Ein 24-jähriger Mann, der in Rickenbach eine 63-jährige Frau in ein Feld zerrte, dort vergewaltigte und umzubringen versuchte, ist vor Bezirksgericht Winterthur vollumfänglich geständig.
Als «den blanken Horror» bezeichnet der Staatsanwalt in seinem Plädoyer die Geschehnisse des 30. Oktober 2022 in Rickenbach. Selbst gestandene Polizisten, die damals an den Tatort ausrückten, hätten nicht glauben können, was an jenem milden, fast spätsommerlichen Sonntag in der sanften Hügellandschaft des Zürcher Weinlands passiert sei: Eine 63-jährige Frau sei «das Zufallsopfer eines bestialischen Sexual- und Gewaltverbrechens» geworden.
Die Seniorin war gesundheitlich angeschlagen, litt an Polyarthritis und spazierte mit Wanderstöcken langsam durch die ländliche Szenerie. Sie nahm wahr, wie ihr ein fremder, schwarz gekleideter Mann folgte. Plötzlich stand er vor ihr und sagte, er habe eine Frage, packte sie aber sogleich, hielt ihr Mund und Nase zu und warf sie in das angrenzende Feld, wo 80 Zentimeter hoher Gelbsenf wuchs. Dort nahm er zunächst manuelle sexuelle Handlungen an ihr vor und vergewaltigte sie danach.
Dabei sagte er: «Dir gefällt das doch auch» und «Das ist doch schön» – so steht es in der Anklageschrift, die der geständige Täter vollumfänglich anerkannt hat. Die gesundheitlich angeschlagene Frau konnte sich nicht wehren. Der Mann war 105 Kilogramm schwer, sie wog 34 Kilogramm. Später sagte sie, der Täter habe «Kraft wie ein Tier» gehabt. Auch nach der Vergewaltigung hielt der Fremde der Frau weiterhin Mund und Nase zu. Wegen Sauerstoffmangels war sie ständig in Panik.
Der Täter soll geglaubt haben, die Frau sei bereits tot
Dann sagte er ihr kaltblütig, er müsse sie jetzt umbringen, da er etwas gemacht habe, was er nicht sollte, und sie ihn erkennen und dann verraten könnte. Er liess sich mit seinem vollen Körpergewicht mindestens zehn Mal auf den Oberkörper und die Beine der Frau fallen. Mindestens fünf Mal sagte er dabei: «Ich muss dich jetzt umbringen», und mindestens einmal: «Gib endlich auf.»
Die Frau verlor das Bewusstsein. Der Täter dachte, dass sie tot sei. Nur 15 Minuten nachdem er sie angesprochen hatte, liess er sie lebensgefährlich verletzt in dem idyllischen Feld liegen. Ohne notärztliche Versorgung wäre sie verblutet. Die Frau erlangte das Bewusstsein jedoch wieder, und es gelang ihr, mit letzter Kraft aus dem Feld hinauszurobben und eine Autofahrerin auf sich aufmerksam zu machen.
Die Gewalttat erregte damals grosse Aufmerksamkeit in der Bevölkerung. Auf einen Zeugenaufruf der Kantonspolizei meldete sich eine Frau, die eine merkwürdige Begegnung mit einem fremden Mann schilderte, die sie bereits ein halbes Jahr zuvor erlebt hatte: Am 30. April 2022 war sie von einem dunkel gekleideten Mann auf einem Parkplatz angesprochen worden.
Wo man hier spazieren könne, habe der Fremde gefragt. Obwohl sie ihn in eine andere Richtung gewiesen habe, sei er ihr gefolgt. Sie ging zurück in ihr Auto und fotografierte den BMW des seltsamen Fremden mitsamt den Kontrollschildern. Anhand dieses Nummernschilds konnte ein Mann identifiziert werden, der sich schliesslich als Täter von Rickenbach entpuppte. Am 6. November 2022 wurde er verhaftet.
Es handelt sich um einen heute 24-jährigen Schweizer, der noch bei seinen Eltern wohnte. Er ist nicht vorbestraft. Von seinem sozialen Umfeld wurde er als netter Mensch beschrieben. Seine Mutter gab bei ihrer Befragung in der Untersuchung zu Protokoll, ihr sei weder vor noch unmittelbar nach der Tat etwas Aussergewöhnliches an ihrem Sohn aufgefallen. Er habe sich ganz normal verhalten.
Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen
Nun sitzt der Täter als Beschuldigter vor Bezirksgericht Winterthur. Er gibt alle Vorwürfe zu, anerkennt die Sachverhaltsdarstellungen in der Anklage ohne Einschränkung, macht aber keine eigenen Angaben dazu. Die Öffentlichkeit ist vom Prozess ausgeschlossen, Journalisten sind nur unter Auflagen zugelassen. Unter anderem sind auch identifizierende Angaben zum Täter untersagt, weshalb hier unter anderem auf die Nennung seines Berufes verzichtet wird.
In seiner Freizeit und auch in der Nacht vor der Tat arbeitete er aber als Security-Mitarbeiter in einer Bar. Das habe er gemacht, weil er dadurch mehr Geld verdient habe, um Drogen zu kaufen, sagt er im Gerichtssaal. Gemäss eigenen Angaben war er drogen- und alkoholsüchtig. Er habe an Wochenenden täglich 3 bis 4 Gramm Kokain und einen oder zwei Joints konsumiert.
Neben einer Kokain- und Cannabisabhängigkeit stellte der Gerichtsgutachter auch eine «unbekannte Risikoeigenschaft» beim Beschuldigten fest, die dazu führe, dass er als psychisch schwer gestört eingestuft werden müsse. Da sich der Beschuldigte ihm gegenüber aber nicht geöffnet habe und seine Phantasien niemandem anvertraue, blieben sein Motiv und die Art der Störung unklar, so der Psychiater. Es gebe zwei Möglichkeiten: Bei der einen stünden die sexuellen Handlungen im Vordergrund, bei der anderen die Tötungsabsicht.
Wie aus der Befragung durch den Gerichtsvorsitzenden hervorgeht, suchte der Täter am Morgen der Tat mit Stichwörtern wie «forced sex» zwischen 6 Uhr 10 und 9 Uhr 30 im Internet intensiv nach Inhalten, die erzwungenen, gewalttätigen Sex zeigten.
Sein Handy wurde um 9 Uhr 36 in den Flugmodus geschaltet, wodurch eine Standortortung nicht mehr möglich war. Er nahm auch ein Tranchiermesser zum Tatort mit, setzte es aber nicht ein. Ein Jogger, der später als Zeuge aussagte, sah, wie einem dunkel gekleideten Mann in der Nähe des Tatortes ein Messer zu Boden fiel, der Mann es schnell wieder aufhob und in seiner Jacke versteckte.
Die Frage nach dem Motiv beantwortet auch der Beschuldigte selber vor Gericht nicht. Er hat bereits eine vorzeitige ambulante Therapie im Gefängnis begonnen und neun Sitzungen absolviert. Über die Tat habe er mit dem Therapeuten aber noch nicht gesprochen. Er wolle das zuerst mit seinem Therapeuten aufarbeiten, bevor er Angaben dazu machen könne. Nur zu seinem Drogenkonsum gibt er ausführlich Auskunft.
Das Opfer hatte allerdings ausgesagt, es habe während der Tat keine Auffälligkeiten, die auf Drogen- oder Alkoholkonsum gedeutet hätten, am Täter festgestellt. Er habe sehr ruhig und überlegt gewirkt. Sie könne das einschätzen, sagte die Frau, denn sie habe zwei Jahre in einer Drogen-Rehabilitationseinrichtung gearbeitet. – Die Frau ist rund ein Jahr nach der Tat verstorben. Gemäss Angaben des Staatsanwalts hatte ihr Tod keinen Zusammenhang mit der Tat.
Anträge von 20 und 9 Jahren Freiheitsstrafe
Der Staatsanwalt beantragt eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren wegen Mordversuchs, qualifizierter Vergewaltigung, qualifizierter sexueller Nötigung, Gefährdung des Lebens und weiterer Straftatbestände; auch ein Verkehrsdelikt ist angeklagt. Die Haupttat bezeichnet der Staatsanwalt als «fast lehrbuchmässigen Eliminationsmord». Eine durch ihre Krankheit schwer gezeichnete, ausgemergelte Frau sei «von einem Kasten von Mann regelrecht zerquetscht» worden.
Dass es nur beim Versuch geblieben sei, sei nicht dem Täter anzurechnen. Die Tat sei klar geplant gewesen. Dafür gebe es mehrere Indizien: die vorhergehende Internetsuche nach erzwungenem Sex, das Mitführen eines Tranchiermessers, das Schalten des Handys in den Flugmodus. Auch ohne das Geständnis gebe es genügend Beweise für die Täterschaft des Beschuldigten, so wurde an mehreren Körperstellen beim Opfer seine DNA gefunden. Während des Strafvollzugs sei eine ambulante Massnahme anzuordnen.
Die Erbengemeinschaft des Opfers beantragt eine Genugtuung von 30 000 Franken, die der Beschuldigte – gemäss seinem Anwalt – akzeptiert. Der Verteidiger plädiert auf eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren und ebenfalls eine ambulante strafvollzugsbegleitende Massnahme. Er relativiert die Tat dann doch ein wenig, der Täter habe bei der Tatausführung nicht das höchstmögliche Ausmass an Geringschätzung des Lebens gezeigt. Es sei kein Blut geflossen, und er habe sich nicht auf den Kopf, sondern auf den Oberkörper des Opfers fallen lassen.
Der Beschuldigte habe die Tat «im Zustand einer mentalen Orientierungslosigkeit» begangen. Er sei an jenem Vormittag zweifellos in einem inneren Chaos gefangen gewesen, das er selber nicht verstanden habe. Er sei vor der Tat herumgeirrt, die Tat sei nicht geplant gewesen. Das Handy habe sich wohl deshalb im Flugmodus befunden, weil durch die intensive Internetsuche zuvor schlichtweg der Akku leer gewesen sei.
Der Beschuldigte entschuldigt sich in seinem Schlusswort bei den Familienangehörigen und sagt, er wisse, dass er sich ein Leben lang für die Tat schämen werde. Deshalb werde er in der Therapie auch intensiv an sich arbeiten.
Das Urteil soll am Donnerstagabend eröffnet werden.