Freitag, Januar 17

Der Beschuldigte erzählt im Gerichtssaal eine Geschichte von einem mysteriösen «Tom», den er in einer Bar kennengelernt haben will und der seinen Computer gehackt und ferngesteuert habe.

Hollywood-Filme erzählen uns immer und immer wieder, dass die Existenz von professionellen Auftragsmördern Realität sei. Im Darknet existieren Portale, über die man angeblich solche Killer bestellen kann. Auftragsmorde werden darüber allerdings meistens nicht abgewickelt. Fast immer handelt es sich um eine Betrugsmasche, mit welcher Benützern Bitcoin aus der Tasche gezogen werden.

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Bereits im Juni 2023 wurde ein solcher Fall vor dem Bezirksgericht Uster verhandelt. Ein damals 60-jähriger geständiger Schweizer wurde in einem abgekürzten Verfahren wegen eines untauglichen Versuchs der Anstiftung zu Mord zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.

Nun steht ein 53-jähriger Schweizer Consultant wegen eines ähnlichen Vorwurfs vor dem Bezirksgericht Affoltern am Albis. Er ist allerdings nicht geständig. Mit den Chats und Bitcoin-Überweisungen, die nachweislich über seine Computer mit seinen Passwörtern getätigt wurden, will er nichts zu tun haben. Er könne sich dies nur damit erklären, dass seine Computer von aussen gehackt und ferngesteuert worden seien.

Die konkreten Vorwürfe: Auf der Darknet-Plattform «Online Killers Market» soll er im Januar 2023 vermeintliche Auftragsmörder angeheuert haben, um seine Ex-Partnerin umzubringen, mit der er seit Jahren erbittert um Besuchsrechte für die gemeinsamen Kinder und Unterhaltszahlungen stritt. Dafür soll er über ein privates Wallet Bitcoins in der Höhe von rund 22 000 Euro eingezahlt haben. Zudem habe er den vermeintlichen Killern Name, Adresse, Bilder des Opfers und ihres Autos übermittelt.

Schon im Juli 2021 soll er im Darknet unter seinem Benutzernamen «Sitting.dark» bei einer Seite namens «Empire Seller» für 2500 Franken jemanden gesucht haben, um «einer Person Respekt einzuflössen». Es sei aber nicht darum gegangen, die Zielperson zu töten, sondern sie mit einem fingierten Unfall ins Spital zu bringen.

Eine Bar-Bekanntschaft namens «Tom»

Zu Beginn des Prozesses wird die 49-jährige neue Lebenspartnerin des Beschuldigten als Zeugin befragt. Sie ist im Dezember 2021 bei ihm eingezogen und erzählt ausführlich, dass und weshalb der Beschuldigte für sechs Daten, an denen laut Anklage Eingaben in seine Computer erfolgten, anderweitige Alibis habe. Ihre eigenen Erinnerungen sowie Daten aus seinem Mobiltelefon und seiner Smartwatch stünden dazu im Widerspruch. Gemäss den Daten der Smartwatch habe er zum Teil zu diesen Zeiten geschlafen oder gar keine Schritte ausgeführt.

Der Beschuldigte wiederholt bei der Befragung zu den einzelnen Vorgängen und Computereingaben immer wieder, er sei es nicht gewesen. Die einzige Möglichkeit, die er sehe, sei, dass jemand von aussen in seine Rechner eingedrungen sei. Er habe in einer Bar einen «Tom» kennengelernt, der ähnliche Probleme mit seiner Ex-Partnerin gehabt habe wie er. «Tom» habe ihn in eine Chat-Gruppe von Männern eingeladen, in der sie solche Probleme diskutiert hätten.

Er habe ein grosses Vertrauensverhältnis zu «Tom» aufgebaut. Er sei sein Freund gewesen. Die Identität von «Tom» sei ihm aber nicht bekannt. Die Geldabzüge von seinem Konto erklärt der Beschuldigte damit, dass er «Tom» Geld geschickt habe, um eine professionelle Publikation zu erstellen, um das Leiden von Vätern darzustellen, die ihre Kinder nicht sehen dürften. «Tom» müsse in seine Computer eingedrungen sein.

Als mögliche Motive gibt er an, vielleicht habe «Tom» ihm einen Gefallen tun wollen, oder «Tom» habe einen Testlauf für die Elimination seiner eigenen Ex-Lebenspartnerin durchgeführt.

15 Jahre Freiheitsstrafe gefordert

Nach Angaben der zuständigen Staatsanwältin wurden allerdings «trotz akribischer Datenanalyse» der Rechner keinerlei digitale Spuren solcher Chats gefunden. Erst als der Beschuldigte mit den digitalen Beweisen konfrontiert worden sei, habe er die Geschichte mit der unbekannten Person «aus dem Hut gezaubert.»

Die Staatsanwältin beantragt eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen versuchter Anstiftung zu Mord, versuchter Anstiftung zu schwerer Körperverletzung oder eventualiter strafbaren Vorbereitungshandlungen zur schweren Körperverletzung.

Der Verteidiger will einen vollumfänglichen Freispruch, 60 000 Franken Genugtuung als Basis und dazu 300 Franken für jeden Hafttag des Beschuldigten, der sich seit dem 16. Februar 2023 im Gefängnis befindet. Grundsätzlich sei es technisch möglich, dass die IT-Geräte des Beschuldigten von aussen übernommen und seine Passwörter gehackt und sämtliche Spuren von Fremdbeeinflussung der Eingaben verwischt worden seien.

Zudem sei der Beschuldigte sicher nicht so dumm, auf eine Fake-Website hereinzufallen. Jede einfache Google-Suche ergebe, dass es sich bei solchen Auftragsmord-Websites um Betrüger handle. Im Übrigen seien die ursprünglichen Beweise von Behörden in Grossbritannien erhoben worden. Die Website sei dort offenbar unter ständiger behördlicher Beobachtung gestanden. Deren Benützer seien in eine Falle gelockt worden.

Der Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch habe die Fragen nach der Zulässigkeit des behördlichen Vorgehens und der Verwertbarkeit der Beweise in einem Privatgutachten, das der Verteidiger als Beweismittel einreicht, klar verneint. Die Zürcher Staatsanwaltschaft sei rechtswidrig vorgegangen.

Wann das Urteil eröffnet wird, ist noch nicht bekannt.

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