Freitag, November 22

Das Aufladen soll damit wesentlich einfacher werden, und für die Immobilienbesitzer soll es sogar ein gutes Geschäft sein. In den USA hat das Modell bereits Erfolg. Vielleicht kommt es bald auch nach Europa.

Weil es als mühselig gilt, am Wohnort eine Ladestation für das E-Auto zu finden, entscheiden sich Verbraucher nach wie vor öfter für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Doch es gibt jede Menge öffentlich zugängliche Ladestationen. Doch für sogenannte Laternen-Parkierer, die als Mieter in einem Mehrfamilienhaus oder Block über keinen eigenen Tiefgaragenplatz oder Carport verfügen, erscheint es logischer, ein Auto zu kaufen, das man an jeder Tankstelle auftanken kann.

Rund 14 200 öffentliche Ladesäulen gibt es in der Schweiz. In Deutschland stehen laut Bundesnetzagentur über 114 000 Normalladepunkte und etwa 31 000 Schnellladepunkte zum Stromtanken bereit. Schätzungsweise 170 000 öffentliche Ladepunkte stehen E-Auto-Fahrern in den USA zur Verfügung.

Doch bis jetzt finden nur rund 20 Prozent der elektrischen Ladevorgänge im öffentlichen Raum statt. In Europa und den USA hat zudem weniger als die Hälfte der E-Auto-Besitzer Zugang zu einem Parkplatz abseits der Strasse.

Das Office of Energy Efficiency and Renewable Energy (Büro für Energieeffizienz und erneuerbare Energien) prognostiziert, dass die USA etwa 28 Millionen Ladeanschlüsse für E-Fahrzeuge benötigen werden, um bis 2030 über 30 Millionen E-Auto-Fahrer zu versorgen. Es fehlt vor allem an Lademöglichkeiten zu Hause oder in unmittelbarer Nähe des Wohnorts.

Wer das Glück hat, in der Nähe einer öffentlichen Ladesäule zu wohnen, kämpft zudem mit der gegenwärtig verwirrenden Situation: Es gibt zu viele Anbieter, zu viele unterschiedliche Abrechnungssysteme, kaum Preistransparenz und zu viele Defekte.

Die Firma Itselectric will das ändern und das Laden von E-Fahrzeugen am Strassenrand einfacher machen. «Warum zapfen wir nicht einfach den Stromanschluss des Hauses an und stellen ihn E-Autos zur Verfügung?», fragt Tiya Gordon, Mitgründerin und COO von Itselectric.

Das 2023 in den USA gegründete Startup will die räumliche Verteilung von Ladestationen verbessern, indem es sie unabhängig von öffentlichen Versorgungseinrichtungen macht: Es schliesst sie direkt am Stromnetz bestehender Gebäude an.

Itselectric geht für den Ausbau seiner Ladepunkte Partnerschaften mit Immobilienbesitzern ein, analysiert dabei die elektrische Beschaffenheit, das Grundstück und die Randstein-Situation jeder Immobilie. Das Unternehmen kümmert sich um eine entsprechende Genehmigung, installiert und wartet die Ladesäule mit einem sogenannten Level-2-Stromanschluss (L2). Die Spannung liegt dabei zwischen 220 und 240 Volt, die Leistung zwischen 3 und 19,2 Kilowatt.

Für den Immobilienbesitzer fallen bei der Installation keine Kosten an, er kann sogar mit seiner Ladestation Geld verdienen. Bis zu 1000 Dollar pro Jahr seien möglich, rechnet Itselectric vor. Einen grossen Vorteil sieht das Unternehmen vor allem in der Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Nach der Genehmigung durch den Stromanbieter lässt sich die Ladesäule innerhalb von ein bis zwei Tagen installieren – ohne tief ins Erdreich graben zu müssen, um eine Stromleitung des öffentlichen Netzes oder Verteilers anzuzapfen. Dadurch vereinfachen sich Installation und Inbetriebnahme erheblich, und die Ladeinfrastruktur lässt sich schnell verbessern.

So normal im Strassenbild wie Hydranten

Die schlanken und minimalistisch gestalteten Ladepunkte fallen kaum auf und sollen zumindest in den USA bald ebenso selbstverständlich ins Strassenbild integriert sein wie Hydranten: allgegenwärtig und doch unsichtbar. «Das Gute an Elektroautos ist doch, dass man sie überall aufladen kann», sagt Tiya Gordon. «Dafür braucht es nur eine Steckdose oder einen Anschluss mit Strom.» Mit einem funktionierenden Anschluss am Strassenrand wird (Strom-)Tanken viel einfacher und bequemer als bei einer konventionellen Tankstelle.

E-Auto-Fahrer erhalten bei einer Mitgliedschaft eine App, ein tragbares Ladekabel und eine Zugangskarte, um die Ladesäule freizuschalten. Damit können sie ihre Fahrzeuge Tag und Nacht laden. Auch E-Scooter, Motorroller, E-Bikes oder Elektrorollstühle lassen sich an den Säulen laden. Die Kilowattstunde kostet derzeit zwischen 40 und 43 Cent.

In der Schweiz und in Deutschland können Privathaushalte oder Unternehmen ebenfalls öffentliche Ladesäulen beantragen. Nur liegen dann die Installationskosten beim Auftraggeber. In Deutschland muss ein Haus- oder Wohnungseigentümer einen Ladepunkt beim lokalen Netzbetreiber anmelden. Zudem darf der Strom in Deutschland nicht das eigene Grundstück verlassen. Eine Ladesäule am Strassenrand vor einem Privathaus, bei dem das Auto auf öffentlichem Raum parkiert wird, wäre zumindest eine Grauzone.

Für Unternehmen bieten verschiedene Agenturen Modelle für Ladepunkte an. Planung, Installation und Wartung liegen dann beim Anbieter, der Stromzugang erfolgt in der Regel über das Stromnetz und nicht immer über die Immobilie. Ähnlich wie bei Itselectric bieten verschiedene Hersteller von Wallboxen Modelle an, die sich für bestimmte Nutzer freischalten lassen. Damit können vorher definierte Nutzer, etwa Nachbarn, mit einer RFID-Karte an der Wallbox Strom zapfen. Für spontane E-Tanker wird es aber kompliziert.

Und genau das stört Tiya Gordon. Sie kam auf die Idee mit den öffentlichen Ladesäulen, als sie sich 2021 ein E-Auto kaufen wollte. Nur gab es in ihrem Wohnort in Brooklyn keine Möglichkeit, ihr Auto öffentlich zu laden. Nach Gründung des Startups installierte Itselectric drei Ladestationen im Brooklyn Army Terminal.

In den USA scheint die Idee anzukommen. Kürzlich erhielt Itselectric einen Bundeszuschuss von 1,5 Millionen Dollar vom Joint Office of Energy and Transportation. Dadurch erhöhte sich die Vorfinanzierung auf 3,7 Millionen Dollar. Mit diesem Geld soll das Aufladen von Elektrofahrzeugen am Strassenrand in New York, Boston, Detroit, San Francisco, Alexandria, Jersey City und Los Angeles ermöglicht werden.

Verlagerung des Fokus von Stromversorgern zu Immobilieneignern

In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat Itselectric einige internationale Auszeichnungen erhalten, und mittlerweile zählt Hyundai zu seinen Partnern. «Wir konzentrieren uns weiterhin auf unsere Mission, das Aufladen einfach, bequem und erschwinglich zu machen – nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Städte, um jedem in den USA den Weg zum Elektroauto zu ebnen», erklärt Tiya Gordon.

Das scheint dringend notwendig. Auch wenn derzeit der Absatz von E-Autos zumindest in Deutschland stockt, gehen Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) von einem langfristigen Wachstum aus. In den vergangenen vier Jahren hat sich der Absatz von E-Fahrzeugen in den USA vervierfacht. Für 2025 erwarten die Experten weltweit ein Anwachsen auf insgesamt 79,4 Millionen E-Autos. Alleine in der Schweiz betrug 2023 bei den Neuzulassungen der Anteil an E-Autos 20,9 Prozent und der von Plug-in-Hybriden 9,2 Prozent.

Itselectric hat Europa daher fest im Blick. «Sobald wir eine umfangreiche Infrastruktur in weiteren US-Städten aufgebaut haben, würden wir gerne nach Europa expandieren», sagt Gordon. «Unser ‹bring your own cable›-Modell ist von Europa inspiriert – wir bewundern die öffentliche Infrastruktur und die Planung, die bei der Gestaltung des städtischen Ladenetzes in Europa zum Tragen kamen.» Nur ist das Problem der Nutzer, die oft keinen Ladepunkt am Wohnort finden, noch nicht gelöst.

Daher möchte das Unternehmen weitere Möglichkeiten ausloten, etwa öffentliche Ladestationen an städtischen Gebäuden. Nicht nur in den USA verfügt jedes öffentliche Gebäude über einen entsprechenden Stromzähler – und könnte künftig als Ladestation dienen.

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