Mittwoch, Januar 15

Der fusionierte Konzern DSM-Firmenich will seine Sparte Animal Nutrition & Health möglichst schnell loswerden. Der Bereich steckt wegen der stark gefallenen Preise von Vitaminen in der Krise. Betroffen ist auch ein grosses Werk im Fricktal.

Die Architekten der Fusion des niederländischen Chemiekonzerns DSM und des Genfer Familienunternehmens Firmenich mussten von Anfang an Kritik einstecken. Viele fragten sich, ob der führende Anbieter von Zusätzen für Tiernahrungsmittel wirklich zu einem Hersteller edler Parfums passt. Doch die Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte beider Unternehmen verteidigten das Vorhaben hartnäckig. Es gebe genügend Synergien, wurde auf beiden Seiten betont.

«Sämtliche Optionen liegen auf dem Tisch»

Neun Monate nach dem Vollzug des Zusammenschlusses scheinen die Skeptiker recht zu bekommen. DSM-Firmenich, wie der fusionierte Konzern nun heisst, gab am Donnerstag bekannt, sich von der Sparte Animal Nutrition & Health (ANH) trennen zu wollen. Die Ausgliederung des Geschäftsbereichs, der auf die Optimierung der Ernährung von Nutztieren ausgerichtet ist und spezielle Proteine sowie Vitamine herstellt, soll im Verlauf des kommenden Jahres erfolgen.

Dabei ist noch offen, ob der Bereich beispielsweise an einen Konkurrenten oder eine Private-Equity-Gesellschaft verkauft werden wird. Man habe Erfahrung mit Devestitionen aller Art, sagte der Konzernchef Dimitri de Vreeze im Gespräch mit der NZZ. «Sämtliche Optionen liegen auf dem Tisch.»

Bauern müssen sparen

Wie immer in Situationen, wenn ein Unternehmen nicht mehr weiterweiss und ein Geschäft möglichst schnell loswerden will, erklärt auch DSM-Firmenich auf einmal, dass sich das Potenzial von ANH am besten «unter einem anderen Eigentümer» realisieren lasse. Zugleich räumt de Vreeze ein, dass ANH von anderen Dynamiken als die übrigen Geschäftsbereiche getrieben werde.

Allerdings entwickelt sich die Sparte, die rund 6000 Mitarbeiter (1500 davon in der Schweiz) beschäftigt, im Moment alles andere als dynamisch. Im vergangenen Jahr brach der Umsatz um 15 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro ein. Dem Geschäftsbereich machte zu schaffen, dass viele Bauern wegen stark gestiegener Energie- und anderer Kosten bei Tiernahrungsmitteln auf günstigere Alternativen umstellten oder sich gar gezwungen sahen, ihre Herden zu verkleinern. Hinzu kam laut de Vreeze, dass die Preise für Vitamine auf rekordtiefe Niveaus gesunken seien.

DSM-Firmenich leitete bereits Mitte vergangenen Jahres ein Kostensenkungsprogramm innerhalb der Sparte ein. So werden zwei chinesische Produktionswerke für Vitamine aufgegeben. China ist mit Abstand der grösste Hersteller von Vitaminen weltweit. Allerdings produziert DSM-Firmenich solche auch im aargauischen Sisseln, unweit von Kaiseraugst, wo sich – neben einer weiteren Zentrale im niederländischen Maastricht – der Hauptsitz des Konzerns befindet. In Sisseln seien anders als in China aber keine Arbeitsplätze von Festangestellten abgebaut worden, sagt de Vreeze. «Kürzungen nahmen wir nur bei Temporärkräften vor.»

Tiefrotes Betriebsergebnis

Die operative Marge des Bereichs schrumpfte im vergangenen Jahr auf Stufe Ebitda von knapp 14 auf 4 Prozent. Auf diesem – ohne Sondereffekte berechneten – Niveau wird es schwer sein, einen attraktiven Verkaufspreis zu erwirken. Doch dürfte DSM-Firmenich darauf setzen, dank den Restrukturierungsmassnahmen im Verlauf dieses Jahres die Profitabilität zu verbessern. Ausserdem bleibt bis 2025 noch einige Zeit.

Deutlich weniger Gegenwind sahen sich im vergangenen Jahr die übrigen drei Sparten des Konzerns ausgesetzt. Allerdings drückten Abschreibungen, Amortisationen und Wertberichtigungen von insgesamt 1,3 Milliarden Euro sowie erhöhte Aufwendungen für Akquisitionen und Restrukturierungen das gruppenweite Betriebsergebnis (Ebit) mit fast einer halben Milliarde ins Minus.

Millionen für Familie Firmenich

Dank einem milliardenschweren Buchgewinn aus dem Verkauf des einstigen DSM-Geschäftsbereichs Materials fiel das Konzernergebnis mit 2,2 Milliarden Euro (im Vorjahr ebenfalls auf Pro-forma-Basis 1,7 Milliarden) gleichwohl ansprechend aus. Die Dividende soll 2.50 Euro pro Aktie betragen.

Damit winkt der Familie Firmenich, die mit einem Anteil von 35 Prozent grösster Anteilseigner auch des fusionierten Konzerns ist, eine Gesamtausschüttung von über 230 Millionen Euro. Im Rahmen des Zusammenschlusses waren ihr zusätzlich zur Kapitalbeteiligung bereits 3,5 Milliarden Euro in bar zugeflossen.

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