Donnerstag, Dezember 26

Digitale Rachepläne und ihre drastischen Folgen.

Am 3. Januar 2023 kennt der Hass keine Grenzen mehr. Unter einem Pseudonym loggt sich ein 53-jähriger Zürcher auf der Darknet-Plattform «Online Killers Market» ein. Der Schweizer chattet mit einem Unbekannten, der sich als Auftragsmörder ausgibt.

Er will, dass der Unbekannte seine Ex-Partnerin umbringt, mit der er seit rund zehn Jahren erbittert um die Kinder und um Unterhaltszahlungen streitet. Dafür bezahlt er über ein privates Wallet Bitcoin in der Höhe von rund 20 000 US-Dollar.

Es ist nicht sein erster Versuch, der Frau etwas anzutun.

Einen unliebsamen Menschen zu beseitigen, sei kein Problem, versprechen Auftrags­mörder im Darknet. Seit einigen Jahren sorgt das Phänomen für Schlagzeilen. Immer wieder sind Männer und Frauen bereit, viel Geld zu zahlen, damit andere für sie zum Äussersten gehen. Im Glauben, sie seien anonym. Dabei wissen sie nicht einmal, mit wem sie es zu tun haben.

Schon früher Rachepläne geschmiedet

Die Informationen zu dem Fall des 53-jährigen Schweizers stammen aus einem kürzlich veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts, über den zuerst die Zeitungen von CH Media berichtet haben. Die Zürcher Staatsanwaltschaft wirft dem Mann versuchte Anstiftung zu Mord vor. Noch ist das Verfahren nicht abgeschlossen, es gilt deshalb die Unschuldsvermutung.

Gemäss Bundesgerichtsentscheid ist der Konflikt zwischen dem Mann und seiner früheren Partnerin in den letzten Jahren immer weiter eskaliert. Dieser scheine beim Mann zu einer immer erheblicheren Gewaltbereitschaft geführt zu haben, heisst es im Urteil des Bundesgerichts.

Der Schweizer weist mehrere Vorstrafen auf – wegen Freiheitsberaubung und Tätlichkeiten. Im Sommer 2016 soll er seine Ex-Partnerin und ihre Kinder während zwanzig Minuten in einem Zimmer eingesperrt haben. Zudem soll er sie im Dezember 2020 mit der flachen Hand mehrfach auf den Kopf geschlagen haben.

Ein halbes Jahr später schmiedet er laut Untersuchung der Staatsanwaltschaft ein erstes Mal Rachepläne im Darknet. Er schickt einem Unbekannten auf der Plattform Empire Market eine Anfrage. Seine Forderung: «To teach a person respect. absolutely no kill involved. but some hospital visit». Kein Mord, aber ein Spitalaufenthalt.

In den Einvernahmen verteidigt sich der Mann: Er sei nie als Aggressor aufgetreten. Er habe stets deeskalierend reagiert. So habe er seine frühere Partnerin im Zimmer eingeschlossen, um eine von ihr ausgehende Gewalteskalation zu verhindern.

Der 53-Jährige befindet sich seit knapp einem Jahr in Untersuchungshaft. Laut Angaben der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft sind zudem Massnahmen zum Schutz der Ex-Partnerin getroffen. Mehr wollen die Zürcher Strafverfolger derzeit nicht zum Fall sagen.

Gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft erhebt der Schweizer Beschwerde beim Bundesgericht. Doch er blitzt ab. Vergeblich argumentieren er und sein Anwalt, eine Gutachterin habe bei ihm nur ein geringes bis mittelgradiges Rückfallrisiko und keine psychische Störung festgestellt.

Für das Gericht ist die Wiederholungsgefahr damit nicht gebannt. Die Frau wohne weniger als einen Kilometer weit von ihm entfernt, er kenne ihre Gewohnheiten und ihren Bewegungsradius. Die Gutachterin hat ebenfalls Zweifel: Der Mann erachte Rache als legitim, habe eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur, und seine sozialen Kompetenzen seien limitiert. Sein Konfliktverhalten zeichne sich durch Verachtung, Wut und trotzige Gegenangriffe aus.

«Je plakativer, desto dubioser»

Für die Auftraggeber ist es tödlicher Ernst. Aber die Frage bleibt: Sind die Angebote von angeblichen Profikillern real? Gibt es den Auftragsmord per Mausklick?

Marc Ruef beschäftigt sich seit den neunziger Jahren mit Cybersicherheit. Er und sein Team überwachen im Darknet regelmässig Märkte, um neue Entwicklungen beim Drogenhandel oder beim Geschäft mit gestohlenen Daten zu analysieren. Ruef sagt, anders als beim Drogenhandel seien die meisten Angebote von Auftragsmördern im Darknet Betrug. «Je plakativer ein Anbieter daher­kommt, umso dubioser ist er.»

Ruef bezweifelt nicht nur deshalb, dass das Angebot auf «Online Killers Market» tatsächlich echt ist. Ein Hinweis darauf sei auch der Preis. «In der Schweiz sind die Preise eher im sechsstelligen Bereich anzusiedeln», sagt Ruef. «Für 20 000 Dollar findet man keine seriösen Angebote von professionellen Auftragskillern – ausser vielleicht bei einer Abrechnung im Milieu.»

Alles sei aber nicht Betrug, sagt Ruef. Man stosse im Darknet tatsächlich auf reale Angebote. Diese seien aber nicht so einfach auffindbar, meistens funktioniere es nur über Beziehungen. «Die Täter stammen vor allem aus Osteuropa.»

Die meisten Hinweise kommen von Geheimdiensten

Zwischen dem Auftrag im Darknet und der Verhaftung des 53-jährigen Schweizers Mitte Februar 2023 vergehen rund eineinhalb Monate. Wie die Ermittler auf die Spur des Mannes gekommen sind, ist nicht bekannt.

Klar ist jedoch: Die meisten Informationen zu kriminellen Handlungen im Darknet stammen von ausländischen Geheimdiensten. Bei der Plattform «Online Killers Market» ist aus einem Fall aus Österreich bekannt, dass der britische Geheimdienst MI 5 verdeckt mitlas. Aufgrund eines Hinweises aus England gelang es den österreichischen Ermittlern im vergangenen Jahr, einen 53-jährigen Unternehmer festzunehmen.

Der IT-Fachmann suchte unter dem Pseudonym «Sunnyboy» nach einem Auftragsmörder, der seine Ex-Partnerin umbringt. Laut der Zeitung «Kurier» schrieb er eine Nachricht an «Knochenbrecher»: «Ich brauche jemanden für einen Job in Österreich. Eine Frau soll sterben. Sie quält Kinder, also ist es ziemlich dringend.»

Die Zürcher Staatsanwaltschaft will sich wegen des laufenden Verfahrens nicht zur Frage äussern, wie der Hinweis zum 53-jährigen Zürcher zu den Ermittlern gelangt ist. Für Marc Ruef ist die Beteiligung eines ausländischen Geheimdiensts durchaus plausibel. «Die Schweizer Strafverfolger machen normalerweise keine Patrouillen im Darknet.»

Der Fall des 53-Jährigen ist nicht der erste im Kanton Zürich.

Im Mai des letzten Jahres verurteilte ein Zürcher Gericht einen 60-jährigen Unternehmer zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen des Versuchs zur Anstiftung zu Mord.

Der Schweizer hatte als «Nordwand» auf der Darknet-Site «Internet killers» mit einem Verbrecher gechattet. Und Nordwand hatte klare Vorstellungen. «A car accident or a robbery go wrong is ok», schrieb er an die vermeintlichen Auftragsmörder.

Der Mann handelte aus Hass auf seine Ehefrau. Die Ermittler konnten mehrere Chats protokollieren: «Hi can you confirm, that you can do the job in the next 5 weeks», schrieb der Beschuldigte am 10. Oktober 2020. In einer Antwort wurde ihm mitgeteilt, er solle Bitcoin in einem Wallet bereitstellen, dann würden die Schwerstkriminellen den Job vorbereiten.

Später wurde der Beschuldigte immer wieder aufgefordert, mehr Bitcoin einzuzahlen, was er auch mehrfach tat. Er schickte auch ein Foto seiner Ehefrau, ihre Adresse, die Marke und den Typ ihres Autos samt Autokennzeichen und einen Link zu ihrem Facebook-Profil. Bei seiner Verhaftung hatte der Beschuldigte insgesamt 33 000 Dollar in Bitcoin eingezahlt.

Vor Gericht bezeichnete der Mann sein Handeln später als «Blödsinn». Gross überlegt habe er damals nicht. Er habe einfach nur eine Problemlösung gesehen. Der Richter fasste das Ganze so zusammen: Die Geschichte lese sich wie das Drehbuch zu einem Film, sie sei aber bittere Realität.

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