Mittwoch, Januar 8

Die Frucht wächst nicht nur in Neuseeland oder Italien, sondern auch am Genfersee. Ein Besuch auf der grössten Kiwi-Plantage des Landes.

Hört man Matthias Fäh zu, kommt man bald zu dem Schluss: Gäbe es die Kiwi noch nicht, müsste man sie erfinden. Regen perlt an ihr grösstenteils ab, sie fault also nicht so einfach. Raupen und Insekten lassen sie auch in Ruhe, weil sie so haarig ist. Im Vergleich zu einer Orange hat eine Kiwi doppelt so viel Vitamin C. Und sie ist genau jetzt, im Winter, reif, wenn es in unseren Gefilden kaum anderes Obst gibt. «Die Natur ist genial», sagt Fäh.

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Matthias Fäh, 50 Jahre, ist seit 2018 Geschäftsführer der einzigen reinen Kiwi-Plantage der Schweiz. Auf 15 Hektaren produziert er in Spitzenjahren bis zu 400 Tonnen. In der gesamten Schweiz werden laut dem Agrarbericht nur auf 29 Hektaren Kiwis angebaut. Weitere Statistiken scheint es nicht zu geben. Kiwis seien «nicht marktrelevant», sagt Hubert Zufferey vom Schweizer Obstverband, genauso wenig wie Kaki oder Mandeln.

Tatsächlich kann Fäh mit seinen Kiwis nur einen winzigen Teil des hiesigen Konsums decken, in guten Jahren rund drei Prozent. Die Schweiz importiert pro Jahr knapp 12 000 Tonnen Kiwis, vor allem aus Italien und Neuseeland.

Die Kiwi-Pioniere legten 1984 los

Dass es überhaupt Schweizer Kiwis gibt, geht zurück auf Pioniere in den achtziger Jahren. Damals wurden Kiwis in Europa populär, und so wurde auch hierzulande mit der Pflanze experimentiert. In Allaman, auf halbem Weg zwischen Lausanne und Nyon, legten 1984 eine Handvoll Obstbauern zwei Tierzuchtbetriebe zusammen und gründeten die Domaine de la Pêcherie et de la Frésaire. Seit 1994 ist der Betrieb biozertifiziert.

Die Kiwi stammt ursprünglich aus China, wo sie wild wuchs. Populär machte sie Neuseeland, das den Anbau professionalisierte und neue Sorten züchtete. Allen voran die Hayward-Kiwi, die den weltweiten Markt dominiert und die auch am Genfersee wächst. «Wir haben hier in der Schweiz das vielleicht beste Klima für die Kiwi», sagt Matthias Fäh. «Aber es bleibt eine Herausforderung.»

Kiwis sind robust und lassen sich ohne viel Vorsicht rasch pflücken.

Das Mikroklima ist mild und sonnig, die Luftfeuchtigkeit recht hoch. Dazu haben die besten Parzellen besonders geeignete Kiesböden. Und schliesslich liefert der Genfersee das nötige Wasser, um die durstigen Kiwipflanzen im Sommer zu versorgen.

Doch 2024 waren die Wetterbedingungen in der Schweiz insgesamt für die Kiwi – wie auch für Trauben und anderes Obst – sehr durchwachsen. Fäh hatte mehrfach mit Frost zu kämpfen. Die Pflanze halte zwar im Winter sehr gut minus zehn Grad aus, sagt er. «Aber wenn sie ausgetrieben ist, verträgt sie nur noch minus ein Grad. Wenn es darunter geht, verliere ich meine Ernte.»

Der Frost liess Matthias Fäh nicht schlafen

Fäh hatte im Frühjahr mehrere schlaflose Nächte. Er beobachtete an kleinen Messstationen minuziös die Temperaturen in seinen verschiedenen Parzellen. Wenn sich der Gefrierpunkt näherte, versuchte er wie die Aprikosenbauern im Wallis, seine Pflanzen mit Sprühwasser zu schützen. Dabei bildet sich um die Pflanzen eine Eisschicht, und weil Wasser beim Gefrieren paradoxerweise Wärme abgibt, kann das die Pflanze schützen.

Doch diese Methode funktioniert nicht immer. Im Frühjahr griff Fäh deshalb mehrfach zu Wärmekerzen. Das war teuer: Eine Kerze koste zehn Franken, sagt Fäh. Für eine Hektare benötige er vielleicht im Schnitt 250 Stück. Bei zehn bedrohten Hektaren koste ihn also eine Frostnacht 25 000 Franken.

Und im Frühjahr blieb es nicht bei einer Nacht, es wurden zwei, dann drei. Auch mit den Kerzen könne man nicht garantieren, dass die Pflanzen genug Wärme erhielten, sagt Fäh. Nach der vierten oder fünften Nacht könne es unter dem Strich günstiger sein, sie erfrieren zu lassen. Denn irgendwann produzieren sie nicht mehr genug Kiwis, um die Kosten wieder hereinzuholen.

Der viele Regen und die Kälte im April und im Mai setzten den Kiwis, die eigentlich so resistent sind, noch mehr zu. Das Wetter sei für Bakterien gut gewesen, aber für Bienen wohl nicht, sagt Fäh. Die Blüten seien weniger befruchtet worden. Insgesamt habe er durch das ungewöhnliche Klima dieses Jahr die Hälfte seiner Ernte verloren.

Die andere Hälfte erntet er mit seinen Helfern Anfang November. Es ist eine wunderschöne Woche, blauer Himmel, knackige Kühle. Vielleicht zwanzig Italiener, Portugiesinnen und Französinnen durchkämmen die Felder. Die Lianen sind mehr als zwei Meter hoch, sie recken sich auf Hunderte Meter langen Drähten wie Trauben im Weinberg – nur dass sie oben auseinanderwuchern und zuweilen ein Dach bilden.

Vom Eimer in die Kiste aufs Rollband: Die Domaine de la Pêcherie et Frésaire sortiert ihre Kiwis selbst nach Grösse. Für die kleinsten Kiwis bis 50 Gramm erhält Matthias Fäh 1 Franken das Stück, für die grössten ab 125 Gramm 4 Franken 40.

Seit November lagern die Kiwis im Kühldepot, seit Mitte Dezember werden sie nach und nach in den Verkauf ausgeliefert.

Auch hier zeigt sich für Matthias Fäh die praktische Seite der Kiwi. «Man kann sie alle in einem Rutsch pflücken, kleine und grosse Früchte.» Manch andere Obstsorte erntet man besser je nach Reifegrad in mehreren Schritten. Ausserdem können die Erntehelfer die robusten Früchte schnell mit beiden Händen gleichzeitig pflücken, ohne Schere, sie in Eimer fallen lassen und dann in einen Anhänger kippen.

Fähs Kiwis gibt es bei Coop und auf Märkten

Frisch gepflückt, sind die Kiwis ungeniessbar. Sie sind hart wie Steine und sauer. «Momentan haben sie sieben Prozent Zucker», sagt Fäh. Deshalb lagert er sie mehrere Wochen gekühlt in einem riesigen Lager auf dem Hof, sortiert nach Grösse. Wenn sie rund elf Prozent Zuckergehalt haben, kommen sie in den Verkauf.

Seit Mitte Dezember leert Fäh nun langsam sein Lager. Er verkauft an die Bio-Produzentenorganisation Terraviva und andere Grossisten. Von dort gelangen die Kiwis auf Marktstände in der Region, in kleine Bioläden und in Coop-Filialen im ganzen Land. In der Stadt Zürich seien die Kiwis aus Allaman in rund zwanzig Geschäften im Sortiment, teilt Coop mit.

Meist muss man die Kiwis daheim noch etwas reifen lassen, ähnlich wie Avocados. Viele Leute wüssten das nicht, sagt Fäh. Er hat einen Tipp: die Kiwis zusammen mit Äpfeln oder Bananen in eine Fruchtschale oder Papiertüte legen. Das Obst gibt Ethylen ab. So reifen die Kiwis schneller.

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