien hat der thailändischen Provinz Chanthaburi neuen Wohlstand gebracht. Doch chinesische Geschäftsleute versuchen die lokalen Farmer auszupressen.

Die Durian-Farm von Golf Kan liegt am Rande von Chanthaburi, einem verschlafenen Nest mit staubigen Strassen und schmuddligen Läden, rund vier Autostunden südöstlich von Bangkok. Auf mehr als 240 000 Quadratmetern stehen in langen Reihen zwischen sechs und zehn Meter hohe Durianbäume.

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Es ist ein trocken-heisser Nachmittag im Dezember. Die Durian-Früchte sind kaum einen Zentimeter gross. Bis zur Ernte im Mai und Juni werden sie auf die Grösse eines Kopfes heranwachsen. Kan befühlt die weissen Blüten. Aus ihnen werden nach der Befruchtung neue Früchte. «Die Blüte kommt in diesem Jahr zu früh», sagt er, «es war in den vergangenen Wochen einfach zu heiss.» Die Ernte im kommenden Frühjahr werde darum geringer ausfallen.

Der Thailänder, Spross einer Farmerfamilie aus Chanthaburi, hat die Plantage zusammen mit drei Freunden vor rund fünf Jahren gekauft. 5 Millionen Dollar haben sie dafür bezahlt. Doch die Investition hat sich gelohnt. TK Farms, wie die vier Männer ihr Geschäft getauft haben, ist profitabel. Eine genaue Summe will Kan allerdings nicht nennen.

Chinas Importvolumen hat sich vervierfacht

Dass die Geschäfte für Kan und seine Partner gut laufen, hat einen einfachen Grund: den beispiellosen Run von Chinesinnen und Chinesen auf die als Stinkfrucht bekannte Durian. Importierte China im Jahr 2019 noch Durian im Wert von 1,6 Milliarden Dollar, hat sich das Importvolumen bis 2024 mehr als vervierfacht.

Im Westen ist die Durian bis anhin weitgehend unbekannt. In Ländern wie Thailand, Malaysia oder Indonesien gilt die Frucht dagegen als Delikatesse, bekannt als «König der Früchte». Eine Durian kann bis zu sechs Kilogramm schwer werden und ist umgeben von einer grünen, manchmal gelben, mit scharfen Dornen übersäten Schale.

Beim Aufbrechen der Schale wird die eigentliche Frucht sichtbar: mehrere, bis zu zehn Zentimeter lange Ovale. Das gelb-weissliche Fruchtfleisch, das in seiner Textur an Eiscrème erinnert, schmeckt süsslich-sauer. An heissen Tagen ist der Verzehr eine Erfrischung. Die Premium-Durian-Typen sind «Golden Pillow» aus Chanthaburi und «Musang King» aus Malaysia.

Wer das erste Mal Bekanntschaft mit einer Durian macht, ist zunächst abgestossen – die Frucht verbreitet einen fauligen Geruch, der demjenigen nach verdorbenen Zwiebeln ähnelt. Ursache für den Gestank ist eine seltene Aminosäure. Diese erzeugt den Geruchsstoff Ethanthiol. In Hotels sowie auf Flughäfen und Bahnhöfen in Asien sind denn auch überall Schilder zu sehen, die die Mitnahme von Durian verbieten.

Der Gestank der Frucht hält die Chinesen ebenso wenig vom Essen ab wie die Schweizer der Genuss von Alpkäse. Und so beschert die Durian Farmern wie Golf Kan blühende Geschäfte. Auf seiner Plantage stehen rund 2000 Durianbäume. Jeder Baum bringt jedes Jahr zwischen 30 und 80 Früchte hervor, manche Bäume schaffen es gar auf bis zu 100. Die Ernte eines einzigen Baums kann Kan und seinen Partnern einen Umsatz in Höhe von 10 000 Dollar bringen. Der Handel mit der Stinkfrucht ist inzwischen ein Milliardengeschäft.

Firmen aus China dominieren das Geschäft

Wie fast alle Farmer in der Region Chanthaburi, dem bedeutendsten Zentrum für den Durian-Anbau in Thailand, verkauft auch Kan fast seine gesamte Ernte nach China. Doch es ist eine Abhängigkeit, die bei aller Aussicht auf satte Profite auch Probleme mit sich bringt. Während der Anbau und die Aufzucht der Durian noch ausschliesslich in der Hand thailändischer Farmer liegen, dominieren das eigentliche Geschäft Firmen aus China. Vor fünf Jahren gab es in Chanthaburi erst rund 70 Unternehmen, die die Früchte nach der Ernte weiterverarbeiteten. Heute sind es fast 1700, und hinter fast allen steckt chinesisches Kapital.

Die vierspurige Strasse, die in den Aussenbezirk von Chanthaburi führt, ist gesäumt von riesigen Fabrik- und Lagerhallen. Die Dächer tragen grosse Schilder mit chinesischen Schriftzeichen. Es sind die Namen der chinesischen Eigentümer.

Zur Hochsaison im Frühsommer werden die Durian in diesen Hallen weiterverarbeitet. Arbeiter tauchen die Früchte in eine Chemikalie, damit sie auf dem einwöchigen Transport nach China nicht weiter reifen. Anschliessend packen sie die Durian in grosse Kartons und laden diese auf Lastwagen. Zur Hochsaison fahren jeden Tag 1200 Trucks, beladen mit Durian, von Thailand über Laos nach China.

Golf Kan und die vielen anderen thailändischen Farmer verkaufen ihre Ernte an chinesische Zwischenhändler. Vor Beginn des Durian-Booms im Reich der Mitte verkauften die Farmer ihre Früchte für rund 80 thailändische Baht pro Kilogramm, umgerechnet etwa 2 Franken. Jetzt beginnen die Verhandlungen bei Preisen von 300 thailändischen Baht für das Kilogramm.

Chinesische Händler drücken die Preise

Das Geschäft ist hart, denn die chinesischen Händler versuchen, mit rabiaten Methoden die Preise für die begehrten Früchte zu drücken. «Zu Beginn der Saison kaufen die Chinesen eine erste Charge und schicken sie nach China», erzählt Kan, «anschliessend sagen die Händler uns, bei der Ankunft seien viele der Früchte beschädigt gewesen.»

Die Chinesen schlössen daraus, die gesamte Ernte der Saison müsse von minderer Qualität sein, und versuchten tiefere Preise für die nächsten Lieferungen durchzudrücken. Kan sagt: «Es ist frustrierend.»

Andere Händler aus China kaufen billige Durian von schlechterer Qualität in anderen Regionen Thailands oder in Vietnam und deklarieren diese fälschlicherweise als Produkte aus dem Premium-Anbaugebiet Chanthaburi. In China verkaufen sie die Früchte zu Niedrigpreisen und konfrontieren Farmer wie Kan anschliessend damit. Dieser habe folglich seine Preise zu senken, fordern die chinesischen Händler.

Der Einfallsreichtum der chinesischen Geschäftsleute kennt scheinbar keine Grenzen. Fegt einmal ein Sturm über Chanthaburi hinweg und lässt ein paar Durian von den Ästen brechen und am Boden aufplatzen, versuchen die Chinesen den thailändischen Farmern zu erklären, die Preise müssten für die gesamte Saison sinken, auch wenn nur ein einziger Baum beschädigt ist.

Die Machtverhältnisse haben sich umgekehrt

Die Machtverhältnisse im Durian-Geschäft haben sich in den vergangenen drei bis vier Jahren umgekehrt. «Die Macht liegt bei den Käufern, nicht mehr bei den Verkäufern», sagt Supajate Sinthupatt, Vizepräsident der Thai Durian Association.

Golf Kan spricht von Mafiamethoden. Nicht immer kann der Thailänder sich dem Druck der Chinesen widersetzen, denn die Händler spielen die Farmer gegeneinander aus. «Dabei arbeiten wir so hart.»

Der Durian-Anbau ist extrem aufwendig und erfordert enorme Sorgfalt. Im Dezember laufen bei TK Farms die Arbeiter von Baum zu Baum und säubern von Hand die empfindlichen Blüten. Damit sorgen sie für eine reibungslose Befruchtung.

Gleichzeitig prüfen die Arbeiter die vielen Tausende in diesen Tagen noch zentimetergrossen Durian eine nach der anderen. Kans Arbeiter müssen entscheiden, welche der vielen Früchte das Potenzial zu einer grossen, möglichst rund geformten Durian haben. Die weniger aussichtsreichen Früchte werden von den Arbeitern weggeschnitten.

Die chinesische Kundschaft ist besessen von einer möglichst makellos runden Form der Durian. «Dabei sagt das nichts über den Geschmack der Frucht aus», sagt Kan.

Bei der Ernte klettern die Arbeiter in die Bäume und schneiden die Früchte einzeln ab. Dann lassen sie diese Richtung Boden fallen. Dort stehen Arbeiter, die die stachligen Früchte mit grossen Beuteln auffangen. Eine Arbeit, die viel Geschick erfordert.

Fast 700 000 Dollar Verlust in einer Saison

Einer, der dem Druck der mächtigen chinesischen Unternehmer nicht standhalten konnte, ist Ahao. Vor elf Jahren kam er der Liebe wegen aus dem Nordosten Chinas nach Thailand. Seitdem lebt Ahao mit seiner Frau und den drei Kindern in der Hauptstadt Bangkok. Zusammen mit seiner Frau stieg er vor einigen Jahren in das Grosshandelsgeschäft mit der Durian-Frucht ein.

Das kleine Firmenbüro des gebürtigen Chinesen befindet sich an einem riesigen Frachtterminal am Rande Bangkoks. Vor den Laderampen stehen in langen Reihen Lastwagen, die Gastarbeiter aus Kambodscha mit Früchten und Gemüse beladen. Von hier aus geht die Fracht auf die einwöchige Fahrt nach China. Im Frühsommer haben die Lastwagen vor allem Durian geladen.

«Die grossen Staatskonzerne aus China haben mein Geschäft kaputtgemacht», sagt Ahao, während er in der Mittagssonne vor seinem Büro eine Zigarette raucht. «Wir verlieren Geld.» Er kauft in Chanthaburi die Früchte ein, verarbeitet sie und transportiert sie nach China. Während der Saison 2024 lieferte er 100 Container ins Reich der Mitte – und fuhr damit einen Verlust von fast 700 000 Dollar ein.

«Ich komme gegen die grossen chinesischen Konzerne nicht an», klagt Ahao, «sie haben so viel Geld und kaufen alles in Chanthaburi auf.» Will der Geschäftsmann aus China Durian kaufen, ist er fast immer gezwungen, höhere Preise zu zahlen.

Anders als der Ein-Mann-Unternehmer kommen die grossen Firmen aus China leicht an Bankkredite staatlicher Banken. Wer genau hinter den vielen chinesischen Firmen steckt, wissen selbst Branchenkenner wie Supajate Sinthupatt von der Thai Durian Association nicht: «Es ist ein Stück weit intransparent.»

Farmer und Fabrikbesitzer haben neue Jobs geschaffen

Der Durian-Boom in China ist ein zweischneidiges Schwert, hat er Chanthaburi doch auch einen gewissen Wohlstand beschert. Die zahlreichen Farmer und Fabrikbesitzer haben viele neue Jobs geschaffen, und die Saläre können sich sehen lassen. Ein Erntehelfer etwa kann bis zu 1000 Baht, umgerechnet 26 Franken, am Tag verdienen, mehr als dreimal so viel wie Arbeiter in anderen Branchen.

Anne Kumthragul bringt es auf deutlich mehr. Als Buchhalterin bei Durian Land, einer Farm mit angeschlossenem Touristenpark, verdient sie etwas mehr als umgerechnet 1000 Franken pro Monat.

Zum Gespräch empfängt die Frau aus Nordthailand im Restaurant des Parks in Chanthaburi. Der Kellner serviert Durian-Pasta, eine mit Durian-Stücken belegte Pizza und ein Durian-Curry, dazu Eiscafé mit Durian-Geschmack.

«Den einfachen Leuten gefällt, was die Chinesen hier machen, denn sie finden Arbeitsplätze», sagt Kumthragul. Ihren Job fand sie 2018. Damals arbeitete sie in einer Reitschule in dem Touristenort Pattaya. Dort lernte sie den Sohn des Eigentümers von Durian Land kennen, der ihr den neuen Job vermittelte.

Gründer und Besitzer des Parks ist ein wohlhabender Geschäftsmann aus Chiang Mae im Norden Thailands. Zu Durian Land gehört eine Plantage mit 10 000 Bäumen. Als nach der Gründung im Jahr 2014 immer mehr Durian-begeisterte chinesische Touristen nach Chanthaburi kamen, erweiterte der Gründer die Farm.

Heute können Besucher in der grosszügigen Anlage wandern oder an einer Seilrutsche durch den Park gleiten. Es gibt ausserdem einen Souvenir-Shop mit Durian-Chips, Schlüsselanhängern in Gestalt einer Durian und Postkarten mit Durian-Motiven. Insgesamt haben 100 Menschen bei Durian Land Arbeit gefunden.

Durian Land wehrt sich gegen die chinesischen Praktiken

Natürlich weiss auch Kumthragul um die fragwürdigen Geschäftspraktiken der chinesischen Investoren. Doch bei Durian Land versucht man sich, so gut es geht, dagegen zu wehren. Einmal wollte ein chinesischer Zwischenhändler nur 180 Baht für das Kilo Durian zahlen. Dabei lag der Marktpreis bei 250 Baht. Kumthragul sagt: «Wir haben nicht verkauft, auch auf die Gefahr hin, dass wir auf den Früchten sitzenbleiben.»

Ausländische Geschäftsleute in China lernen oft erst nach Jahren, dass bei den robusten Verhandlungsmethoden der Chinesen nur eines hilft: ebenso starker Druck, wie ihn die chinesische Seite ausübt.

Bei Durian Land lässt man sich auch nicht auf ein bei den chinesischen Abnehmern beliebtes Verfahren zur Festschreibung der Preise ein. Dabei versuchen die Firmen aus China, den Farmern Verträge mit längerer Laufzeit – oftmals einer ganzen Saison – aufzudrängen. Da die Marktpreise von Tag zu Tag fluktuieren, können die Farmer bei dem Verfahren viel Geld verlieren.

Golf Kan, der Chef der TK Farms, hat die chinesischen Strategien bereits verinnerlicht. Er lässt bisweilen seinen Grossvater die Verträge unterschreiben und die chinesischen Händler sich damit in Sicherheit wiegen. Kommt es dann allerdings zum eigentlichen Verkauf, tritt Kan als Verkäufer auf. Die Chinesen reagieren meist verunsichert und knicken nicht selten ein.

Für die unter Druck stehenden Farmer in Chanthaburi könnte aber Erleichterung in Sicht sein. Zwar ist Thailand der mit Abstand wichtigste Exporteur für den chinesischen Markt, doch drängen immer weitere südostasiatische Länder in das lukrative Geschäft mit der Stinkfrucht.

So konnte Vietnam den Wert seiner Durian-Ausfuhren nach China zwischen 2022 und 2024 von 188 Millionen Dollar auf 2,8 Milliarden Dollar steigern. Zwar können es die Früchte von der Qualität her nicht mit denjenigen aus Thailand aufnehmen. Doch könnten die Durian aus Vietnam bei preisbewussten Chinesinnen und Chinesen durchaus Anklang finden.

Die Philippinen stiegen erst 2023 in das Geschäft mit Durian-Exporten ins Reich der Mitte ein und erreichten 2024 gleich eine Verdopplung der Ausfuhren. Seit kurzem nimmt auch das kleine Laos den chinesischen Stinkfrucht-Markt ins Visier.

Durian-Verkauf per Livestream

In der «International Durian Hall» auf dem bekannten Pekinger Lebensmittelmarkt Xinfadi im Süden der Stadt nehmen die Früchte aus Thailand und anderen südostasiatischen Ländern inzwischen prominente Plätze ein.

In der Mitte der Halle steht die Verkäuferin Mao Yongxi vor ihrem Marktstand. Ihr wichtigstes Produkt ist die Stinkfrucht, doch Mao verkauft auch anderes Obst.

In der linken Ecke des Marktstands steht ein junger Mann und brüllt in ein Handy Sätze wie: «Wir liefern beste Durian innerhalb von zwei Stunden an Ihre Haustür.» Dabei hält er ein Stück Fruchtfleisch in die Kamera. Wie bei vielen anderen Produkten in China ist auch beim Durian-Geschäft der Verkauf per Livestream eine bedeutende Säule.

«Wir haben das Durian-Geschäft revolutioniert», behauptet Mao. Sie habe das Angebot seit der Eröffnung der Halle im Jahr 2023 kontinuierlich erweitert. «Ich verkaufe Durian aus Thailand, Vietnam, Malaysia und den Philippinen», sagt Mao. Das breitere Angebot habe die Preise fallen lassen. Bei Mao gibt es eine Durian bereits für umgerechnet 12 Franken.

Mao Yongxi beschäftigt 100 Mitarbeiter, 20 von ihnen ausschliesslich mit dem Verkauf von Durian. Und die Geschäfte gehen gut. In der Vergangenheit seien in Peking jeden Tag zwischen 3 und 5 Container Durian verkauft worden. Heute liege der Absatz bei bis zu 15 Containern am Tag. Seit der Eröffnung der Durian Hall im vergangenen Jahr hat Mao den Umsatz mit der Stinkfrucht um 50 Prozent steigern können.

Auch Mao ist begeisterte Durian-Geniesserin. Am besten schmecken ihr die Früchte aus Thailand und Malaysia.

Verzehren die Menschen in Südostasien die Durian am liebsten als reine Frucht, haben sich in China im Zuge des Booms eigenwillige Darreichungsformen verbreitet. Manche Chinesinnen und Chinesen braten das Fruchtfleisch, und die Restaurantkette Pizza Hut bietet eine reine Durian-Pizza an.

Mia, eine junge Frau, die die Früchte an Mao Yongxis Stand prüft, sagt von sich, sie sei eine Durian-Liebhaberin, und fügt hinzu: «Am liebsten esse ich die Frucht frittiert.» Eine Zubereitungsart, die einem Connaisseur in Südostasien die Haare zu Berge stehen lassen dürfte.

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