Ludwig Fels’ postum erschienener Text ist herrlich komisch und wird auf weiter Strecke zu einer zaghaften Autobiografie.

Es muss schon eine schwerwiegende Sehnsucht gewesen sein, wenn nicht gar eine toxische Art von Heimweh: ab 1983 lebte Ludwig Fels in Wien und begann 2018 mit einem Text über das hessische Franken, in dem er noch einmal ganz tief eintauchte in die Eigenarten seines Geburtsortes: «Ein Sonntag mit mir und Bier» geriet zur ausufernden Abrechnung zwischen tiefer Zuneigung und abgrundtiefem Spott, einer Hassliebe mithin, die sich Fels genüsslich aufschrieb. Jetzt, vier Jahre nach dem plötzlichen Tod des Dichters, ist das Buch erschienen.

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Der Salzburger Jung-und-Jung-Verlag, der das Werk von Fels betreut, hat das Manuskript aus dem Nachlass seiner Witwe, Rosa Fels, erhalten. So ist es nun, als hörten wir den 1946 im mittelfränkischen Treuchtlingen geborenen Schriftsteller noch einmal sinnieren, sich erinnern, schaudernd und fröhlich. Als begnadeter Grantler kommt er uns da entgegen an einem herrlichen Tag, den Fels fest entschlossen und mit der Beigabe von mächtig viel Gerstensaft in einem Biergarten verbringt. Den verortet er listig gleich an mehreren Plätzen des Frankenlandes, in Fürth, in Treuchtlingen sowieso, aber auch auf dem Freiplatz des Nürnberger Bratwursthäusles, wo ihn die Touristen nerven und die Bedienung liebt.

Wild gewordener Nixenschwarm

Das Setting: Fels soll fürs Fernsehen porträtiert werden, anfangs schwirrt auch eine Kamera um den Missmutigen, der eigentlich nur seine Ruhe haben will. Aber er ist nun einmal ein Exemplar einer aussterbenden Rasse: «In Wirklichkeit bin ich kein Arbeiterdichter. Wenn ich etwas bin, dann ein Hilfsarbeiterhilfsschriftsteller mit Schreibmaschinenkunstgewerbeabschlussdiplom.» Darunter soll man sich einen Bildungsmalocher mit hochgekrempelten Ärmeln vorstellen, der bis zu den Ellenbogen im Klorohr steckt und nebenbei «die Musen dirigiert wie einen wildgewordenen Nixenschwarm.» Die Klassifizierung geht Fels mächtig auf den Geist: Er kommt nicht los vom Image des Proleten der Poesie, nur weil er in seiner fränkischen Jugend beim Werkkreis Literatur der Arbeitswelt Gedichte wie am Fliessband schrieb und Romane auf der Baustelle.

Natürlich ist was dran. Ludwig Fels trotzte sich seine Kunst anfänglich in den wenigen freien Stunden nach der Maloche ab. Und wer ihn kannte, sah ihn in der Tat auch spätabends in irgendeinem Wirtshaus der Region mit einem Stift in der Hand und Gedanken, die um sein stilles Haupt zu schwirren schienen. Fels als Dichter biss sich durch. Die Erfolge mit Gedichten und schliesslich Romanen («Die Sünden der Armut», 1975, «Ein Unding der Liebe», 1981) stellten sich ein. Doch dieses Franken wurde ihm bald zu eng, zu muffig, war zu belastet mit Jugenderlebnissen, die alles andere als angenehm waren: Heimat war für ihn auch Armut, Entbehrung, Liebesentzug, nichts Wohliges, woran man sich gern erinnerte. Freilich schöpfte er als Schriftsteller aus diesen bitteren Erfahrungen: In seinen Büchern misstraute er den Idyllen, hielt sie für Mörderstücke.

Erfolg nach der nächsten Mass

Nun also sitzt er im Biergarten, der Hilfsarbeiterhilfsschrifteller, fränkelt gar vor sich hin, spielt mit dem hart-weichen Dialekt wie mit einem Hündchen, das er feixend von der Leine lässt, damit es den Fremden auf Sightseeing kräftig in die Waden beisst. Er ist da ein bisschen Achternbusch, wie er versteckt hinterm Bierglas hervorlugt, an der Welt kein gutes Haar lässt. Er träumt vom Erfolg, der sich sicher nach der nächsten Mass einstellen wird, da mögen die «Lideradurgridiger» noch so an ihm zweifeln. In einem Fels steckt ein Genie und sowieso der erste fränkische Literaturnobelpreisträger. Er schickt einen Vierzeiler an die «Nürnberger Nachrichten», die ihn prompt druckt, und schon gibt es Lesungen in der Bahnhofswirtschaft, «die zwölf bis dreizehn Sekunden dauerte und ein voller Erfolg war». Ein Träumer und Selbstbeweiner, der seine poetischen Zeilen leider nicht versteuert.

Irgendwann kippt dieser herrlich komische Text ins Melancholische, und dann wird daraus eine zaghafte, fast traurige Autobiografie, ein Stück über verpasste Chancen und über den Trotz, diese doch zu nutzen. In Wien am Schreibtisch ziehen die fränkischen Landstriche an ihm vorbei, begegnen ihm die Menschen, die er mochte und verachtete. Fels sortiert sein Werden, und alles mündet in die einfache Standortbestimmung «Bin da, sage nichts.»

Das «sprachmächtige Zeugnis eines Unbestechlichen» hat Natascha Wodin dieses «Selbstporträt im Gastgarten» (so der Untertitel) genannt. Dem ist aber auch schon gar nichts hinzuzufügen.

Ludwig Fels: Ein Sonntag mit mir und Bier. Selbstporträt im Gastgarten. Jung-und-Jung-Verlag, Salzburg 2025. 110 S., Fr. 31.90.

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