Sonntag, November 17

Als Aussenminister fiel der 69-Jährige mit undiplomatischen Tönen auf. Nun bekleidet der Netanyahu-Loyalist den zweitwichtigsten Posten im Land. Er muss dabei nicht nur die Kriegsführung leiten, sondern auch die Armee auf Vordermann bringen.

Israel Katz war kaum eine Woche im Amt, als ein Video von ihm für Stirnrunzeln sorgte. Es zeigt den neuen Verteidigungsminister, wie er am Mittwoch vor der versammelten Generalität referiert, dass Israel in Libanon den Fuss nicht vom Gas nehmen und keinem Waffenstillstandsabkommen zustimmen werde, bevor nicht alle Kriegsziele erreicht seien. Neben Katz sitzt Generalstabschef Herzl Halevi und schaut teilnahmslos zur Decke.

Als Katz ausführt, zu den Kriegszielen gehöre auch die Entwaffnung des Hizbullah, dreht Halevi den Kopf, schaut den Verteidigungsminister entgeistert an und kratzt sich dann betreten an der Wange. Schnell wiesen israelische Medien darauf hin, dass eine Entwaffnung der libanesischen Schiitenmiliz nie als Kriegsziel definiert wurde – und auch kaum realistisch sei.

Es war nicht die erste Aussage von Katz, die viele Israeli verwunderte. Am vergangenen Sonntag hatte er verkündet, der Hizbullah sei besiegt, während die Miliz gleichentags Dutzende Raketen auf den jüdischen Staat abfeuerte. Wer ist der Mann, der den zweitwichtigsten Posten im Land bekleidet – und was kann er bewirken?

Kaum militärische Erfahrung

Israel Katz hatte einen holprigen Start als Verteidigungsminister, was nicht zuletzt mit den Umständen seiner Ernennung zusammenhängt. Am Abend des 5. November hatte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu Katz’ Vorgänger Yoav Gallant entlassen, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. Der erfahrene Ex-General Gallant galt vielen Israeli als fähiger Verteidigungsminister. Doch er zog den Zorn von Netanyahu auf sich, weil er ihm mehrfach direkt widersprochen und auf eine politische Lösung für den Gazastreifen gepocht hatte.

Netanyahu machte deshalb eine «Vertrauenskrise» geltend, um sich seines grössten Kritikers zu entledigen und mit Katz einen absolut loyalen Nachfolger zu installieren. Im Gegensatz zu Gallant verfügt Israel Katz allerdings kaum über militärische Erfahrung. So werden regierungskritische Medien in Israel nicht müde, Katz als willfährigen Erfüllungsgehilfen Netanyahus und verteidigungspolitischen Amateur zu diskreditieren.

Mit der Regierungsarbeit ist der Politiker Katz allerdings durchaus vertraut. Der Sohn rumänischer Holocaust-Überlebender war 1998 erstmals als Abgeordneter für die rechte Likud-Partei ins Parlament gewählt worden. Später diente er in verschiedenen israelischen Regierungen etwa als Minister für Landwirtschaft, Transport, Energie oder Finanzen.

Bevor er zum Verteidigungsminister ernannt wurde, hatte er im Januar den Chefposten im Aussenministerium übernommen – ein Amt, das er schon zwischen 2019 und 2020 ausgeübt hatte. Damals hatte er mit seiner Aussage, die Polen hätten «den Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen», für diplomatische Verstimmung in Warschau gesorgt.

Bodenoffensive in Libanon ausgeweitet

Seine aggressive Rhetorik brachte Katz in den israelischen Medien den Übernamen «Bulldozer» ein. Auch in den vergangenen zehn Monaten war er als Aussenminister nicht unbedingt mit diplomatischen Tönen aufgefallen. Für Gesprächsstoff sorgten seine bisweilen bizarren Beiträge auf dem Kurznachrichtendienst X, wo er mehrere mit künstlicher Intelligenz generierte Bilder verbreitete. Eines davon zeigte etwa den EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, der lachend auf dem Schoss des iranischen Revolutionsführers Khamenei sitzt. In einem anderen Bild ist Uno-Generalsekretär António Guterres zu sehen, der vor Khamenei auf die Knie geht.

Katz war es auch, der Guterres im Oktober die Einreise nach Israel verweigerte und ihn zur Persona non grata erklärte – dieser habe es nämlich verpasst, den «abscheulichen Angriff Irans eindeutig zu verurteilen». Katz gilt zudem als treibende Kraft hinter dem Verbot des Palästinenserhilfswerks UNRWA, das im nächsten Jahr in Kraft treten wird.

Nun aber wird sich Katz primär mit Israels Verteidigungspolitik herumschlagen müssen. Am Mittwoch verkündete er eine Ausweitung der «begrenzten Bodenoffensive» im Südlibanon. Laut Militärexperten ist die israelische Armee inzwischen fünf bis sechs Kilometer weit in den südlichen Libanon vorgestossen und hat damit begonnen, den Hizbullah auch in der «zweiten Linie» der Dörfer entlang der israelischen Grenze am Boden zu bekämpfen.

Die Armee hat zu wenig Soldaten

Gleichzeitig scheint eine Waffenruhe in Südlibanon in Reichweite zu kommen. So berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag, der amerikanische Botschafter in Libanon habe der libanesischen Regierung einen Entwurf für ein Waffenstillstandsabkommen übergeben. Jüngst hatten sich israelische und amerikanische Diplomaten optimistisch in Bezug auf eine mögliche Waffenruhe gegeben – entgegen der Aussage von Israel Katz, den Fuss nicht vom Gas nehmen zu wollen.

Ohnehin scheint Katz in diesen Gesprächen, wie auch in jenen um die Zukunft des Gazastreifens, vorerst keine grosse Rolle zu spielen. Da die grossen Linien sowieso von Ministerpräsident Netanyahu vorgegeben werden, sind vom neuen Verteidigungsminister hier keine grossen Akzente zu erwarten. An einer anderen Stelle wird Katz aber durchaus anpacken müssen: So klagen die israelischen Streitkräfte (IDF) über einen ernsthaften Mangel an Soldaten – sie verfügen derzeit offenbar nur über 83 Prozent des eigentlich benötigten Personals und verlangen dringend Massnahmen.

Es wird Katz obliegen, diese Bedürfnisse der Armee in die Regierung zu tragen und Lösungen zu finden. Einen Anfang machte er am Freitag: Er bestätigte die von seinem Vorgänger geplante Ausgabe von 7000 Stellungsbefehlen für ultraorthodoxe Männer und erzürnte damit seine streng religiösen Koalitionspartner. Ein ultraorthodoxer Politiker sprach am Freitag gar von einer «Kriegserklärung».

Der Verteidigungsminister weiss, dass er mit seinem Schritt ein politisches Minenfeld betritt. Doch hätte er die Dienstbefehle zurückgehalten, wäre die Empörung wohl noch grösser gewesen. Gleichzeitig werden 7000 Soldaten bei weitem nicht ausreichen, um die Personalprobleme der IDF zu lösen. Katz hat inmitten von Israels längstem Krieg eine undankbare Aufgabe übernommen – die aber zu grossen Teilen darin zu bestehen scheint, Netanyahu nicht in die Quere zu kommen.

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