Das Angebot an Bitcoin ist bereits heute knapper als jenes von Gold. Nun, wo Donald Trump Kryptowährungen demonstrativ unterstützt, dürften neue Investoren wie Pensionskassen oder reiche Familien auf den Zug aufspringen.
Donald Trumps Sieg treibt den Bitcoin-Preis stark an. Allein in der Wahlnacht ist der Kurs der wichtigsten Kryptowährung um 10 Prozent hochgeschnellt, um in den Tagen danach auf über 93 000 Dollar anzusteigen – schon wieder ein neuer Rekord.
Trump verspricht, eine vorteilhafte Regulierung für digitale Vermögenswerte zu schaffen, eine staatliche Bitcoin-Reserve zu äufnen und die USA zum globalen Zentrum der Branche zu machen.
Das ist eine spektakuläre Kehrtwende. Noch in seiner ersten Amtszeit bezeichnete der Republikaner Bitcoin als «Betrug». Inwiefern Trump wirklich ein Überzeugungstäter ist oder ob er primär die Millionenspenden der Branche für seinen Wahlkampf einsacken wollte, werden wir wohl nie erfahren: Ein neuerlicher Gesinnungswandel scheint unwahrscheinlich.
Eine Frage des Glaubens
Nur schon, weil die Mitstreiter Trumps vom Vizepräsidenten J. D. Vance und «Mr Dogecoin» Elon Musk bis zum designierten Justizminister Matt Gaetz überzeugte Krypto-Anhänger sind.
Man muss Trump zugutehalten, dass vor ein paar Jahren durchaus Zweifel angebracht waren, ob Bitcoin sich durchsetzen und den Status von «digitalem Gold» erlangen würde. Es ist wie bei einer Religion: Sie wird erst dann Realität, wenn eine genügend grosse Zahl von Gläubigen ihrer Botschaft Vertrauen schenken.
Mit einem Marktwert von fast 1800 Milliarden Dollar und immer mehr Befürwortern aus Politik, Banken und sogar der Wissenschaft ist diese kritische Grösse wohl erreicht: Bitcoin wird im Urteil vieler Experten künftig zumindest mit Gold gleichziehen können.
Es wird mehr Gold geschürft als Bitcoin
Der Marktwert aller Goldreserven liegt allerdings noch immer ein Mehrfaches über jenem von Bitcoin. Gleichzeitig ist Bitcoin bereits heute das viel knappere Gut als Gold. Das kann man am Verhältnis des gegenwärtig verfügbaren Bestands und der Produktionsrate festmachen.
Es gibt schätzungsweise 212 600 Tonnen Gold, in Form von Schmuck, Barren, Münzen usw. Jährlich werden etwa 3600 Tonnen Gold geschürft, die zu diesem Bestand dazukommen. Bleibt die Produktion auf dem heutigen Niveau, verdoppelt sich der Goldbestand also in 59 Jahren.
Bei Bitcoin jedoch würde es 120 Jahre dauern, um den heutigen Bestand zu verdoppeln. Und während nichts dagegen spricht, dass künftig mindestens gleich viel Gold geschürft wird wie heute, ist dies bei Bitcoin gar nicht möglich. Seit April kommen nur noch halb so viele neue Bitcoin zum Bestand wie davor. Ab 2028 wird es ein Viertel sein, 4 Jahre danach ein Achtel. Insgesamt kann es nie mehr als 21 Millionen Bitcoin geben.
Mindestens 2 Millionen Bitcoin sind verloren
Dazu kommt, dass der eigentliche Bestand wohl deutlich kleiner ist als die bis heute «geschürften» 19,7 Millionen Bitcoin. «Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 2 bis 3 Millionen Bitcoin für immer verloren sind», sagt Phil Lojacono, Vizepräsident der Branchenvereinigung Bitcoin Association. Mit anderen Worten: Mindestens 10 Prozent aller Bitcoin-Besitzer haben den digitalen Zugangsschlüssel zu ihren Beständen verlegt. Und damit ist die Sache gelaufen. Gold geht im Gegensatz zu Bitcoin selten verloren.
Es wird also interessant zu sehen sein, bei welchem Preis sich Angebot und Nachfrage einpendeln. Denn es zeichnet sich ab, dass die Akzeptanz von Bitcoin schnell wächst, insbesondere bei den Anlageprofis. Darauf deutet etwa eine gerade veröffentlichte Umfrage der Bank Sygnum bei 400 institutionellen Investoren hin: 57 Prozent gaben an, Krypto-Anlagen in Zukunft stärker gewichten zu wollen.
Eintrittsschwellen sind tief
«Bitcoin werden bisher hauptsächlich von Retail-Anlegern, Hedge-Funds und Family-Offices gekauft. Viele institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungsgesellschaften bereiten im Moment aber ihren Markteintritt vor», sagt Hany Rashwan, Gründer des Krypto-Anbieters 21Shares. «Ihre Nachfrage wird sich im nächsten Jahr bemerkbar machen.»
Rashwans Firma mit Sitz in Zürich hat eine breite Palette von börsenkotierten Anlagefonds im Angebot, die Anlagen in Kryptowährungen so einfach handelbar machen wie Aktien oder Anleihen. Solche ETF auf Bitcoin, Ether und Co. sind nun weltweit verfügbar und senken die Eintrittsschwelle für technisch nicht bewanderte Anleger beträchtlich. Auch Pensionskassen wie die State of Michigan Retirement System haben dank solcher ETF begonnen, in Bitcoin zu investieren.
«Wir werden auch vermehrt staatliche Käufer sehen», sagt Rashwan. Trump habe versprochen, Bitcoin, die von den USA beschlagnahmt worden sind, zu behalten. Bhutan und El Salvador halten schon offizielle Währungsreserven. Und verschiedene Akteure wie etwa Russland hätten Interesse an einem alternativen Finanzsystem und würden rasch folgen. «Es ist also nicht die Frage, ob, sondern wann Staaten Bitcoin halten werden – so wie sie heute bereits in Aktien investieren.»
Der Leiter eines Zürcher Family-Offices sagt, sein Büro lege seit letztem Herbst eine kleine Summe in Bitcoin und ein halbes Dutzend weiterer Kryptowährungen an, um Erfahrungen zu sammeln. Er gehe davon aus, dass im Moment auch andere Anlagevehikel von reichen Familien eine Investition in Bitcoin erwägen würden.
Es gibt weniger Bitcoin als Superreiche
Der Anlageprofi, der sich nicht öffentlich äussern will, verweist auf eine Studie der Beratungsfirma Capgemini, wonach es 22,8 Millionen Menschen mit einem investierbaren Vermögen von mindestens 1 Million Dollar gebe.
Das hiesse: Nicht einmal jeder Superreiche dieser Welt könnte einen Bitcoin besitzen. Wenn dann noch am Laufmeter Phantasie-Preisprognosen von 1 Million Dollar oder mehr gestellt würden, könnte das den Effekt einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung bekommen.
Ja, die neue Bitcoin-freundliche Regierung wirke als Katalysator, schreibt einer dieser Propheten auf dem Kurznachrichtendienst X. Er heisst Jesse Myers, ist Fondsmanager und hat eine Bitcoin-Prognose von 10 Millionen Dollar in den Raum gestellt. «Aber das ist hier nicht die Hauptgeschichte.»
Es komme im Nachgang zur letzten Halbierung von neu geschürften Bitcoin zu einem Angebotsschock. «Das Preisgleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage muss wiederhergestellt werden. Der einzige Weg, dies zu erreichen, ist ein höherer Preis, der zu einer Manie und einer Blase führen wird», so Myers.
Das Angebot-Nachfrage-Gefüge könne streng genommen nicht aus dem Gleichgewicht geraten, da ein Bitcoin ja in fast beliebig viele Untereinheiten teilbar sei, präzisiert Hany Rashwan. «Es wird aber für die meisten Investoren bald nicht mehr möglich sein, einen ganzen Bitcoin zu besitzen», sagt er. Später werde dann auch nicht mehr jeder einen Halben oder einen Viertel Bitcoin vermögen.